Naturfotografie in der Uckermark – Teil 2

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Reisen

Der Nationalpark Unteres Odertal stand schon lange auf meiner Wunschliste. Wo sonst in Deutschland hat man die Gelegenheit, eine halbwegs intakte Überschwemmungslandschaft zu erleben? Dabei sind Flussauen seit jeher Sehnsuchtsorte der Menschheit. Sie waren es, die unsere Vorfahren mehr als wohl jede andere Landschaftsform dazu einluden sich anzusiedeln. Dabei ging es den ersten Siedlern weniger um die Schönheit der Auen. Verlockend auf sie wirkten vielmehr die gesicherte Wasserversorgung sowie die fruchtbaren Böden und das mildere Klima. Außerdem boten die Flüsse einen gewissen Schutz. Selbstverständlich spielte auch die Möglichkeit des leichten Warentransports eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

Es darf wohl angenommen werden, dass diese zuerst rein pragmatische Vorliebe für Flussauen unser ästhetisches Empfinden so nachhaltig geprägt hat, dass wir heute diese Art von Landschaften als ausgesprochen schön wahrnehmen und uns von ihnen nahezu magisch angezogen fühlen. Mir geht es da kein bisschen anders, und deshalb hatte ich mir vorgenommen, den Nationalpark Unteres Odertal einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Immerhin liegt er ja zum Teil in der Uckermark, womit er auch ganz offiziell zu meinem Reiseziel gehört.


Im April, so hoffte ich, würden noch weite Bereiche der Auen unter Wasser stehen – bevor sie dann über den Sommer wieder zum großen Teil abtrocknen. Vor meinem inneren Auge sah ich schon die fotogenen, knorrigen alten Bäume, ganz vom Wasser umspült und idealerweise unter einem Himmel, der weder komplett bedeckt noch wolkenlos blau, also auf keinen Fall langweilig sein sollte. Allerdings blieben mir nur zwei Tage zum Fotografieren, und ich musste deshalb schon richtig viel Glück haben, um diese Bedingungen dann auch tatsächlich so anzutreffen.

typische Überschwemmungslandschaft im Nationalpark Unteres Odertal
im Hintergrund: der bereits auf polnischer Seite liegende Endmoränenbogen

Kennt ihr noch Gustav Gans, den Cousin und ewigen Widersacher Donald Ducks um die Gunst der hübschen Daisy? Alles, was er sich wünschte, erlangte er mühelos, da er sich stets auf sein völlig unverdientes Glück verlassen konnte. Kaum im Nationalpark angekommen, fühle ich mich wie der Gustav Gans der Naturfotografie. Zwar ist es immer noch kalt, immer noch windig, aber ansonsten könnte sich das Wetter kaum kooperativer zeigen: Mal lassen die Wolken mehr, dann wieder weniger blauen Himmel erkennen, aber sie ziehen sich zum Glück nie zu einer geschlossenen Wolkendecke zusammen oder verschwinden komplett. Welche Freude die Landschaftsfotografie doch machen kann, wenn das Wetter mitspielt!

Ich habe zwar einen Plan mit Rundwegen durch den Nationalpark einstecken, kann ihn aber getrost in meiner Tasche lassen. Die beschriebenen Wege sind nämlich nur dann komplett begehbar, wenn es die Wasserstände erlauben. Tja, und jetzt im April sind, genau wie ich es mir erhofft hatte, weite Bereiche der Auenlandschaft und damit auch Teilstücke der Rundwege noch überschwemmt.

Aufgeräumt wird hier im Nationalpark zum Glück nicht.

Auch sonst profitiere ich davon, so früh im Jahr in die Uckermark gereist zu sein. Da die Bäume noch nicht ihr volles Laub ausgebildet haben, müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn sich hier nicht die eine oder andere Baumpersönlichkeit mit herrlich bizarr geformten Ästen finden ließe. Wenn ein solcher Charakterbaum dann auch noch malerisch im Wasser stünde…

Da so eine Flussaue sich naturgemäß im ständigen Wandel befindet, will ich hier gar nicht groß und breit darauf eingehen, wohin mich meine verschiedenen Wanderungen geführt haben. Vermutlich wird es dort zu dem Zeitpunkt, da ihr diesen Blogbeitrag lest, ohnehin schon wieder ganz anders aussehen. Am besten lässt man sich einfach vor Ort inspirieren oder fragt in den Nationalparkhäusern nach lohnenden Zielen.

Weißstorch auf Nahrungssuche – Schritt 1: aufstöbern
Schritt 2: schnabelgerecht vorbereiten
Schritt 3: schwupps

Neben den genannten Wunschmotiven mache ich selbstverständlich auch noch allerlei „Beifang“. Es wimmelt hier in der Auenlandschaft des Odertals geradezu von tierischen Bewohnern. Sie alle profitieren massiv von diesem Fleckchen geschützter Natur im Nationalpark.

landender Höckerschwan
Höckerschwan auf seinem Nest

Wie schon früher in anderen Nationalparks fällt mir auch heute wieder die erstaunlich geringe Fluchtdistanz vieler Tiere auf. Offenbar haben sie längst erkannt, dass ihnen von den Menschen hier keine Gefahr droht. Uns Naturfotografen kommt eine solche Verhaltensanpassung natürlich äußerst gelegen.

Grau- und Silberreiher: skeptische Begegnung
Schafstelze
Wer spielt Wippe mit mir?
Goldammer

Als ich gerade voll und ganz darauf konzentriert bin, ein weiteres Foto von einem der vielen imposanten Bäume zu machen, nehme ich aus dem Augenwinkel wahr, dass ein größerer Vogel im Tiefflug unmittelbar über mich hinweg zieht. Neugierig blicke ich nach oben und kann beinahe nicht glauben, was ich da sehe: Ein Schwarzstorch – im Gegensatz zu seinem weißen Vetter ja sehr heimlich lebend und äußerst scheu – lässt sich in guter Fotoentfernung nieder. Leider ist an seinem Landeplatz die Vegetation so dicht und hoch, dass ich außer dem schwarzen Hinterkopf nichts weiter von ihm zu sehen bekomme.

Vor lauter Begeisterung fotografiere ich sogar diesen Hinterkopf, was natürlich wenig Sinn ergibt. Ich kann aber gar nicht anders, denn immerhin ist es das erste Stückchen Schwarzstorch, das ich überhaupt jemals im Bild festgehalten habe. Dann verlege ich mich aufs Warten. Irgendwann muss das Objekt meiner Begierde (ich weiß, ich bin alt geworden) ja wieder abfliegen. Da Störche stets gegen den Wind starten, prüfe ich schnell die Windrichtung. Mist! Das dürfte dann wohl genau die verkehrte Flugrichtung ergeben.

Schwarzstorch: Mehr als der Hinterkopf und etwas Schnabel ist leider nicht zu sehen.
abfliegender Schwarzstorch

Kaum habe ich meinen Gedanken zu Ende gebracht, schon startet der Storch – wie erwartet leider von mir weg. Wie schade, dass ich nur seine Kehrseite ablichten kann. Natürlich bin ich ein wenig enttäuscht, aber im Grunde überwiegt doch die Freude darüber, einem meist zurückgezogen in Wäldern lebenden Vogel so nahe gekommen zu sein. Immerhin habe ich heute meine ersten Fotos eines Schwarzstorchs in der freien Natur gemacht – wenn auch nur von hinten.

Ausklingen lassen möchte ich diesen zweiten Blogbeitrag über meine kurze Reise in die Uckermark mit noch mehr Bildern der wunderschönen Auenlandschaft. Mensch und Natur würden enorm davon profitieren, wenn wir bereit wären, unseren Flüssen wieder den Raum zuzugestehen, den sie nun einmal brauchen. Nur dann werden sie in der Lage sein, auch große Wassermassen aufzunehmen und gefahrlos abzuführen. Und nur so werden sich Katastrophen wie im Ahrtal oder einige Jahre zuvor an der Elbe und auch hier im Oderbruch zukünftig vermeiden lassen.

Selbstverständlich wird das keine ganz einfache Aufgabe. Die benötigten Flächen werden ja in aller Regel heute noch anderweitig genutzt. Aber mit der zunehmenden Klimaerwärmung dürfte die Zahl der Starkregenereignisse dramatisch zunehmen. Wenn wir uns jetzt nicht um Überschwemmungsflächen kümmern, dann sind die nächsten Hochwasserkatastrophen programmiert.

Ganz nebenbei würden wir mit renaturierten Flussauen Landschaften schaffen, die zu den schönsten in Mitteleuropa gehören könnten. Nicht nur wir wären Nutznießer, sondern auch unzählige Pflanzen und Tiere. Mindestens drei Fliegen mit einer Klappe also:

  • effizienter Hochwasserschutz
  • Bewahrung der Artenvielfalt
  • wunderschöne Landschaften

Einiges passiert bereits. So kann ich z.B. ein Renaturierungsprojekt mit ähnlicher Zielsetzung in der Nähe meines Wohnorts an der Ems beobachten – und es gibt bundesweit, sogar EU-weit viele mehr. Verhaltener Optimismus ist also durchaus berechtigt.

Nagespuren fleißiger Biber

Und mit diesem versöhnlichen Gedanken will ich meinen kleinen Reisebericht aus dem Nationalpark Unteres Odertal und der Uckermark denn auch beenden. Ich hoffe, ihr hattet ein wenig Freude an den Fotos. Mich werden sie jedenfalls immer an ein paar sehr, sehr schöne und ebenso spannende wie entspannende Tage ganz im Nordosten Brandenburgs erinnern – und daran, dass ich unbedingt einmal wiederkommen muss.

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