Einfach mal ein paar Tage nichts als frische Nordseeluft, am schier endlosen Strand nach Muscheln suchen oder den emsigen Sanderlingen zuschauen, Ostfriesentee mit Kluntjes und Sahne, dazu vielleicht eine dicke Scheibe Rosinenstuten mit Butter – das ist Juist. Völlig unspektakulär, aber wunderschön. Schon wenige Minuten nach dem Anlegen der Fähre fällt man ganz unversehens in diesen angenehm verlangsamten Rhythmus. Wahrscheinlich liegt das an den kräftigen Kaltblütern, die auf dieser Insel das Tempo vorgeben. Keine Autos, nur das gemächliche Klappern der Hufe. Das hat etwas Meditatives. Und siehe da: Man hat noch nicht einmal den halben Weg zu seinem Quartier per Pferdekutsche oder Bollerwagen hinter sich gebracht, und schon setzt die magische Wirkung dieser speziellen Juister Entschleunigung ein.
Der gemächliche Rhythmus kommt auch meiner Fotografie zugute. Hier suche ich gar nicht erst nach dem Hotspot, den ich unbedingt im Bild festhalten müsste. Wer auf Juist fotografieren will, der sollte erst einmal in Ruhe durchatmen, vielleicht barfuß oder in Gummistiefeln ein wenig durchs Watt stapfen, seine Sinne öffnen für die kleinen Dinge. Zu meinem ersten Strandspaziergang nehme ich keine Kamera mit. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Nur Ebbe und Flut werden dann die Taktgeber meiner Fotografie sein. Und natürlich der obligatorische Ostfriesentee am Nachmittag. Soviel Zugeständnis an die regionalen Gebräuche darf schon sein.
Auch wenn Juist durchaus das eine oder andere malerische Friesenhaus und im Hauptort sogar einen Hauch städtischen Flairs zu bieten hat, soll es in diesem Blogbeitrag ausschließlich um die Natur, insbesondere die Naturfotografie auf Juist gehen. Alles eher unspektakulär, aber ich liebe es. Wahrscheinlich sogar mehr, als es die Bilder erkennen lassen. Aber seht selbst.
entspannende Naturfotografie am Juister Strand
Andere liegen im Sommer am Strand, um sich zu bräunen. Ich bevorzuge die touristisch eher ruhigen Zeiten, liege dann aber ebenfalls nicht selten am Strand. Allerdings geht es mir dabei nicht um meine Urlaubsbräune sondern um das liebe Federvieh. Flach auf dem Bauch liegend bin ich mit den Vögeln am Spülsaum auf Augenhöhe – meist die beste Perspektive in der Tierfotografie.
Rund um den Hammersee
Bei einer Sturmflut entstand 1932 der Hammersee, als das Wasser den gerade erst errichteten Deich auf der Nordseite des heutigen Sees durchbrach und dann nicht mehr abfloss. Der Weg um den See herum ist landschaftlich sehr hübsch und eröffnet immer wieder Blicke auf seine gefiederten Bewohner.
Blick in die Salzmarsch
Juist ist eine in West-Ost-Ausrichtung recht langgestreckte, aber dafür sehr schmale Insel, die dem ostfriesischen Festland vorgelagert ist. Zum offenen Meer im Norden findet sich der Strand, den wir oben schon gesehen haben. Ganz im Osten (Kalfamer) und Westen (Bill) sind jeweils große menschenleere Sandbänke, die in der Zugzeit tausenden Vögeln einen Rastplatz bieten. Auf der Südseite zum Festland trifft man vor allem die periodisch überfluteten Salzmarschen an. Gänse halten sich in diesen Wiesen besonders gerne auf.
Sonnenaufgang über Juist – ein Traum für Naturfotografen
Kehren wir zurück zur Meerseite. Dieses Mal möchte ich das erste Licht des Tages für meine Aufnahmen nutzen. Es ist einfach immer wieder faszinierend, diese ganz besondere Stimmung am frühen Morgen zum Sonnenaufgang zu erleben. Zugegeben, ein begeisterter Frühaufsteher bin ich wahrlich nicht. Dabei gilt das ja als eine der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiche Naturfotografie. Aber an einem Morgen wie diesem fällt es selbst mir nicht schwer, aus den Federn zu kommen.
beste Zeit für Naturfotografie auf Juist
Am besten informiert man sich über die Seite der Juister Touristeninformation, wann der „Winterschlaf“ auf der Insel beendet ist. Die Zeitspanne zwischen diesem Termin und den Osterferien ist für Naturfotografen ideal. Die Restaurants und Teestuben haben schon geöffnet, aber der Trubel des Sommers ist noch nicht eingekehrt. Die Menschen sind entspannt; die Tiere betrachten die Insel und vor allem den Strand noch als ihr Revier. Da schlummert dann auch schon einmal ein Seehund ganz gemütlich in der Sonne und sieht nur kurz auf, um zu prüfen, ob der Fotograf auch einen angemessenen Abstand einhält.
Keine Sorge, mein Freund, ich bin Naturfotograf. Und einem Naturfotografen, der sein Hobby von ganzem Herzen betreibt, wird die Natur immer wichtiger sein als das Foto. Leg dich also ruhig wieder gemütlich hin und döse in der Frühlingssonne. Ich störe dich gewiss nicht.
Zweifellos gibt es spannendere Orte für Landschafts- oder Tierfotografen als die ostfriesische Insel Juist. Das gebe ich gerne zu. Aber man wird nicht leicht einen entspannenderen Ort finden, um dieses Hobby auszuüben – im langsamen Rhythmus der Gezeiten. Wer hierher kommt, sollte besser keine Fotos im Kopf haben, die er unbedingt machen will. Abhaklisten dieser Art lässt man am besten gleich zu Hause. So wird das nichts. Besser tritt man dem weiten Horizont hier am Meer mit ebenso weit geöffneten Sinnen entgegen, offen für das, was einem Watt und Insel zu bieten haben. Ganz so, wie es die Sanderlinge machen, aber bitte ohne ihre Hektik.
Welches ist eure Lieblingsinsel, wenn ihr eure Seele mal so richtig baumeln lassen wollt? Oder gehört für euch Action einfach immer mit dazu? Über den einen oder anderen Insel-Tipp in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen.