Heilige Kühe der Naturfotografie

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Es hat mich schon immer geärgert, wenn mir jemand einreden wollte, wie ich zu fotografieren habe. Das ist auch der Grund, warum ich mich so gut wie gar nicht in irgendwelchen Fotoforen herumtreibe. Leider scheint es dort von selbst ernannten „Experten“ zu wimmeln, die immer ganz genau wissen, welches die einzig richtige Art des Fotografierens ist. Und die wird dann ebenso streitlustig wie dogmatisch gegen jeden verteidigt, der es wagen sollte, etwas anderes zu behaupten.

Über die Gründe für dieses Verhalten will ich nicht spekulieren. Auffällig ist allerdings, dass ich unter diesen Gralshütern der vermeintlich reinen Fotolehre noch nie einen bekannten, wegen seiner Bilder hochgeschätzten Fotografen finden konnte. Vermutlich ist es auch kein Zufall, dass man von den selbst ernannten Kritikern nur höchst selten eines ihrer eigenen Fotos zu sehen bekommt. Vielleicht liegt ihr Talent ja gar nicht so sehr in der Fotografie als vielmehr im Herunterputzen anderer Fotografen.

Nichts könnte den heutigen Blogbeitrag über die heiligen Kühe der Naturfotografie wohl besser illustrieren, als ein paar hübsche Kuh-Fotos. Also habe ich in meinem Archiv gekramt und gekramt und dann noch einmal gekramt… Leider musste ich feststellen, dass ich bisher diesen freundlichen Tieren viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. So richtig gute Aufnahmen habe ich da gar nicht im Angebot. Bleibt mir nur zu hoffen, dass meine Models es schaffen, die fotografischen Schwächen vergessen zu lassen. Letztlich dienen die Bilder heute ja auch nur als Ku(h)lisse für den Text.

Wer andere niedermachen will, der braucht dafür einen erhöhten Standpunkt, der es ihm erlaubt, von oben herab zu agieren. Also baut er sich ein Podest aus angeblich unumstößlichen Fotografen-Wahrheiten. Der Vorteil solcher Dogmen, die ich gerne auch als die heiligen Kühe der Fotografie bezeichne, liegt auf der Hand: Ohne selbst auch nur einen Augenblick nachdenken zu müssen, hat man jederzeit ganz einfach anwendbare Unterscheidungsmerkmale zwischen richtiger und falscher Fotografie passend zur Hand. Und schon lässt sich jede Aufnahme daran messen und bereits die kleinste Abweichung ganz wunderbar kritisieren. Es ist so einfach wie Malen nach Zahlen: Kritisieren nach Dogmen. Herrlich!

Mir scheint, jedes Fotogenre hat seine eigenen Dogmen hervorgebracht. Beispiele gefällig? Bitte sehr:

  • Porträts stets mit offener Blende von mindestens 1.8 oder besser noch 1.4
  • Streetfotografie nur mit Weitwinkel und niemals vorher um Erlaubnis bitten
  • Mode immer an Models mit gefühlsentleerten, gelangweilten Gesichtern

Selbstverständlich stellt da die Naturfotografie keine Ausnahme dar. Auch hier haben es sich allerlei heilige Kühe sehr gemütlich gemacht. Schauen wir uns einige davon doch einmal etwas genauer an:

Die heilige Stativ-Kuh

Ernsthafte Natur- und insbesondere Landschaftsfotografie geht nur vom Stativ. Punkt. Aus der Hand macht man bestenfalls Schnappschüsse.

Wer so argumentiert, der hat vermutlich noch nichts von moderner Bildstabilisierung gehört oder davon, dass man heutzutage auch die ISO ruhig einmal ein wenig anheben kann, ohne gleich dem allseits gefürchteten Bildrauschen Tür und Tor zu öffnen. Also, liebe Stativ-Dogmatiker, entspannt euch. Es geht ganz gut auch mal ohne.

Um es klar zu sagen: Ich halte Stative für ausgesprochen nützlich und möchte meine gewiss nicht missen. Nicht umsonst habe ich neben meinem großen, stabilen Dreibein noch ein leichtes Reise- sowie ein sehr variabel einsetzbares Bohnensackstativ. Beim Fotografieren von Tieren unter Einsatz sehr langer Brennweiten sind Stative oft, wenn auch nicht immer, tatsächlich unverzichtbar.

In der Landschaftsfotografie ist die Sache nicht ganz so eindeutig. Langzeitaufnahmen machen ein Stativ in aller Regel zwingend erforderlich. Schwierige Bildkompositionen, insbesondere solche mit vielen störenden Elementen, werden durch seinen Einsatz oft zumindest erleichtert. Aber auch das wesentlich flexiblere Arbeiten ohne ein sperriges Dreibein hat seine unbestreitbaren Vorteile. Das gilt erst recht für Makroaufnahmen. Einige sind ohne Stativ schlicht nicht machbar, bei anderen hingegen wäre es nur im Weg. Dogmen helfen hier nicht weiter. Es ist viel sinnvoller, sich je nach der Situation vor Ort für oder gegen den Einsatz eines Stativs zu entscheiden.

Die heilige Schärfe-Kuh

Ein gutes Landschaftsfoto hat von vorne bis hinten scharf zu sein. Wer das nicht hinbekommt, der sollte erst noch einmal üben, bevor er seine Fotos herumzeigt.

Wenn ich so manchen Artikel über Landschaftsfotografie lese oder mir Videos zu dem Thema auf Youtube anschaue, dann könnte ich zu dem Schluss gelangen, dass im Grunde nur eines zählt, nämlich eine durchgängige Schärfe von vorne bis hinten. Oder anders formuliert: Egal, wie beeindruckend das Motiv ist oder wie malerisch das Licht die Landschaft ausleuchtet, wenn nicht jeder Quadratmillimeter im Foto das Attribut „knackscharf“ verdient, dann ist es automatisch unbrauchbar und damit reif für den virtuellen Papierkorb.

Welch ein Unfug! Ich kenne einige ganz großartige Landschaftsfotos, bei denen die Fotografen ganz bewusst Unschärfen als Stilmittel eingesetzt haben. Ein von vorne bis hinten scharfes Bild ist vermutlich immer der Weg mit dem geringsten Risiko. Da kann man nicht viel falsch machen, denn so entspricht es ja der reinen Lehre, so erwarten es die meisten Betrachter. Das heißt aber noch lange nicht, es gäbe keine guten Gründe, gelegentlich auch einmal von diesem Schema abzuweichen. Erwartungen zu erfüllen ist ganz sicher nicht die wichtigste Aufgabe der Kunst. Warum sollte es gerade in der Fotografie anders sein?

Übrigens: Nahe verwandt mit der Schärfe-Kuh ist die heilige Bildrauschen-Kuh. Sie sei hier nur am Rande erwähnt. Auch bei ihr geht es darum, die Qualität eines Fotos anhand seiner technischen Perfektion zu bewerten. Man braucht ein Foto nur in der 100-Prozent-Ansicht (notfalls auch gerne bei einer Vergrößerung von 200, 300 oder 400 Prozent) zu betrachten, und schon erkennt auch der Laie ohne jeden Zweifel, ob dieses Bild überhaupt etwas taugen kann. Sollten sich dabei nämlich auch nur die geringsten Spuren eines Bildrauschens entdecken lassen, dann darf man das Foto getrost als technisch minderwertig abtun. Eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt oder gar dem künstlerischen Wert der Aufnahme ist dann – welch ein Glück – gar nicht mehr notwendig.

Die heilige Bokeh-Kuh

Tiere fotografiert man stets formatfüllend und stellt sie dabei vor einem unscharfen Hintergrund frei.

So vehement sie eine maximale Schärfe in der Landschaftsfotografie auch einfordern, so wenig tolerieren unsere Foto-Fundis diese bei Tieraufnahmen. Die einzig wahre Lehre schreibt nämlich vor, dass Tier möge zwar absolut scharf abgebildet werden, aber bitte unbedingt vor einem komplett unscharfen Hintergrund. Der wiederum solle dann auch noch ein möglichst schönes Bokeh aufweisen. Dieses eigenartige Wort stammt aus dem Japanischen und meint so etwas wie „eine hohe visuelle Qualität des Unschärfebereichs“. Ja, ich war auch beeindruckt, als ich diese Definition gelesen habe.

Ich gebe zu, auch ich mag solche Art von Aufnahmen recht gern. Dennoch finde ich es manchmal einfach spannender, ein Tier in seiner Umgebung zu zeigen, und zwar so, dass man diese auch erkennen kann. Professionelle Tierfotografen haben das schon immer getan. Aber unsere selbst ernannten Kritiker wissen es selbstverständlich besser. Bei ihnen löst jede Abbildung eines Tieres, wenn dieses nicht vor unscharfem Hintergrund freigestellt wurde, einen spontanen Beißreflex aus. Offenbar gibt es neben den Pawlow’schen Hunden, die allerdings sabberten und nicht bissen, auch so etwas wie Pawlow’sche Kritiker.

Die heilige Kuh der manuellen Belichtung

Richtige Fotografen stellen die Belichtung manuell ein. Automatiken sind etwas für Laien.

Wofür steht das „P“ auf dem Modus-Wahlrad der Kamera? Na, wer weiß es? Natürlich, es steht für den Profi-Modus. Hahaha! Im erlauchten Kreis der Fotografie-Oberlehrer ein immer wieder gerne zum Besten gegebener Schenkelklopfer. Als Adepten der wahren und reinen Fotolehre wissen die natürlich, dass ein richtiger Fotograf nie etwas anderes als den manuellen Modus an seiner Kamera einstellen würde. Es könnte ja jemand sehen, und wie peinlich wäre das denn?

Wie gut, dass mir so schnell nichts peinlich ist. Zwar nutze ich die Programmautomatik „P“ tatsächlich nicht. Ich würde nämlich nur sehr ungern jegliche Kontrolle über meine Fotos aus der Hand geben und einfach alles der Kamera überlassen. Das heißt aber keinesfalls, dass ich mir die beachtlichen Vorteile der verschiedenen Automatiken moderner Kameras entgehen lassen würde. Warum auch? Mir reicht es meistens, wenn ich zwei der drei Stellschrauben für eine optimale Belichtung, also Blende, Belichtungszeit und ISO, selbst in der Hand habe. Welche beiden das sind, hängt von der jeweiligen Foto-Situation ab. Die dritte ergibt sich dann ja ohnehin von alleine. Warum sollte ich deren Einstellung also nicht meiner Kamera überlassen. Falls mir das Bild dann doch zu hell oder zu dunkel ist, reicht ja schon eine kleine Bewegung meines Daumens, um korrigierend einzugreifen.

Die heilige Right-in-Camera-Kuh

Wer wirklich fotografieren kann, dessen Bilder entstehen in der Kamera und nicht am Computer. Nachbearbeitung dient nur dazu, jene Fehler zu kaschieren, die man vor Ort gemacht hat.

Das ist auch wieder so eine unsinnige Parole. Sie begegnet uns meistens unter dem englischen Ausdruck „Right in Camera“. In aller Regel geht mit ihr die Verklärung einer Vergangenheit Hand in Hand, die es so kaum je gegeben hat. Schon zu analogen Zeiten hatte ja praktisch jeder engagierte Fotograf ein eigenes Labor, wo er seinen Bildern dann den letzten Schliff gab. Warum also sollte das jetzt auf einmal verwerflich sein, nur weil wir diese Aufgabe nicht mehr im Labor sondern mit Hilfe der digitalen Bildbearbeitung erledigen? Das gibt doch überhaupt keinen Sinn.

Im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert wurde unter Malern heftig diskutiert, ob ernsthafte Malerei draußen in der Natur oder vielleicht doch nur im Atelier betrieben werden könne. Ermöglicht wurde dieser Streit erst durch eine technische Neuerung, nämlich die Verfügbarkeit von malfertigen Farben in Tuben. Vorher hatte man die Farben vor dem Malen noch anrühren müssen, so dass an ein Arbeiten in der freien Natur gar nicht zu denken war. Heute sind es eben die Bildbearbeitungsprogramme, die uns Naturfotografen neue Möglichkeiten eröffnen. Und wieder treten die Hüter der Vergangenheit auf und beeilen sich, auch diese Modernisierung zu verteufeln.

Warum sollte es denn nicht dem einzelnen Fotografen überlassen bleiben, welche Arbeitsweise er bevorzugt? Nehmen wir doch einmal als Beispiel das sicher jedem Naturfotografen bekannte Problem, einen extrem hohen Kontrastumfang bewältigen zu müssen. Der eine wird nun vor Ort mit Grauverlaufsfiltern hantieren, während sich ein anderer dafür lieber des digitalen Pendants seiner Bildbearbeitungs-Software bedient. Der nächste Fotograf macht stattdessen vielleicht mehrere unterschiedlich belichtete Fotos und erstellt daraus ein HDR-Bild. Alle drei Methoden haben ihre eigenen Vor- und Nachteile, alle können ausgezeichnete Ergebnisse liefern, und bei allen kann man auch viel falsch machen. Am Ende sollte doch wohl ausschließlich das fertige Bild entscheiden. Was denn sonst?

Die heilige Raw-Kuh

Knipsen kann man in JPEG, Fotografieren muss man in Raw.

Logik geht anders. Oder was soll ich sonst dazu sagen, dass nun eine heilige Kuh auf die Weide tritt, die der vorherigen praktisch komplett entgegensteht? Hieß es eben noch, ein Foto habe gefälligst ohne weitere Nachbearbeitung direkt in der Kamera zu entstehen, so wird jetzt plötzlich vehement dafür plädiert, unbedingt im Raw-Format zu fotografieren. Ja was denn nun? Die Aufzeichnung der Bilddaten im Raw-Format hat doch gerade eben den Sinn, in der nachträglichen Bildbearbeitung am Rechner mehr kreative Möglichkeiten zu eröffnen.

Ich selbst fotografiere nahezu ausschließlich in Raw. Aber ich bin ja auch kein rigider Verfechter der Meinung, Nachbearbeitung sei des Teufels. Dennoch würde ich niemals jemanden als Knipser abtun, nur weil er seine Fotos lieber im JPEG-Format speichert. Das wäre absurd. Ich persönlich finde JPEGs umständlicher. Um zu guten Bilder zu gelangen, muss man dabei einfach noch mehr Dinge beim Fotografieren bedenken: Weißabgleich, allerlei Feineinstellungen, manchmal auch noch die Wahl des richtigen Grauverlaufsfilters… Da kommt ganz schön was zusammen; und dann unterlaufen mir Fehler, wie mich die Erfahrung gelehrt hat. Also nehme ich es lieber in Kauf, später ein wenig mehr Zeit in die Nachbearbeitung zu investieren.

Letztlich muss jeder selbst herausfinden, welche Vorgehensweise ihm lieber ist. Eine vorschnelle Einteilung in Knipser und Fotografen spricht nur für das eigene Unwissen. Über die Qualität der Bilder sagt die Wahl des Speicherformats nämlich absolut gar nichts aus.

Die heilige Vollformat-Kuh

Professionell kann man nur mit Sensoren vom Vollformat an aufwärts fotografieren. Alles andere ist Spielzeug für Amateure.

Einspruch, Euer Ehren! Wirklich professionell wäre es, jeweils genau jene Kamera zu nutzen, die für die anstehende Aufgabe am geeignetsten ist. Darum haben Profis oft mehrere Kameras, und genau deshalb gibt es gewerbliche Kameraverleiher.

Wer hingegen, aus welchen Gründen auch immer, mit nur einer Kamera auskommen möchte oder muss, der sollte sich tunlichst jene Kamera aussuchen, die zu ihm, seinem Hobby oder seinen fotografischen Aufgaben am besten passt. Zugegeben, eine Vollformatkamera ist da nicht selten der beste Kompromiss. Aber eben längst nicht immer. So hat meine Fotografie ganz eindeutig vom Umstieg auf das deutlich kleinere MFT-Format profitiert, weil ich mit dem nun wesentlich kleineren und vor allem leichteren Equipment viel mobiler bin als früher. Außerdem überwiegen in meiner Art der Fotografie die Vorteile der höheren Schärfentiefe den Nachteil eines geringeren Freistellungspotenzials. Das mag bei anderen Fotografen aber gerade umgekehrt sein. Auch hier gilt also: Wichtige Entscheidungen trifft man besser nicht auf der Basis von dogmatischen Vorurteilen.

Die heilige Goldene-Stunde-Kuh

Ernsthafte Landschaftsfotografen stehen weit vor dem Morgengrauen auf, sehen zu, dass sie mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang an der geplanten Fotolocation ankommen und fotografieren dann im herrlichsten goldenen Licht der aufgehenden Sonne.

Da ist eine Menge Wahres dran, das gebe ich unumwunden zu. Unwahr ist jedoch die häufig verbreitete Meinung, man könne praktisch nur in der sogenannten goldenen Stunde kurz nach dem Sonnenaufgang gute Fotos machen. Erstens gibt es am Abend noch einmal ein ganz ähnliches goldenes Licht, und zweitens sind ohne Frage zu jeder Tageszeit (und sogar nachts) ordentliche, ja sogar ausgezeichnete Bilder möglich.

Ich will aber dennoch gerne eingestehen, dass ich die goldene Stunde hier zwar zu den heiligen Kühen der Naturfotografie zähle, mir dabei aber doch etwas weniger sicher bin als im Fall der anderen bisher genannten Kühe. Zumindest kann und will ich nicht bestreiten, dass der frühe Morgen völlig zu Recht als die wohl beste Tageszeit für uns Naturfotografen angesehen wird: Die Luft ist klar, meistens herrscht Windstille, Insekten verharren noch regungslos an ihren Schlafplätzen, die Vögel singen ihr Lied, überhaupt sind viele Tiere recht aktiv, und mit etwas Glück sorgen Tautropfen oder Bodennebel für das gewisse Etwas in unseren Fotos. Wie schade, dass ich so gar kein begeisterter Frühaufsteher bin.

Die heilige Bildstil-Kuh

Jeder Fotograf braucht einen eigenen, unverwechselbaren Bildstil.

Diese merkwürdigste unter allen heiligen Kühen der Naturfotografie (es gibt sie aber wohl in jedem Fotogenre) habe ich mir für den Schluss aufgehoben: Im Grunde ist die Forderung nach einem unverwechselbaren Bildstil ja gar nicht so verkehrt. Dürer hatte ihn, Rembrandt hatte ihn, Picasso hatte ihn (nun ja, er hatte über die Zeit wohl gleich mehrere). Mein Onkel Willy hingegen, der auch recht gerne malte, hatte ihn eher nicht, es sei denn, man würde es als Stil durchgehen lassen, dass man seine Rinder kaum von Schafen unterscheiden konnte.

Große Künstler entwickeln tatsächlich oft ihren eigenen Stil, an denen man ihre Werke selbst dann erkennen kann, wenn kein Namensschildchen daneben hängt. Was aber, wenn wir, genau wie mein Onkel Willy und leider auch ich, keine ganz so großen Künstler sind? Was, wenn sich unser persönlicher Bildstil partout nicht zeigen will, oder zumindest noch nicht? Richtig, dann kaufen wir uns ein hübsches Lightroom-Preset (geht auch in anderen Programmen) und legen den frisch erworbenen Look schwuppdiwupp über alle unsere Fotos. Fertig ist er, unser ganz individueller Bildstil – frisch von der Stange.

Ich will damit ganz gewiss nichts gegen jene wenigen Fotografinnen und Fotografen sagen, deren Bilder man wirklich auf den ersten Blick als ihre Werke erkennt. Sie, aber eben nur sie, haben offenbar tatsächlich ihren eigenen Bildstil entwickelt. Der dürfte dann aber das Ergebnis eines längeren und vor allem sehr intensiven künstlerischen Schaffensprozesses sein und kein für ein paar Euro erworbener Fertig-Look.

Heilige Kühe verderben den Spaß

Nein, auch wenn hier ein anderer Eindruck entstanden sein sollte: Ich habe ganz und gar nichts gegen die oben aufgeführten Kühe. Nur als heilig sollten wir sie lieber nicht betrachten. Es ist ja immer auch ein Körnchen, manchmal sogar ein ganz ordentliches Korn Wahrheit enthalten. Wer würde das bestreiten? Aber es handelt sich dabei eben niemals um absolute Wahrheiten. Das alles sind keine Dogmen, und es ergibt deshalb auch überhaupt keinen Sinn, sie unter allen Umständen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Wer das tut, beweist damit letztlich nur die Begrenztheit seines eigenen fotografischen Sachverstands.

Für die meisten von uns ist die Naturfotografie doch einfach nur ein wunderbares Hobby, das uns Freude machen soll. Heilige Kühe und Dogmatismus helfen da ganz sicher nicht weiter – Neugier, heitere Gelassenheit und die Bereitschaft, auch einmal weniger ausgetretene Wege zu gehen, hingegen schon.

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