Man wird ja nicht jünger. Diese zwar nicht neue, aber dennoch reichlich unerfreuliche Erkenntnis drängte sich mir immer wieder besonders dann auf, wenn ich meine Fotoausrüstung für eine Wanderung zusammenstellte. Der Fotograf in mir wollte gerne noch dieses oder jenes Objektiv einpacken, um für alle Fälle gerüstet zu sein. Der Wanderer hingegen wehrte sich dagegen mit Händen und Füßen, weil er wusste, wie sehr ihn der schwere Fotorucksack belasten, wie gründlich er ihm die Wanderung verleiden würde.
Als ich vor einigen Jahren mein früheres, aber lange nicht mehr ausgeübtes Hobby Naturfotografie wieder aufnahm, entschied ich mich, mit einer Nikon-DSLR zu starten. Der Grund dafür war weniger die Kamera als vielmehr die Verfügbarkeit eines 4.0/200-400 mm Zoomobjektivs. Für Canon gab es das zu der Zeit noch nicht. Mir schien es aber das ideale Objektiv für die Tierfotografie zu sein. Schnell hatte ich mich an die Bedienung meiner Nikon gewöhnt, und so griff ich auch bei meiner nächsten Kamera wieder zu einer Nikon. Zuletzt hatte ich bis vor etwa zwei Jahren die Nikon D750. Zusammen mit den für meine Art der Naturfotografie brauchbarsten Objektiven (2.8/24-70 mm, 2.8/70-200 mm, 4.0/200-400 mm, 2.8/105 mm Micro, 4.0/300 mm PF, dazu noch ein 1.7-fach Telekonverter) war das in meinen Augen eine exzellente Ausrüstung. Fotografisch blieben da für mich kaum Wünsche offen. Lediglich mit einem Ultraweitwinkel hatte ich noch ein wenig geliebäugelt.
Aber, wie gesagt, man wird eben nicht jünger. Immer öfter ertappte ich mich dabei, dass ich mein schweres 200-400 mm Zoom zu Hause ließ. Stattdessen nahm ich dann die wesentlich leichtere 300 mm Festbrennweite mit. Dieses innovative Tele hatte ich mir sofort gekauft, als Nikon es auf den Markt brachte. Es ist ohne Zweifel eine tolle Linse, dabei relativ klein und leicht. Aber natürlich bietet es nicht die Flexibilität und weniger Tele als das 200-400 mm. Auf den Kauf eines Ultraweitwinkels verzichtete ich ganz. Das klobige Teil wollte ich wahrlich nicht auch noch schleppen.
Bei gelegentlichen Flugreisen fiel es mir von Mal zu Mal schwerer, jenes Maß an Charme zu entwickeln, das notwendig war, damit man beim Check-in angesichts des heftigen Übergewichts meines Handgepäcks ein Auge zudrückte. Ob dafür die immer strengeren Gepäckvorgaben der Fluglinien oder mein mit den Jahren nachlassender Charme verantwortlich waren, das will ich lieber gar nicht so genau wissen.
Mit meiner Olympus kam die Freude an der Naturfotografie zurück
So allmählich begann ich jedenfalls, einen Systemwechsel ins Auge zu fassen. Versprachen nicht die Hersteller spiegelloser Kameras eine deutliche Gewichtseinsparung? Nun, im Vollformatbereich (in den ich mit meiner D750 ja „aufgestiegen“ war), gab es da im Prinzip neben Leica (weder preislich noch von der Handhabung meine Welt) nur noch Sony. Mit einer Sony hätte ich mich, so mein erster Eindruck, wohl anfreunden können. Welche Enttäuschung aber bei näherer Betrachtung: Kamera tatsächlich etwas leichter, Objektive aber praktisch ebenso schwer. Nach einer spürbaren Gewichtsersparnis sah das leider ganz und gar nicht aus.
Mir wurde aber immer klarer, dass mein Equipment unbedingt spürbar leichter werden musste, wenn ich die Freude an der Fotografie behalten wollte. Außerdem hatte ich auch in einem anderen Punkt Blut geleckt: Die Möglichkeit, bei einer spiegellosen Kamera das Histogramm und den Einfluss der Kameraeinstellungen direkt im Sucher zu sehen, fand ich bestechend. Auch Fokuspunkte fast bis an den Rand des Bildes schienen mir sehr verlockend. In der Tierfotografie kommt die Möglichkeit, absolut lautlos auszulösen, auch nicht gerade ungelegen.
Genauere Recherche führte mich dann letztlich zur Olympus OM-D E-M1 Mark II. Wer denkt sich eigentlich solche Namen aus? Beschäftigen die bei Olympus dafür extra einen geheimdienstlich ausgebildeten Chiffrierexperten? Jedenfalls hat diese Kamera mit dem kryptischen Namen, wie grundsätzlich alle aktuellen Olympus-Kameras, einen Bildsensor im Format Micro Four Thirds (MFT). Der kleinere Sensor und der Wegfall des Spiegels ermöglichen eine deutlich kompaktere und leichtere Bauweise der Kamera, vor allem aber der Objektive.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Die Kamera passt hervorragend in meine eher kleinen Hände, und sie hat alles, was ich brauche (und vieles, was ich wohl nie brauchen werde). Die Bedienung ist nur am Anfang etwas verwirrend, fühlt sich jetzt aber an, wie für mich gemacht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie tatsächlich für mich gemacht wurde. Glaubt ihr nicht? Stimmt aber. Man kann bei dieser Kamera nämlich höchstselbst nahezu jeden Knopf und Schalter mit allen erdenklichen Funktionen belegen. Das hat zwar erst einmal etwas Mühe gekostet, aber dafür passt mir meine Olympus jetzt wie ein Maßanzug.
Die Kamera und alle meine MFT-Objektive (2.8/7-14 mm, 2.8/12-40 mm, 2.8/40-150 mm, 2.8/60 mm Macro, 4.0/300 mm, 1.4x Telekonverter) plus allerlei Kleinkram kann ich mühelos in einem Fotorucksack von Handgepäckmaß verstauen – und der bleibt dann auch noch unterhalb des maximal erlaubten Gewichts. Das bedeutet, ich habe nicht das geringste Problem mehr, meine komplette Ausrüstung auf Flugreisen mitzunehmen. Allerdings habe ich inzwischen sehr starke Zweifel, ob es wirklich zu rechtfertigen ist, für ein Hobby die negativen Auswirkungen des Flugverkehrs auf die Erderwärmung in Kauf zu nehmen. Aber das ist ein anderes Thema.
Umweltfreundliche Fahrradtouren sind mit diesem Fotoequipment jedenfalls ziemlich problemlos möglich. Und beim Wandern schwebe ich förmlich dahin. Nun ja, zumindest fühlt es sich im Vergleich zu früher so an. Vor Ort habe ich dann – auf Vollformat umgerechnet bei einem Cropfaktor von 2 – eine durchgängige Brennweite von 14 bis 300 mm als Zoom (mit Telekonverter bis 420 mm), ein 120 mm Macro und ein 600 mm Tele (mit Telekonverter 840 mm) zur Verfügung. Weitere spannende Linsen (z.B. 300-800 mm Zoom, bezogen aufs Vollformat) und ein 2-fach Telekonverter sind bereits angekündigt. Fotografenherz, was willst du mehr?
Vor- und Nachteile des MFT-Formats in der Naturfotografie
Natürlich hat MFT gegenüber Vollformat auch Nachteile: Die Anfangsöffnung von 2.8 an einer MFT-Kamera entspricht, wenn es um die Freistellungsfähigkeit (also eine möglichst geringe Schärfentiefe) geht, nur einer Offenblende von 5.6 bezogen auf das Vollformat. Auch hier muss man ja mit dem Cropfaktor von 2 multiplizieren. Ich verliere also gegenüber Vollformat 2 Blendenstufen bei der Freistellung (aber selbstverständlich nicht bei der Belichtung). Andererseits wird bei Linsen am Vollformat meist empfohlen, 1 – 2 Blendenstufen abzublenden, weil erst dann die beste optische Qualität erreicht wird. Meine MFT-Linsen wurden allesamt auch bei Offenblende als optisch exzellent getestet. Also relativiert sich dieser Nachteil ein wenig. Das gilt auch für das schlechtere Rauschverhalten bei hohen ISO-Werten. Die hervorragende Offenblendtauglichkeit sowie eine überragende Bildstabilisierung machen in vielen (aber natürlich nicht allen) Fällen hohe ISO-Werte schlicht überflüssig.
Hab ich noch was vergessen? Ach so – wie sieht’s denn mit der Bildqualität aus? Überzeugt euch doch einfach selbst. Einige der Bilder in diesem Blogartikel habe ich mit der Nikon D750 gemacht, andere mit der Olympus. Wer von Euch den Unterschied erkennt und alle Bilder der richtigen Kamera zuordnen kann, dem verleihe ich höchstpersönlich das große Pixelpieperkreuz am Kameragurt.
Man könnte jetzt vielleicht entgegnen, dass die Unterschiede in der Bildqualität am Monitor und in der hier im Blog verwendeten geringen Auflösung nicht so sehr ins Gewicht fallen wie bei großen Ausdrucken. Das ist nicht zu bestreiten. Sollte also hier der Haken an der Sache spürbar werden, zumal ich einen Teil meiner Fotos tatsächlich ausdrucke?
Dem wäre vermutlich so, wenn ich wirklich sehr große Ausdrucke anfertigte. Ich drucke aber nur bis zum Format von DIN A3+ (also etwa 40 x 30 cm). Da ich meine Fotos gerne im Rahmen mit Passepartout an die Wand hänge, was das Ganze ja noch einmal ein ganzes Stück größer werden lässt, habe ich mich bei der Wahl meines Druckers bewusst für diese Obergrenze entschieden. Größere Bilder finde ich einfach zu dominant, zumindest wenn es sich dabei um meine eigenen Fotos handelt. Das sieht mir dann etwas zu sehr nach Selbstinszenierung aus.
Vielleicht noch eins: Neben Olympus baut auch Panasonic ausgezeichnete MFT-Kameras und passende Objektive. Mir schien, das Gesamtpaket von Olympus hatte die Nase ein klein wenig vorne im Bereich „Foto“; jenes von Panasonic war vielleicht dafür eine Idee besser beim Thema „Video“. Da ich an meinen Kameras den Startknopf für Videoaufnahmen noch niemals auch nur interessehalber gesucht habe, fiel meine Wahl auf Olympus.
In der folgenden Übersicht habe ich noch einmal kurz zusammengefasst, wo aus meiner Sicht in der Naturfotografie die Vorteile, aber auch die Nachteile von MFT-Kameras gegenüber Kameras mit größeren Sensoren liegen.
Vorteile des MFT-Formats in der Naturfotografie
- Kamera und vor allem Objektive erheblich leichter
- mehr Schärfentiefe – von Vorteil in der Landschafts- und Makrofotografie
- überragende Bildstabilisierung
- erstklassige Objektive deutlich preiswerter
- höhere Bildfolgerate – sehr nützlich in der Tierfotografie
Nachteile des MFT-Formats in der Naturfotografie
- stärkeres Rauschen bei hohen ISO-Werten
- geringeres Freistellungspotenzial – von Nachteil in der Tierfotografie
- weniger Spezialobjektive und Objektive von Fremdherstellern
- sehr hohe Auflösungen nur per Pixelshift
- geringerer Prestigefaktor (falls einem der wichtig ist)
Weitere in der Naturfotografie nützliche Features meiner Olympus OM-D E-M1 Mark II wie z.B. Focus Bracketing, Pro Capture, Live Composite habe ich in die Zusammenfassung nicht aufgenommen, da sie nicht bei allen MFT-Kameras verfügbar sind. Außerdem geht es hier ja um den Systemwechsel von Vollformat zu MFT, nicht um einzelne Kameras.
Weggelassen habe ich auch alle jene für Naturfotografen wichtigen Merkmale, die man bei ausgewählten Kameramodellen beider Formate finden kann. Ich denke hier z.B. an Wasserdichtigkeit, schnellen Autofokus, Robustheit, intuitive Bedienbarkeit, gute ablesbare Monitore.
Fazit
Die Olympus ist gut, sie ist sogar sehr gut, aber sie ist definitiv nicht die bessere Kamera. Von praktisch allen anderen Herstellern sind Kameras auf dem Markt, die ihr in der Summe aller Vor- und Nachteile ebenbürtig oder auch überlegen sind. Aber für mich ist sie ideal, denn sie passt zu mir und meiner Art der Naturfotografie wie angegossen. Wäre mein bevorzugtes Genre die Porträtfotografie, oder besäße ich die Kraft und Statur eines Bodybuilders, dann bliebe ich beim Vollformat oder zöge gar die Verwendung einer Mittelformatkamera in Erwägung. Als Streetfotograf käme mir vermutlich eine gute und dabei möglichst unauffällige Kompaktkamera mit Festbrennweite mehr entgegen. Und als Profi wäre es schlicht und einfach sinnvoll, stets die am besten zum jeweiligen Auftrag passenden Kameras und Objektive zu verwenden. Dafür gibt es schließlich die einschlägigen Verleiher.
Da ich meine Lieblingsfotos aber nun einmal meist an abgelegenen Orten in der Natur und mit allen Brennweiten vom Ultraweitwinkel bis zum starken Tele mache, ist neben der optischen Leistung das Gewicht meiner Ausrüstung ein extrem wichtiger Faktor für mich. Ein schwerer Fotorucksack schmälert meine Begeisterung für Fototouren ganz enorm. Insofern hat mir mein Wechsel zum wesentlich leichteren MFT-System im wahren Sinne des Wortes eine Last von den Schultern genommen. Mir hat’s geholfen, meine Freude an der Naturfotografie zu bewahren. Und ist es nicht genau das, worum es uns allen geht: die Freude an unserem Hobby Naturfotografie?
Wie seht ihr das? Fängt „ernsthafte“ Naturfotografie für euch erst beim Vollformat an? Oder sind euch andere Eigenschaften wichtiger als die Sensorgröße? Und habt ihr einen Versuch unternommen, die Fotos oben zuzuordnen? Schreibt euer Ergebnis bitte in die Kommentare. Wenn jemand alles richtig haben sollte, dann melde ich mich. Versprochen.