Drei Fototage in Amsterdam

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Reisen, Seitensprünge

Mein wichtigstes Hobby ist, ihr werdet es erahnen, die Naturfotografie. Aber in jedem Naturfotografen steckt eben auch ein Fotograf. Weil das bei mir nicht anders ist, gibt es hier im Glaslinsenspiel mit Absicht den Menüpunkt „Seitensprünge“. Er ist so etwas wie meine frei bespielbare Nische, in der ich auch mal Bilder von Ausflügen in andere Genres als die Naturfotografie mit euch teilen kann.

Genau das möchte ich heute tun. Ich war für drei Tage in Amsterdam, einfach nur, um mit meiner Kamera durch diese attraktive Stadt zu flanieren und dabei ohne inhaltliche Beschränkungen zu fotografieren, was mir eben so vor die Linse kam. Vielleicht habt ihr ja Lust, euch hier ein paar der Bilder anzuschauen, auch wenn es ausnahmsweise nicht um die Natur, sondern eine – wenn auch recht kleine – Weltstadt geht.

Zuerst aber muss ich euch unbedingt noch von meiner überraschend unterhaltsamen Anreise erzählen. Damit dieser Teil nicht gar zu textlastig wird, streue ich schon einmal ein paar kuriose oder zumindest eher unübliche Bilder aus Amsterdam ein – sozusagen als Appetithäppchen.

Haus mit Garage, Amsterdamer Variante

Eine Bahnfahrt, die ist lustig…

Nein, ich werde hier nicht auf die Deutsche Bahn einprügeln. Warum sollte ich auch? Immerhin hat sie mich sicher nach Amsterdam und wieder retour gebracht. Zwar hatte schon mein Zubringerzug nach Osnabrück satte 40 Minuten Verspätung, was man im ersten Moment vielleicht für ein Ärgernis halten könnte. Die Bahn verstand es jedoch, dem Ganzen einen positiven Dreh zu geben: Die Ansagerin kündigte zuerst einmal nur eine nahezu vernachlässigbare Verzögerung von zehn Minuten an, meldete sich dann aber alle fünf Minuten aufs Neue, um weitere fünf Minuten obendrauf zu legen. Wo die Reisewilligen (Reisende waren wir ja bis dahin noch nicht) zuerst noch murrten, kam schon bald mit jeder weiteren Durchsage zunehmendes Gelächter auf. Ja, unsere Bahn versteht es eben ganz vorzüglich, die Stimmung selbst bei noch so langen Wartezeiten erfolgreich aufzuheitern. Hut ab!

Einer von mindestens vier (!!!) Shops in Amsterdam, die alle nichts als…
…unzählige Gummi-Enten in den absurdesten Verkleidungen anbieten

Solcherart in beste Laune versetzt, nahm ich die eine Stunde Verspätung, welche mein nächster Zug auf der Strecke von Osnabrück nach Amsterdam einfuhr, dann schon mit allergrößter Gelassenheit hin. Wir wurden aus Gründen, die man ganz offenbar für nicht mitteilenswert hielt, großräumig umgeleitet. Glück muss man haben: Immerhin kam ich so zu dem seltenen Vergnügen einer hübschen Rundreise durch die Niederlande. Mehr Kilometer also fürs gleiche Geld. Mal ehrlich, wo bekommt man das denn heute sonst noch?

Nun ja, zumindest ans Rauchverbot hält sich dieses Fahrrad.

Ich lehnte mich also zurück und genoss meine kostenlosen Extrameilen. Zumindest hätte ich das getan, wenn mein Platz nicht für andere Mitreisende reserviert gewesen wäre. Das konnte ich aber vorher nicht wissen, denn zur Unterhaltung ihrer Fahrgäste hatte die Bahn im ganzen Zug darauf verzichtet, vorbestellte Plätze entsprechend zu kennzeichnen. Also durften viele von uns noch einmal aufstehen und sich einen neuen Sitzplatz suchen. Welch eine überaus entzückende Idee, uns mit dieser Bahnversion des alten Kinderspiels „Reise nach Jerusalem“ für einige heitere Minuten in die Zeiten unserer glücklichen Kindheit zurückzuversetzen!

Die unzähligen Amsterdamer Käseläden könnten einen fast glauben lassen…
…holländischer Käse sei tatsächlich eine ernst zu nehmende Delikatesse.

Kaum war ein wenig Ruhe eingekehrt, da brachte unser Zugführer mit seiner nächsten Ansage auch schon wieder jede Menge Leben in den Waggon. Das nächste Spiel, mit dem man uns nun zu amüsieren gedachte, hieß „Finde deinen Bahnhof“. Wir erfuhren nämlich, dass unser Zug am Ende seiner Odyssee zwar Amsterdam erreichen werde, nicht aber die allermeisten seiner planmäßigen Zwischenstopps. Jedoch, so machte man uns Mut, würden wir zum Ausgleich in einigen anderen niederländischen Städten anhalten. Nun, dieses Spiel versprach, recht spannend zu werden.

Fast war ich ein wenig enttäuscht, dieses Mal, da ich ja nach Amsterdam wollte, nicht selbst mitspielen zu können. Es war aber dann auch ohne direkte Beteiligung höchst unterhaltsam, meine Mitreisenden dabei zu beobachten, wie sie nun hastig versuchten, mittels ihrer Handys doch noch einen Weg an ihr Ziel zu finden. Selten hatte ich eine so kurzweilige Zugfahrt. Thank you for travelling, liebe Deutsche Bahn.

Während die Statue „Belle“ ganz offiziell alle Sex Worker der Welt ehren soll…
…sind Intention und Erschaffer:in dieses nicht minder berühmten Kunstwerks unbekannt.

Wer hätte nach einer so erlebnisreichen Hinfahrt kein Verständnis dafür aufgebracht, wenn die Rückreise einfach nur planmäßig und langweilig verlaufen wäre? Aber ganz im Gegenteil, die Bahn scheute wirklich keine Mühe, meine Rückreise sogar noch um einiges spannender zu gestalteten. Kaum traf ich am Bahnhof ein, da schallte mir die frohe Kunde auch schon aus allen Lautsprechern entgegen: Mein Zug von Amsterdam nach Osnabrück war kurzfristig vom Fahrplan gestrichen worden. Statt einer öden und vorhersehbaren Zugfahrt direkt nach Hause erwartete mich nun der Nervenkitzel einer Reise ins Ungewisse. Welch ein Upgrade!

Skurril, aber irgendwie auch so etwas wie die Essenz von Amsterdam: Grachten, Blumen, Fahrräder

Doch das war längst noch nicht alles. Wie jeder weiß, wimmelt es in jedem Adventure Game nur so von falschen Fährten – und was soll ich sagen? Selbst daran hatte man gedacht: Die in solchen Situationen ja oft ganz hilfreiche Bahn-App empfahl nur jene alternativen Verbindungen, die wegen absolut unrealistischer Anschlüsse ganz sicher nicht nutzbar waren. So gelang es der Bahn, den Schwierigkeitslevel ihres Spiels für alle Reisenden noch einmal deutlich zu steigern. Bravo!

Am Ende habe ich es fast ein wenig bedauert, dass mir von der ausufernden Hinfahrt doch ziemlich viele niederländische Bahnhöfe in bester Erinnerung waren. Es hätte die ganze Sache sicher noch weiter auf die Spitze getrieben, die Rückfahrt praktisch blind austüfteln zu müssen. Aber Schwamm drüber! Selbst bei der Bahn kann ja nicht immer alles perfekt sein.

typisch Amsterdamer Dominoeffekt bei Sturm

Die Grachten

Wer an Amsterdam denkt, der mag wohl vor allem die wunderschönen Grachten vor Augen haben. Die prächtigsten unter ihnen, Heren-, Keizers- und Prinsengracht mit ihren typischen Häusern, zwar schmal, aber eben auch sehr stattlich und stilvoll, mit individuell gestalteten Giebeln in Treppen- oder Glockenform, sie lassen den früheren Wohlstand der Bürger dieser Stadt mehr als nur erahnen.

untypisch breites Grachtenhaus

Ich habe mir mit Ende November ganz bewusst eine Reisezeit ausgesucht, in der es selbst hier in Amsterdam einigermaßen ruhig zugeht. Wenn aber in der Saison wieder überall Gedränge herrscht, die Cafés und Restaurants überfüllt sind, die Hotelzimmer extrem teuer und an allen Sehenswürdigkeiten lange Touristenschlangen anstehen, dann werde ich mich lieber wieder in wesentlich ruhigeren Gefilden der Naturfotografie widmen.

Wer recht aufmerksam an den Grachten entlang bummelt, kann hier und da einen Blick in einen der versteckten Hinterhöfe erhaschen. Hierbei handelt es sich keineswegs um jene typischen tristen und ärmlichen Hinterhöfe des Industriezeitalters. Diese Hofjes sind vielmehr hübsch angelegte und liebevoll gepflegte kleine grüne Oasen der Ruhe inmitten des hektischen Trubels einer ansonsten so lebhaften und oftmals auch lauten Stadt.

Hofje

Besonders schön ist es, abends am Wasser entlang zu bummeln, gerade jetzt in der dunkleren Jahreszeit, wenn die großen Fenster so manchen neugierigen Blick in die oft edel eingerichteten und hell erleuchteten Wohnungen gestatten. Da wird man schon mal gerne vom harmlosen Flaneur zum begeisterten Voyeur – selbstverständlich bei aller gebotenen Zurückhaltung, versteht sich. Aber heißt es nicht immer, als Reisender solle man lebhaftes Interesse an der lokalen Kultur zeigen? Also riskiere ich den einen oder anderen neugierigen Blick.

Eine Stadt voller Leben

Geht man mit offenen Augen durch Amsterdam, dann kommt man gar nicht umhin zu bemerken, wie lebendig und jung diese Stadt sich anfühlt. Welch eine Vielfalt, welch eine Energie, welch eine Weltoffenheit! Sexuelle Orientierungen scheinen ebenso wenig eine Rolle zu spielen wie Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Natürlich weiß ich, dass die Niederlande in letzter Zeit in die andere, rückwärtsgewandte Richtung abzudriften drohen, aber hier in Amsterdam wirkt es zumindest so, als müssten wir die Hoffnung auf eine offene, bunte und tolerante Gesellschaft noch nicht aufgeben.

Gerne hätte ich all das auch in meinen Bildern eingefangen und gezeigt. Aber völlig zu Recht ist es nun einmal sehr heikel, Menschen ungefragt zu fotografieren, zumal dann, wenn man vorhat, die Bilder zu veröffentlichen. Deshalb beschränke ich mich hier auf eher symbolische Aufnahmen, die vielleicht dennoch etwas von diesem kunterbunten, ebenso lebens- wie liebenswerten Amsterdam widerspiegeln.

Neue Eindrücke an jeder Ecke

Wie immer, wenn ich in Amsterdam bin, ging es mir auch dieses Mal wieder so, dass die Zeit bei Weitem nicht reichte, dieser Stadt auch nur annähernd gerecht zu werden. Wie auch? Andererseits hat man hier bereits nach nur zwei oder drei Tagen dermaßen viel gesehen und erlebt, dass nicht nur die Speicherkarte der Kamera, sondern auch die eigene Festplatte im Kopf überzulaufen drohen.

Vornehme Passage? Schon, aber mit Leuchtern aus Fahrradteilen.
Scheepvaarthuis – Glasdach im Treppenhaus

Mir bleibt deshalb wohl auch gar nichts anderes übrig, als hier einfach nur eine wilde Mischung von Aufnahmen zu zeigen, die auf meinen Spaziergängen durch Amsterdam entstanden sind. Mein Vorschlag: Sucht am besten gar nicht erst nach einer Struktur, sondern lasst euch beim Betrachten der Bilder einfach selbst zumindest virtuell ganz ziellos durch die Gassen treiben. Vor Ort habe ich es ja ebenso gemacht.

Montelbaanstoren
De Waag am Nieuwmarkt
Oude Kerk

Ein ganz besonderer Ort unweit der wuseligen Fußgängerzone ist der Begijnhof. Hier lebten früher religiös orientierte, aber keinem Orden angehörende Frauen, die Beginen. Noch heute ist die Stille nicht nur hörbar, sondern förmlich mit den Händen zu greifen. Allerdings vermute ich, dass es in der touristischen Hauptsaison ganz anders aussieht. Jetzt im November, noch dazu bei Regen, kann ich die kontemplative Ruhe aber sehr wohl nachempfinden.

Begijnhof

Ein anderer Ort der Stille inmitten des Lärms der Großstadt hat so ganz und gar nichts Idyllisches an sich. Im Gegenteil, er wirkt ausgesprochen verstörend. Gerade deshalb war es mir so wichtig, das vom berühmten Architekten Daniel Libeskind entworfene Holocaust Namenmonument zu besuchen.

Auf seinen Mauern sind alle 102.220 Namen jener Menschen verewigt, die unter der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg aus den Niederlanden deportiert und ermordet worden sind. In seiner wohldurchdachten Schlichtheit lässt mich dieses Mahnmal vor dem unermesslichen Leid innerlich gefrieren. Unfassbar, dass es heute wieder ganz so aussieht, als hätten die Menschen, gerade auch viele in unserem Land, daraus nichts gelernt.

Holocaust Namenmonument

Ich zögere, hier überhaupt zu fotografieren, greife dann aber doch zur Kamera. Wohl noch nie habe ich mir so viele Gedanken darüber gemacht, ob und wie ich meinem Motiv gerecht werden könnte. Und dennoch verlasse ich diesen Ort am Ende mit dem Gefühl, es nicht geschafft zu haben.

Ein anderer Spaziergang führt mich in das frühere Armenviertel Joordan. Heute ist es hier wirklich hübsch, worauf man auch viel Wert zu legen scheint. Dazu kommt noch die sehr zentrale Lage mit ihren guten Einkaufsmöglichkeiten. Es dürfte vermutlich ebenso begehrt wie schwierig sein, hier eine Wohnung zu ergattern. Auch fotografisch erweist sich mein kleiner Streifzug durch das Viertel als ausgesprochen lohnend.

Die Gegend rund um den Bahnhof ist auch in Amsterdam, wie in den meisten Städten, bestenfalls so mittelschön. Aber am Abend, überdies mit all dem Weihnachtsschmuck, konnte ich auch dieser Ecke etwas abgewinnen. Der Regen machte das Fotografieren zwar ein wenig unangenehm, aber dafür verstärkte er die Lichter der Großstadt, was mir durchaus in den Kram passte.

Bahnhof Amsterdam Centraal

Das moderne Amsterdam

Auch in einer so touristischen Stadt wie Amsterdam könnte es sich möglicherweise als lohnend erweisen, einmal ein Stückchen abseits der wohlbekannten Pfade zu wandeln. Deshalb hatte ich mir für meinen Besuch vorgenommen, unbedingt auch das moderne Amsterdam ein wenig zu erkunden.

Bahnhof Nordseite: links das spektakuläre Eye Film Institute
Wohnkomplex The Whale

Mein Sohn, der an moderner Architektur noch weit mehr interessiert ist als ich, hatte mir die sogenannten Hafeninseln empfohlen. Sie tragen so hübsche Namen wie Java-eiland und Borneo-eiland. Ganz wie in der Altstadt, liegen auch hier die allermeisten Häuser direkt am Wasser. Und das ist noch nicht alles. Viele von ihnen erinnern in ihrer Bauweise, obwohl es sich um hochmoderne Gebäude handelt, sofort an die typischen Amsterdamer Grachtenhäuser aus den vergangenen Jahrhunderten. Jedes Haus hat seine ganz individuelle Note, aber alle zusammen ergeben dennoch ein sehr stimmiges Ensemble. Auch darin ähneln sie ihren Pendants am Grachtenring.

moderne Variante der Amsterdamer Grachtenhäuser
eines der allgegenwärtigen Lastenfahrräder, hier mit Regenbogen im Hintergrund
Python-Brücke

Amsterdam – alles, nur nicht langweilig

Wer mit offenen Augen durch Amsterdam bummelt, der wird auf allerlei recht kuriose Dinge stoßen. Manchmal drängt sich fast der Eindruck auf, diese Stadt beschäftige einen eigenen Regisseur, dem die Aufgabe zufiele, eventuell aufkommende Langeweile sofort mittels Fantasie und Gespür für das Schräge und Abartige im Keim zu ersticken.

Mit einem, wie ich finde, ganz besonders netten und wegen des unkonventionellen Fahrrads wohl auch für Amsterdam irgendwie typischen Beispiel möchte ich diesen Blogbeitrag nun beenden. Den süßen kleinen Meister der entspannten Tagträumerei musste ich mir einfach für den Schluss aufbewahren. Vielleicht zaubert er euch ja ein kleines Lächeln ins Gesicht. Es würde gut passen zu dieser freundlichen Stadt.

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