Als Naturfotograf ist man natürlich immer auf der Suche nach einer guten Fotogelegenheiten in der näheren Umgebung des eigenen Zuhauses. Ich hatte mir deshalb schon länger vorgenommen, einmal den Dümmersee und das angrenzende Ochsenmoor etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Beide liegen in der Diepholzer Moorniederung, der bedeutendsten Moorlandschaft Deutschlands, ca. 40 km nordöstlich von Osnabrück. Im Herbst war ich schon mehrmals in der Gegend, um Kraniche zu fotografieren. Zehntausende dieser eleganten Vögel legen dann dort eine mehrwöchige Zwischenrast auf dem Zug in ihre Winterquartiere ein. Falls ihr Lust auf Kranichbilder habt: einfach hier klicken.
Obwohl der Dümmer nur etwa eine Autostunde von meinem Wohnort entfernt liegt, hatte ich mich entschlossen, mir dort für einige Tage ein Quartier zu suchen. Ich wollte einfach zeitlich möglichst flexibel sein, und das, ich gebe meine Hintergedanken ja zu, ohne unanständig früh aufstehen zu müssen. Darüber hinaus ist es im Hinblick auf die Klimaerwärmung natürlich einfach sinnvoll, möglichst wenig unnötig durch die Gegend zu fahren. Außerdem kommt momentan hinzu, dass ich Putins fürchterlichen Krieg nicht durch unnötigen Kraftstoffverbrauch auch noch mitfinanzieren möchte.
Mein Plan sah so aus: An den Wochentagen wollte ich meine fotografischen Aktivitäten auf den Dümmer, vor allem aber auf das im Süden direkt angrenzende Ochsenmoor konzentrieren, von dem ich wusste, dass es sich ganz besonders – wenn auch nicht ausschließlich – für die Vogelfotografie anbietet. Da am Wochenende rund um den See stets mit recht vielen Besuchern zu rechnen ist, hatte ich mir vorgenommen, diesem Andrang auszuweichen und stattdessen Fotoausflüge in das Goldenstedter und das Neustädter Moor zu machen. Beide gehören, so hatte ich gelesen, zu den attraktivsten in der an Mooren wahrlich nicht armen Gegend.
Der Dümmer
Der Dümmer ist nach dem Steinhuder Meer der zweitgrößte See Niedersachsens. Sehr beliebt bei Touristen ist es, ihn mit dem Fahrrad zu umrunden, was sich genussvoll im Rahmen einer sehr(!) gemütlichen Tagestour mit allerlei Gelegenheiten zur Einkehr bewältigen lässt. Ich spreche da aus Erfahrung. Allerdings kann es dort an sonnigen Wochenenden deshalb auch gelegentlich ganz schön voll werden.
Der See ist mit einer maximalen Tiefe von gerade einmal 1,40 m sehr flach. Große Schilfbestände an den Ufern bieten vielen Vogelarten ein Zuhause, was den Dümmer zumindest zu einem lokalen Hotspot der Vogelbeobachtung gemacht hat. Bei vielen Naturfotografen noch beliebter ist das im Süden angrenzende Ochsenmoor. Dort habe ich in den vergangenen Tagen auch sämtliche Vogelaufnahmen dieses Blogartikels gemacht.
Das Ochsenmoor
Grob gesagt unterteilt sich das Ochsenmoor in weitläufige, zumindest jetzt im Frühjahr zum großen Teil wasserbedeckte Feuchtwiesen und einen kleinen, aber fotografisch äußerst reizvollen Erlenbruchwald. Offenbar sind die meisten Fotografen, von denen viele durchaus lange Anfahrten in Kauf nehmen, ausschließlich an der Vogelfotografie interessiert. Ich habe jedenfalls während meiner Tage dort keinen einzigen von ihnen im Wald gesehen. Nun, mir sollte es recht sein. Umso besser konnte ich dort die ganz besondere, beinahe schon etwas düstere Stimmung einzufangen versuchen.
Vogelfotografie in den Feuchtwiesen
Selbstverständlich dürfen die Feuchtwiesen nicht betreten werden. In der Brut- und Rastzeit der Vögel sind auch die meisten Wege, die durch sie hindurchführen, gesperrt. Das ist zum Schutz der Vögel natürlich absolut sinnvoll. Aber letztlich profitiert man selbst als Fotograf davon. Das mag sich eigenartig anhören, denn gesperrte Wege bedeuten ja erst einmal, dass man an viele der Tiere nicht herankommt.
Aber gerade dadurch machen die Vögel die Erfahrung, dass von den Menschen keine Gefahr für sie ausgeht. Niemand scheucht sie auf; niemand tut ihnen etwas; niemand beunruhigt sie. Dies führt bei den Tieren zu einer gewissen Gelassenheit gegenüber uns Menschen. Ihre Fluchtdistanz verringert sich ganz erheblich, und damit steigen im gleichen Maß die Chancen auf brauchbare Fotos von unseren gefiederten Models.
Wie aber soll uns das nutzen, wenn wir doch die Wiesen und die sie durchziehenden Wege nicht betreten dürfen? Nun, eine Ausnahme gibt es eben doch: Eine einzige schmale Einbahnstraße ist für Fußgänger, Radfahrer und sogar Autos freigegeben. Und da die Vögel ihre Scheu vor den Menschen hier weitgehend verloren haben, bieten sich uns links und rechts dieser Straße nahezu immer ausgezeichnete Fotogelegenheiten. Unsere gefiederten Freunde haben längst begriffen, dass sie sich bei Bedarf jederzeit zurückziehen können, wir aber die Straße nicht verlassen dürfen. Offenbar können beide Seiten, die Vögel ebenso wie die Fotografen, mit dieser Lösung sehr gut leben.
Übrigens: Allgegenwärtig im Ochsenmoor sind die Graugänse. Auch Störche gibt es rund um den Dümmer reichlich. Ich habe hier aber ganz bewusst auf Fotos dieser beiden Arten verzichtet, weil sich davon ja schon recht viele in einigen der älteren Blogartikel finden. Deshalb wollte ich euch heute unbedingt einmal beweisen, dass ich, wenn es darauf ankommt, auch kleinere und wuseligere Vögel ablichten kann. Nicht, dass ihr glaubt, alles Federvieh unter anderthalb Metern Spannweite sei mir technisch zu anspruchsvoll.
Der Erlenbruchwald – eine verwunschene Wasserwelt
Unmittelbar an der oben beschriebenen Straße liegt, praktischerweise direkt beim einzigen Parkplatz, ein kleiner Erlenbruchwald. Jetzt im März standen dort, wie es sich für einen Bruchwald gehört, die Bäume mit ihren Füßen (man verzeihe mir bitte diese Vermenschlichung) im Wasser. Das gibt dem Ganzen etwas Undurchdringliches und Geheimnisvolles. Es hat mir viel Freude bereitet, den Versuch zu unternehmen, diese etwas düstere, aber auch märchenhafte Stimmung in Bildern festzuhalten.
See, Bruchwald, Feuchtwiesen – das alles lässt sich von besagtem Parkplatz mit nur wenigen Schritten erreichen. Auch wenn Deutschland ein sehr stark bebautes und zubetoniertes Land ist, auch wenn die Natur mit ihrer Vielfalt hier in hohem Maße gefährdet ist: Noch gibt es viele Flecken wie diesen – herrliche Schatztruhen der Natur. Wir sollten sie hegen und pflegen. Wie traurig wäre das Leben unserer Kinder und Enkelkinder, wenn sie so etwas nicht mehr erleben könnten. Keine grafisch noch so ansprechend gestaltete virtuelle Welt, kein Metaversum eines Mark Zuckerberg wird dies jemals ersetzen können.
Ein Tag im Neustädter Moor
Ich hatte es ja oben schon erwähnt: Um dem vermuteten starken Besucherandrang rund um den Dümmer am Wochenende zu entkommen, hatte ich mir für die beiden Wochenendtage jeweils eine Fototour durch eines der vielen Moore der Diepholzer Niederung vorgenommen. Am Samstag ging es erst einmal ins Neustädter Moor.
Ich wollte zwar eine recht große Runde durch das Neustädter Moor gehen, hoffte aber speziell auf den Moorlehrpfad, einen Holzbohlenweg, der mit allerlei Infotafeln bestückt wurde. Leider war am Anfang dieses Weges ein Schild mit dem Hinweis angebracht, dass der Lehrpfad aus Sicherheitsgründen jetzt im März noch nicht begangen werden darf. Auf wundersame Weise vergaß ich aber genau in dem Moment, als ich das Schild las, ganz spontan das aktuelle Datum. Solchermaßen von jeglichen Bedenken befreit, machte ich mich fröhlich auf die Runde.
Ausflug zum Goldenstedter Moor
Völlig anders verlief dann am Sonntag mein Fotoausflug zum Goldenstedter Moor. Mein erster Eindruck war … nun ja … ziemlich desillusionierend. Ich hatte, wie es empfohlen wird, am NIZ geparkt, dem Naturschutz- und Informationszentrum „Das Haus im Moor“. Schon der erste Blick offenbarte eine rappelvolle Außengastronomie und reges Treiben auf dem direkt anschließenden, vielleicht lehrreichen, aber wenig ansprechenden Moorlehrpfad. Aber halt, so ganz stimmt das gar nicht: Der allererste Blick fiel nämlich auf eine beeindruckend große Industrieanlage, von der zu allem Überfluss auch noch ein sehr aufdringliches Dröhnen ausging, das, wie sich sehr bald herausstellen sollte, im Umkreis von mehreren Hundert Metern zu hören war.
Da ich nun schon einmal da war, wollte ich trotz dieses wenig einladenden ersten Eindrucks dem Goldenstedter Moor doch auf jeden Fall eine zweite Chance geben. Also kletterte ich auf den kleinen Turm am Lehrpfad, um mir ein wenig Überblick zu verschaffen. Anschließend war mir dann zumindest klar, dass es weiter hinten und damit zum Glück auch weiter vom Industrielärm entfernt noch eine ganze Menge Moor zu entdecken gäbe. Also zog ich los.
Was soll ich sagen? Ich fand mich zu meiner nicht geringen Überraschung schon nach kurzer Zeit in einer herrlich bizarren Landschaft wieder. Nach all den vielen Jahren des mühevollen, aber eben auch extrem klimaschädlichen Torfabbaus, die leider auch in Deutschland noch immer nicht vorüber sind, begann man hier vor einiger Zeit mit der Wiedervernässung. In der Folge kam es zu einem großflächigen Absterben der seit dem Ende der Abtorfung dort gewachsenen Bäume. Ihre toten Stämme und Äste ragen jetzt wie Skelette überall aus dem Wasser. Ein ungewöhnlich attraktiver Anblick, der zudem ein wenig Hoffnung für die Zukunft gibt.
Natürlich ist es stark übertrieben, wenn von einem Neuaufbau der Moore durch die Wiedervernässung gesprochen wird. Selbst dort, wo erneut Torfmoose zu wachsen beginnen, entsteht durch deren Absterben und Absinken pro Jahr nicht mehr als ein Millimeter Torf. Es dürfte also ziemlich genau tausend Jahre dauern, bis auch nur ein einziger Meter einer neuen Torfschicht entstanden sein wird.
Und dennoch: Durch die Wiedervernässung entwickelt sich nach und nach ein neuer Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere, ein menschengemachtes, aber deshalb nicht weniger wertvolles Stück Natur. Ironischerweise sind die absterbenden Bäume in diesem Zusammenhang ein gutes Zeichen: Könnten sie hier wachsen und gedeihen, würden sie nämlich dem Boden das Wasser entziehen; und ohne Wasser kein Moor.
Fazit
Es hat mich selbst überrascht, als wie unterschiedlich sich diese drei Moore erwiesen haben. Innerhalb weniger Tage habe ich im Ochsenmoor jede Menge Vögel vor die Linse bekommen, im Neustädter Moor eine kleine Wanderung in der wunderschönen Natur gemacht und schließlich im Goldenstedter Moor erlebt, wie erstaunlich fotogen eine wiedervernässte Moorlandschaft sein kann. Selbst der märchenhafte kleine Erlenbruchwald im Ochsenmoor hat alle meine Erwartungen übertroffen. Und auch wenn er in diesem Blogbeitrag nur eine Nebenrolle gespielt hat, ist der Dümmer schon für sich genommen ein absolut lohnendes Ziel. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Tage in der Diepholzer Moorniederung waren aus mehr als nur einem guten Grund so recht nach meinem Geschmack.