Wolken in der Landschaftsfotografie

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Schmökern

Erstaunlich, wie gut ich mich erinnere: Als Kinder haben meine Spielkameraden und ich im Sommer oft, wenn wir vom Herumtoben ein wenig erschöpft waren, rücklings auf dem kleinen Rasenstück vor unserem Haus gelegen. Wir schauten dann in den Himmel und vergnügten uns damit, immer wieder neue Figuren in den meist ein wenig träge vorüberziehenden Wolkengebilden zu entdecken. In unserer Phantasie sahen wir dort oben wilde Tiere, Burgen, Saurier, Lokomotiven… Und immer war ein Drache dabei. Niemand von uns wunderte sich darüber, dass er stets Frau Menzel ähnlich sah, einer älteren Nachbarin, die wir alle wegen ihrer häufigen Schimpftiraden gegen uns Kinder nicht besonders gut leiden konnten.

Irgendwann im gesetzten Alter von vielleicht neun oder zehn Jahren waren wir dann viel zu alt und zu erwachsen für diese alberne Wolkenguckerei. Mit so einem Kleinkinderkram wollte niemand von uns mehr etwas zu schaffen haben. Vermutlich war das auch der Moment, von dem an uns Stückchen für Stückchen jene wunderbare Phantasie abhanden kam, die uns als Kinder immer wieder mit großer Begeisterung neue Spiele erfinden ließ, in die wir uns dann stundenlang völlig verlieren konnten.

Stimmungsvollere Landschaftsbilder durch Wolken

Die Fotografie hat zumindest einen Teil meiner kindlichen Begeisterung für Wolken und ihre vielfältigen Erscheinungsformen wieder geweckt. In der Landschaftsfotografie sind Wolken nun einmal enorm wirksame Bildelemente, kaum zu übertreffen darin, Stimmungen zu transportieren. So kennen wir alle die harmlosen Schäfchenwolken, wissen aber auch aus bestimmten Wolkenformationen abzuleiten, dass ein Unwetter droht.

Damit hätten wir dann mit „freundlich, harmlos“ und „bedrohlich“ schon einmal zwei für jeden Betrachter einfach nachvollziehbare Wolkenstimmungen beieinander. Darüber hinaus beeinflussen Wolken auch ganz wesentlich, wie wir das Licht der Sonne wahrnehmen. Licht wiederum ist der mit Abstand einflussreichste Faktor, wenn es um die Atmosphäre in einem Foto geht.

In der Landschaftsfotografie versuche ich, mir dies zunutze zu machen. Will ich nämlich einem Foto eine ganz bestimmte Stimmung mitgeben, dann brauche ich oft nicht viel mehr zu tun, als auf die zur beabsichtigten Stimmung passenden Wolken zu warten. Übrigens ein guter Grund mehr, nicht nur im Urlaub, sondern vor allem in der näheren Umgebung meines eigenen Wohnorts auf Fotopirsch zu gehen. Hier habe ich ja immer wieder und eben nicht nur ein einziges Mal die Chance auf bestimmte Wolken- und Lichtstimmungen.

Eine Landschaft verhält sich ja leider nicht viel anders als unsereiner bei einem Strandurlaub. Sie liegt einfach nur träge da und lässt den Tag einen guten Mann sein. Mehr Eigeninitiative, als im trägen Rhythmus der Jahreszeiten mal ein neues Make-up aufzulegen, kann ich von meinem Model wohl kaum erwarten. Hätte ich nicht meine beiden wichtigsten Helfer, das Licht und die Wolken, dann würde ich vermutlich lieber Konfetti nach Farben sortieren als mich der Landschaftsfotografie zu widmen.

Mit diesen beiden phantastischen Helfern an meiner Seite aber sieht die Sache gleich ganz anders aus. Sie ermöglichen es mir, auf derselben Bühne die verschiedensten Stücke zu inszenieren. Wenn ihr Lust habt, dann begleitet mich in mein kleines Theater der Landschaftsfotografie:

Der Beleuchter

Mich fasziniert es immer wieder, wenn plötzlich ein Lichtstrahl durch die Wolkendecke bricht und wie ein Theaterscheinwerfer Teile der Szenerie ausleuchtet. Mehr braucht es im Grunde gar nicht für ein Landschaftsfoto, nur Wolken und Licht. Und wenn es nicht zu viele Umstände macht, käme ein Stückchen Landschaft auch noch ganz gelegen.

Die Operette

Man könnte sehr leicht zu der Vermutung gelangen, dass nichts eine heitere Stimmung besser zum Ausdruck brächte als ein ein herrlich blauer Himmel bei allerschönstem Sonnenschein. Darin stecken aber tatsächlich gleich zwei Denkfehler: Praller Sonnenschein, besonders um die Mittagszeit herum, eignet sich meist längst nicht so gut für schöne Bilder, wie vielfach angenommen wird. Und ein blauer, wolkenloser Himmel neigt auf Fotos meist dazu, eher langweilig als heiter zu wirken.

Wenn ich in meinen Fotos eine freundlich wirkende Landschaft einfangen möchte, dann geht mein Blick meistens zum Himmel um zu schauen, ob sich nicht vielleicht ein paar Schönwetterwölkchen zur Mithilfe bereit erklären könnten. Im Zweifel hilft da nur Warten. Es kann auch sehr gut sein, dass ich mein Glück an einem anderen Tag erneut versuchen muss. Das mag jetzt etwas frustrierend klingen, ist es im Grunde aber überhaupt nicht. Als Naturfotograf bin ich zwar von den Launen des Wetters abhängig, zugegeben. Aber immerhin kann ich den Spieß ja auch umdrehen und mir die passenden Motive zum vorherrschenden Wetter suchen. Ich habe es also immer noch weit besser als so mancher Porträtfotograf. Was sind schon die Launen des Wetters gegen jene einer Kundschaft, von der nicht wenige einen Zahnarztbesuch immer noch weitaus erfreulicher finden, als einen Termin beim Fotografen?

Zurück zur Landschaftsfotografie: Übertreiben sollte ich es mit meinen freundlich-heiteren Fotos wohl besser nicht. Solche Bilder – hübsche Landschaft, blauer Himmel, malerische Schönwetterwölkchen – schrammen ja meist haarscharf an der Grenze zum Kitschigen entlang.

Letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er solche Fotos generell ablehnt. Ich habe mich dafür entschieden, hier und da ein paar dieser typischen Postkartenmotive in meine Sammlung aufzunehmen, wenn es sich anbietet. Positive Emotionen sind ja nicht von Haus aus etwas Schlechtes. Bei einem Foto, das ich gerade deshalb gemacht habe, weil die Situation vor Ort mich in eine heitere Stimmung versetzt hat, finde ich es in Ordnung, wenn man dies dem Bild auch ansieht, selbst auf die Gefahr hin, dass es ein wenig kitschig wirken mag. Allerdings würde ich selbst im Rahmen größerer Fotostrecken nicht gerne mehr als eine Handvoll solcher Aufnahmen zeigen.

Das Drama

Waren die Fotos oben eher aus dem Weißen Rößl, so kommen wir nun zu Macbeth. Ich finde nämlich durchaus immer mal wieder Freude daran, meinen Landschaftsfotos eine etwas düstere und leicht bedrohliche Atmosphäre zu verpassen. Weiß der Himmel, was man daraus über meine Psyche ableiten kann. Mein eigener Gruselfaktor ist dabei allerdings eher praktischer Natur: Bedrohliche Wolkenstimmungen treten in der Regel ja kurz vor einem Unwetter auf. Ich stehe dann natürlich irgendwo in der Gegend und versuche, diese faszinierend düstere Stimmung bis zum letzten Moment auf den Sensor meiner Kamera zu bannen. Keine Ahnung, wie oft ich dann meine Beine in die Hand nehmen musste, um so schnell wie nur irgend möglich den nächstbesten Unterschlupf aufzusuchen. Klatschnass bin ich dabei aber bisher noch fast jedes Mal geworden.

Die tragende Nebenrolle

Nicht immer beschränkt sich die Rolle der Wolken darauf, eine besondere Atmosphäre ins Bild zu zaubern. Manchmal können Wolken das Hauptmotiv sogar inhaltlich unterstützen oder es sinnvoll ergänzen:

Im Foto unten sieht man, dass hier viele Generationen fleißig grasender Schafe ihre Trittspuren hinterließen. Sie waren es nämlich, die jene eigenartigen Rillen verursacht haben, welche sich um die Hügel ziehen. Das alleine wäre in meinen Augen schon ein lohnendes Motiv gewesen. Die wunderbar dazu passenden Wolken haben dieses Bild aber erst in die Reihe meiner liebsten Schottland-Fotos katapultiert. Ich hatte einfach das riesige Glück, gerade in dem Augenblick vor Ort zu sein, als sie genau die Struktur der Hügel aufnahmen und optisch bis in den Himmel verlängerten.

Beim nächsten Foto unterstützen die tief hängenden Wolken, aus denen oben eine bewaldete Spitze herauslugt, den Charakter eines Schlechtwettertages in den Bergen. Hätte das Foto auch ohne die Wolken funktioniert? Ich glaube nicht.

Natürlich ist das Rannoch Moor auch bei Sonnenschein sehr beeindruckend, keine Frage. In meinen Augen unterstreichen die als Nebel bis auf den Boden reichenden Wolken jedoch den Charakter dieser unwirtlichen Landschaft noch einmal deutlich. Ich finde, man spürt förmlich die feuchte Kälte, die auch mich nach dem Fotografieren schnell wieder ins warme Auto trieb.

Die Hauptrolle

Nahmen in den letzten Fotos die Wolken eine Rolle als Nebendarstellerinnen ein, mit der Aufgabe, die Hauptdarstellerin Landschaft noch besser zur Geltung zu bringen, so dürfen sie in den Bildern unten nun endlich selbst die ersehnte Hauptrolle spielen. Dieser Aufstieg in der Theater-Hierarchie ist ohne Zweifel berechtigt. Schließlich gilt die Wandelbarkeit als wichtiges Qualitätskriterium in der Schauspielerei. Und wer könnte dieser Anforderung in unserem Theater der Landschaftsfotografie besser gerecht werden, als die so unendlich vielgestaltigen Wolken?

Die große Oper

Manchmal, in aller Regel gegen Abend, verwandelt sich der Himmel in ein prachtvolles Gemälde aus Wolken und Licht, und das unter überaus verschwenderischem Einsatz der herrlichsten Farben. Die ganze Landschaft wirkt dann, meistens nur für wenige Minuten, wie verzaubert, der Wirklichkeit beinahe entrückt.

Selbstverständlich versuche ich, diese besonderen Momente in meinen Fotos festzuhalten. Wie könnte ich nicht? Allerdings weiß ich schon in dem Augenblick, da ich den Auslöser betätige, dass ich mich mit einem solchen Bild wieder der Gefahr aussetze, als exzessiver Photoshopper abgestempelt zu werden. Ich verstehe diese Skepsis, denn in Zeiten des Himmelaustauschs per einfachem Knopfdruck, wie ihn einige Bildbearbeitungsprogramme ja inzwischen bieten, liegt bei solchen Bildern die Vermutung natürlich nahe, hier habe wieder einmal ein gänzlich übermotivierter Hobbyfotograf bei der Bildbearbeitung nicht rechtzeitig an sich halten können. Nur für’s Protokoll: Alle Fotos des heutigen Beitrags haben lediglich meine übliche Raw-Entwicklung in Lightroom durchlaufen, mehr an Bearbeitung war nicht.

Auch bei dieser Art von Fotos kann es übrigens leicht passieren, dass der Kitsch-Alarm ausgelöst wird. Aber was will man machen? Sind einige der Momente, die wir in der Natur verbringen dürfen, nicht tatsächlich manchmal einfach nur kitschig schön? Kann die Wirklichkeit überhaupt kitschig sein? Ich weiß die Antwort nicht. Habt ihr eine? Dann schreibt sie gerne in die Kommentare.

2 Kommentare

  1. Besonders schön finde ich die Bilder, bei denen eine interessante Lichtstimmung durch Wolken noch verstärkt wird. So wirken sie bei einigen der letzten Bilder wie eine räumliche Trennung von goldener und blauer Stunde. Das macht diese Motive für mich besonders spannend.

    • Hallo Pascal, freut mich, dass dir die Bilder gefallen. Beleuchter (Sonne) und Bühnenbildner (Wolken) können zusammen schon eine tolle Stimmung zaubern. Da kann dann mit der Inszenierung (dem Foto) nicht mehr wirklich viel schiefgehen.

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