Hin und wieder halte ich es für eine gute Idee, mich in meinen fotografischen Möglichkeiten freiwillig zu beschränken. Eine solche Limitierung kann dann beispielsweise darin bestehen, einen ganzen Tag lang mit nur einer einzigen Brennweite auszukommen oder für eine Weile ausschließlich offenblendig zu arbeiten. Möglichkeiten gibt es hier ja mehr als genug. Da ich von Haus aus kein ausgesprochen kreativer Mensch bin, zumindest nicht im künstlerischen Bereich, hat es sich als recht hilfreich erwiesen, mich auf diese Weise immer mal wieder zu zwingen, die gewohnten Bahnen zu verlassen. Nicht immer führen diese Experimente gleich zu vorzeigbaren Bildern. Aber darum geht es mir auch gar nicht. Viel wichtiger ist doch, dass solche Übungen nach und nach meinen fotografischen Werkzeugkoffer erweitern. Darüber hinaus macht es mir einfach Spaß zu schauen, wie ich mit meinen selbst auferlegten Einschränkungen zurechtkomme.
Normalerweise bekommt ihr von diesen kleinen Experimenten hier im Blog nichts zu sehen. Heute möchte ich aber mal eine Ausnahme machen. Aktuell stand nämlich auf meinem Übungsplan, sämtliche Fotos für diesen Blogbeitrag im Rahmen einer einzigen Wanderung ganz in der Nähe meines Wohnortes aufzunehmen. Keine zweite Chance, kein Netz, kein doppelter Boden. Die Strecke hatte ich absichtlich so gewählt, dass sie durch eine zwar hübsche, aber auch völlig unspektakuläre Landschaft führte. Und damit ich meine Komfortzone auf jeden Fall verlassen musste, wollte ich noch einige weitere Bedingungen einhalten:
Pro Foto war nicht mehr als eine kurze, längstenfalls 3-minütige Unterbrechung meiner Wanderung erlaubt – Bilder im Vorübergehen, wenn man so will. Auch beim Equipment hatte ich mich strikt beschränkt auf meine Kamera und das gute alte Standardzoom. Ganz nebenbei bot mir diese Minimalausrüstung auch den Vorteil, mich beim Wandern in keiner Weise zu behindern. Vor allem aber wollte ich durch die Begrenzung auf nur ein Objektiv die fotografische Herausforderung noch ein wenig steigern. Wenn schon, denn schon.
Da spielte es dann fast schon keine Rolle mehr, dass die Wanderung eher zufällig als geplant in die Zeit vom späten Vor- bis zum frühen Nachmittag fiel, also in genau jene Stunden, die sich an sonnigen Tagen wohl durch das denkbar ungünstigste Fotolicht auszeichnen. Mit anderen Worten: Ich bin mit nur einem Objektiv zur unpassenden Zeit durch eine wenig spannende Gegend gewandert und habe mir dort für meine Fotos nicht mehr als einen kurzen Stopp erlaubt.
Warum ich mich freiwillig auf solche widersinnigen Einschränkungen einlasse? Weil sie mir helfen, aus der fotografischen Sackgasse, in die ich mich selbst manövriert habe, wieder herauszukommen. Welche Sackgasse? Ich versuche sie hier einmal in ein paar Stichworten zu skizzieren:
- Kamerakauf mit dem Ziel, hauptsächlich in der Natur zu fotografieren.
- Erste erkennbare fotografische Fortschritte führen zu besseren Fotos.
- Die Fortschritte verlangsamen sich und kommen allmählich zum Stillstand.
- Versuch der Überwindung dieses Stillstands durch Reisen zu spektakuläreren Motiven.
- Dadurch zwar vielleicht interessantere, aber noch lange keine besseren Fotos.
- Und nun?
Na, wer von euch hat sich da gerade selbst ein Stück weit wiedererkannt? Wundern würde mich das jedenfalls nicht, denn ich glaube, sehr viele Hobby-Naturfotografen gelangen irgendwann in diese Sackgasse. Und wie kommt man da wieder heraus? Reisen zu noch spektakuläreren Motiven? Technisch aufrüsten?
Nein, das dürfte wohl kaum der richtige Weg sein. Die eigentliche Frage lautet doch: Was kann ich tun, um ein besserer Fotograf werden? Und die Antwort besteht sicher nicht darin, nach und nach sämtliche Top-Locations dieser Welt abzuklappern (oder zumindest so viele wie möglich) und dann dort genau die gleichen Bilder zu machen wie hunderte, vermutlich sogar viele Tausend Fotografen zuvor, denen ebenfalls nichts Originelleres eingefallen ist.
Sollte es nicht eher mein Ziel sein, auch dann einigermaßen verlässlich zu ordentlichen Fotos zu gelangen, wenn ich nicht vor einem atemberaubenden, sondern vor einem ganz gewöhnlichen Motiv stehe und wenn die Rahmenbedingungen alles andere als günstig sind? Prinzipiell muss das wohl möglich sein, denn für Profis ist ja genau diese Fähigkeit absolut unabdingbar. Man wird sicher kein erfolgreicher Hochzeitsfotograf, wenn man nur von den hübschesten Brautpaaren und bei bestem Wetter gute Fotos zustande bringt. Ein Werbefotograf muss auch noch den allerödesten Joghurtbecher ansprechend in Szene setzen können und nicht nur schicken Schmuck an hübschen Models.
Zum Glück bin ich kein Profi. Aber das sollte noch lange kein Grund sein, mich ganz auf möglichst spektakuläre Motive zu verlassen. Vor einem isländischen Gletscher zu stehen oder sich durch die Savanne zu den beeindruckendsten Tieren Afrikas fahren zu lassen, ist ja schließlich noch keine fotografische Leistung. Nein, der beste Weg aus meiner Sackgasse führt ganz sicher nicht über tollere Motive oder eine kostspieligere Kamera.
So ungern ich es vielleicht auch hören mag – aber letztlich hilft nur üben, üben, üben. Nicht unbedingt eine meiner größten Stärken, schon in der Schule nicht. Aber anders wird das nun einmal nichts. Zumindest kann ich dafür sorgen, dass mir beim Üben nicht langweilig wird. Und genau deshalb sind solche kleinen Herausforderungen, wie ich sie eben beschrieben habe, ideal. Am besten nutze ich dafür die Fotoreviere vor meiner Haustüre, wo es nicht gleich ein Drama ist, wenn mal etwas misslingt. Auf Reisen hingegen möchte ich so etwas lieber nicht erleben. Da soll mir das Erlernte dann möglichst selbstverständlich zur Verfügung stehen.
Wenn ich so darüber nachdenke: Vielleicht werde ich ja doch hin und wieder hier von meinen Lernexperimenten berichten. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Artikel „Ein Tag nur mit Blende 2.8“ oder „Alles belichtet mit 1/8 Sekunde“? Könnte sich doch als ganz interessant erweisen, oder? Naturgemäß werden die dabei entstehenden Bilder keine Meisterwerke sein, das sind ja auch die Fotos in diesem Blogbeitrag nicht. Aber schließlich geht’s dabei ums Training und nicht um perfekte Fotos. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn meine Übungen euch als kleine Anregung dienten, selbst einmal etwas Ähnliches zu probieren. Es müssen ja nicht unbedingt alle in die gleiche Sackgasse laufen wie ich.