Auch Pleiten gehören dazu

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Reisen

Das Glaslinsenspiel ist, wie ihr wisst, ein Naturfotoblog. Was wir heute kurz als Blog bezeichnen, das hieß ursprünglich mal Weblog, zusammengesetzt aus Web und Log(book), und stand für ein Tagebuch, das nicht heimlich geführt und unter der Matratze versteckt, sondern im Internet (Worldwide Web) veröffentlicht wurde. Warum ich das erwähne? Nun, in einem Tagebuch hält man ja typischerweise auch die weniger schönen und die nicht so erfolgreichen Momente seines Lebens fest. Und meine letzte Kurzreise nach Ostfriesland, von der ich hier heute berichten möchte, gehört definitiv in die Kategorie „nicht so erfolgreich“.

Die jungen Möwen trotzen dem Regen.

Deshalb gleich eine Warnung vorweg: Mit besonders anheimelnden Bildern kann ich dieses Mal wohl eher nicht dienen. Aber was soll’s? Da mache ich einfach aus der Not eine Tugend und zeige euch stattdessen ein paar Fotos, die aus nichts als purem Trotz entstanden sind, eben ganz nach dem Motto: „Jetzt erst recht!“

kleine Wolkenlücke, sich schon wieder schließend
im Watt bei Regen

Eigentlich bin ich ein ausgesprochener Ostfriesland-Fan. Da es von meinem Wohnort im Münsterland nicht mehr als ein kurzer Trip bis zur ostfriesischen Küste ist, gönne ich mir immer mal wieder eine kleine Auszeit dort. Die weite Landschaft, das unglaubliche Wattenmeer, leckerer Fisch und ebenso schmackhafte Krabbenbrötchen, ein Stück Friesentorte, dazu das obligatorische Kännchen Ostfriesentee mt Kluntjes und Sahne – so lässt’s sich leben.

Der Genießer in mir kommt also in Ostfriesland auf jeden Fall auf seine Kosten. Aber auch der Naturfotograf kehrt von so einem Kurztrip nahezu immer mit einer mehr als zufriedenstellenden Ausbeute nach Hause. Für mich also eine echte Win-win-Situation – normalerweise. Aber dieses Mal war alles ein wenig anders:

Zufahrt zu meinem Stellplatz – ausnahmsweise sogar bei Sonnenschein

Mit meinem kleinen Wohnanhänger wollte ich einige Tage auf einer vorher gebuchten privaten Wiese campieren und dann von dort aus meine Fototouren unternehmen. Allerdings hatte es zuvor in Ostfriesland seit Monaten so viel geregnet, dass aus der Wiese ein unbefahrbarer Sumpf geworden war. Zum Glück waren meine Gastgeber aber so nett, mich ersatzweise auf ihrem gepflasterten Hof übernachten zu lassen. Dort stand der Anhänger zwar auch mehr oder weniger im Wasser, aber er sank zumindest nicht ein.

Zu meinem Pech zeigte sich das Wetter dann allerdings auch während meiner Tage an der ostfriesischen Küste von seiner schlechteren Seite. Lange Phasen, in denen es wahrlich in Strömen goss, wurden nur gelegentlich von „Aufheiterungen“ in Form von kurzzeitig mal halbwegs erträglichen Regenfällen unterbrochen. Dies waren sie dann, meine Momente: Ich schnappte mir schnell die Kamera und versuchte – das „gute“ Wetter ausnutzend – ein paar Aufnahmen zu machen. Man wird ja bescheiden.

Das Wattenmeer behält seinen herben Charme…
…auch bei Schietwetter.

Die gute Nachricht: Ich weiß jetzt sicher, dass mein kleiner Wohnanhänger dicht ist. Er wurde schließlich nicht nur stundenlang aufs Heftigste begossen, sondern dabei auch noch von etwas durchgerüttelt, dass ich bei uns im Münsterland ohne zu zögern als heftigen Sturm bezeichnen würde. Nun, an der ostfriesischen Küste gelten da andere Maßstäbe: Von Sturm spricht man dort erst, wenn die hübschen schwarz-weißen Kühe beginnen, von der Weide abzuheben.

Wattwanderer?
Nein, Brandgänse!

Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, diese Tage der Fotografie all jener Vögel zu widmen, die typischerweise an der Wattenmeerküste anzutreffen sind. Besonders die Leybucht bei Greetsiel ist ja eines der besten und bekanntesten Gebiete dafür in ganz Norddeutschland. Um diese Gelegenheit nicht zu verpassen, bin ich dann sogar trotz des strömenden Regens um die dortigen Pütten marschiert, immer mit der Kamera im Anschlag. Ja wirklich, ich habe mich, wie es sich für einen Naturfotografen gehört, mit nahezu stoischer Gelassenheit den zuvor geschilderten Elementen ausgesetzt.

Selbst an den Pütten der Leybucht…
…lässt sich bei dem Wetter kaum ein Vogel sehen.

Leider haben meine gefiederten Freunde sehr viel weniger Wetterfestigkeit bewiesen als ich. Bis auf ein paar Austernfischer und ein einziges Blässhuhn ließ sich absolut kein Geflügel blicken. Wahrscheinlich haben sie alle in einem trockenen Unterstand gesessen und sich über diesen komischen Kauz amüsiert, der da bei einem solchen Sauwetter durch die Gegend marschiert.

…und ewig lockt das Watt.
einsamer Spielplatz am verregneten Strand
Sekunden vor dem nächsten Unwetter

Soll ich euch was sagen? Dieser kurze und völlig verregnete Aufenthalt in Ostfriesland ohne vernünftige Fotoausbeute hat meinen Ehrgeiz geweckt. Schon auf der Rückfahrt habe ich mir vorgenommen, in diesem Jahr noch einige Male hinzufahren mit dem Ziel, genügend gelungene Aufnahmen für einen weiteren, wesentlich besser bebilderten Blogbeitrag zustande zu bringen. Ihr könnt also schon einmal fest davon ausgehen, dass dies gewiss nicht der letzte Artikel war, in dem ihr hier etwas über die – eigentlich ja wirklich sehr reizvolle – ostfriesische Landschaft und ihre Tierwelt finden konntet. Mögen mich meine gefiederten Freunde dieses Mal auch heimlich ausgelacht haben: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Austernfischer

Erst einmal bleibt mir aber gar nichts anderes übrig, als hier von meiner aktuellen Pleite zu berichten. Aber so ist das eben, wenn man die Rahmenbedingungen nicht selbst in der Hand hat. Studiofotografen sind da klar im Vorteil. Aber tauschen möchte ich mit ihnen dennoch nicht. Im Grunde liebe ich es schon sehr, den Elementen zumindest so weit ausgesetzt zu sein, dass ich die Natur mit allen Sinnen intensiv spüre. Und einige wenige Aufnahmen sind ja gar nicht einmal sooo unbrauchbar.

Wenn sonst nicht viel geht…
…sind es oft die Details…
…die den Fotografen retten.

Ich erinnere mich, dass meine Frau und ich vor vielen Jahren ein paar wunderschöne Sommertage in einer kleinen Bed-and-Breakfast-Pension am New Forest in Dorset im Süden Englands verbracht haben. Nach einer ausgiebigen Wanderung durch den Wald und der Begegnung mit einigen der dort wild lebenden Ponys schwärmten wir unserer Wirtin vor, in welch herrlicher Gegend sie doch wohne. Daraufhin seufzte sie ein wenig und berichtete davon, wie öde und einsam es dort in Herbst und Winter sein könne. Dann aber lächelte sie und sagte aus vollem Herzen: „If you like it at its worst, you’ll love it at its best.“

Ich habe Ostfriesland schon immer geliebt. Jetzt weiß ich, dass ich es selbst dann noch mag, wenn eigentlich alles dagegen spricht. Nicht unbedingt die schlechteste Erkenntnis einer Reise, oder?

Der schiefe Turm von Suurhusen (schiefer als jener von Pisa, wirklich wahr)

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