Naturfotografie in der Uckermark – Teil 1

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Reisen

Mitte April war ich für ein paar Tage in der Uckermark, ganz im Nordosten Brandenburgs. Schon lange hatte ich mir vorgenommen, dort einmal mit meiner Kamera auf Fotopirsch zu gehen. Vor allem der Grumsin, immerhin Weltnaturerbe, die Blumberger Teiche und der Nationalpark Unteres Odertal standen auf meiner Wunschliste. Mir war natürlich bewusst, dass einige wenige Tage mir kaum mehr als einen ersten Überblick über all diese landschaftlichen Highlights ermöglichen würden. Aber genau darum ging es ja bei dieser kurzen Stippvisite.

Ganz gezielt hatte ich mir den April als Reisemonat ausgesucht. Zum einen hoffte ich, so den blutrünstigen Mücken zu entgehen, die, wie ich gelesen hatte, ab Mai in dieser wasserreichen Region ihrem Vampirgewerbe mit Eifer nachgehen sollen. Außerdem mag ich es, wenn die alten, oft recht bizarr geformten Bäume allenfalls durch ein zartes Grün bezaubern, ihre verwunschenen Stämme und Äste aber noch sichtbar sind, bevor später im Jahr üppiges Laub sie vor unseren Blicken verbirgt. Darüber hinaus sind viele Tiere im April recht aktiv und dabei wegen der noch spärlichen Vegetation meist gut zu beobachten.

Abendspaziergang am Grimnitzsee

Mein Quartier habe ich für die paar Tage in der Nähe von Joachimsthal unmittelbar am Grimnitzsee bezogen. In der ganzen Gegend wimmelt es nur so von Seen, und zum Glück kann man sie praktisch alle gänzlich unbehelligt von Schicki-Micki-Restaurants, gesperrten Privatgrundstücken oder hippen Yachtclubs erkunden. Gleich nach meiner Ankunft mache ich im Regen einen ersten abendlichen Spaziergang durch den Wald, immer am dicht mit Schilf bewachsenen Seeufer entlang. Ich genieße mit allen Sinnen die wunderschöne Natur und die gänzliche Abwesenheit jeglichen Zivilisationslärms – jedenfalls so lange, bis das Tuten eines Nebelhorns diese Idylle jäh durchbricht. Dann muss ich über mich selbst lachen: Ich habe es doch tatsächlich fertiggebracht, den Ruf der Rohrdommel für einen kurzen Moment mit einem Nebelhorn zu verwechseln.

Der Abend am Grimnitzsee neigt sich zur blauen Stunde.
Versteckt im Schilf lässt hier die Rohrdommel ihr „Nebelhorn“ ertönen.

Mir ist schon klar, dass ich diesen extrem versteckt lebenden Vogel aus der Familie der Reiher wohl kaum zu Gesicht, geschweige denn vor meine Kamera bekommen werde. Aber es ist schön zu wissen, dass er hier noch ein geeignetes Habitat vorfindet. Und es kommt noch besser: Schon nach nur wenigen hundert Metern erklingt das nächste Nebelhorn aus dem Schilf. Und ein gutes Stück weiter sogar noch eines. Aus meinem Vogelführer weiß ich, dass Rohrdommeln stets zwischen drei- und achtmal tuten. Hier am Grimnitzsee haben sie sich offenbar auf ein Maximum von fünf Rufen verständigt. Es scheint so, als wollten selbst sie diese wunderbare Ruhe nicht mehr als unbedingt nötig stören.

In der Abenddämmerung scheinen die Blüten beinahe zu leuchten.
Spuren der Baumharzgewinnung

Weltnaturerbe Grumsin

Am nächsten Tag steht dann eine Wanderung durch den zum Weltnaturerbe zählenden alten Buchenwald Grumsin auf meinem Programm. Über eine abenteuerliche Straße, die eher einer beeindruckenden Präsentation aller nur denkbaren Schlaglochvarianten gleicht, geht es nach Altkünkendorf. Ich bin etwas skeptisch, ob der dortige Infopunkt am heutigen Sonntag geöffnet haben wird, denn immerhin hat die Touristensaison um diese frühe Jahreszeit ja noch kaum begonnen.

Weltnaturerbe Grumsin

Doch ich habe Glück: Eine Dame und ein Herr, beide ausgesprochen freundlich und kompetent, sind sehr gerne bereit, meine Fragen hinsichtlich einer empfehlenswerten Wanderroute zu beantworten. Der Herr geht dann sogar noch mit mir nach draußen, damit ich auch ganz sicher den richtigen Einstieg in meinen Rundweg finde. Alleine diese nette Begegnung war schon jedes Schlagloch wert.

Hier hat der Frühling noch nicht Einzug gehalten.
Lebensraum Totholz

Bei meiner mehrstündigen Wanderung durch den alten Buchenwald begegne ich nicht einer einzigen Menschenseele. Nach den improvisierten Schildern in Altkünkendorf zu urteilen, auf denen gegen den Bau von noch mehr Parkplätze im Ort protestiert wird, sieht es im Sommer und Herbst wohl deutlich anders aus. Mir macht das recht kalte und auch ein wenig feuchte Aprilwetter nichts aus, und so genieße ich es einfach nur, diesen tatsächlich ziemlich beeindruckenden Wald heute ganz alleine durchstreifen zu können.

Mein Weg führt mich auch an zwei Waldseen, dem Buckowsee und dem Schwarzen See, vorbei. Sie geben dem Grumsin, neben den imposanten alten Buchen, seinen ganz eigenen Charakter. Offenbar bin nicht nur ich von diesem Zusammenspiel aus Wasser und Wald begeistert. Jedenfalls erkenne ich an den ufernahen Bäumen sehr deutlich die Spuren einiger recht fleißiger Biber, die eine solche Kombination offenbar ebenfalls sehr zu schätzen wissen.

Biber hinterließen hier ihre unverkennbaren Spuren.

Übrigens ist die Gegend hier längst nicht so flach, wie man sich Brandenburg immer vorstellt. Der Grumsin liegt nämlich in einer typischen Endmoränenlandschaft, und mit dem Blocksberg gibt es dort ein erstaunliches Naturwunder, wie ich es noch in keiner anderen Landschaft angetroffen habe. Googelt man nämlich im Internet nach der Höhe dieses Bergs, dann wird die mal mit 110, mal mit 119 und dann wieder mit 138 Metern angegeben. Offenbar ist der Blocksberg in der Lage, seine Höhe von Tag zu Tag, auf jeden Fall aber von Messung zu Messung dramatisch zu variieren. Sicherheitshalber verzichte ich auf den Aufstieg, denn ich weiß ja nicht, welche Höhe mich dort heute erwartet und ob ich überhaupt ohne Extra-Sauerstoff hinaufkäme.

Erst wenn man mal durch solch einen unbewirtschafteten alten Wald wie den Grumsin mit all seiner „Unordnung“ und dem vielen Totholz gewandert ist, kann man so richtig ermessen, wie sehr sich unsere typischen Forste, zu Unrecht oft ja ebenfalls als Wälder bezeichnet, davon unterscheiden.

Die Blumberger Teiche

Den nächsten Tag habe ich für die Blumberger Teiche reserviert, denn vor einiger Zeit hatte ich einen Artikel über sie gelesen, in dem es von beeindruckenden Aufnahmen der verschiedensten dort anzutreffenden Vögel nur so wimmelte. Und tatsächlich, schon auf dem Fußweg zu den Teichen erwartet mich das erste Spektakel: Inmitten hunderter wunderschöner alter Bäume streiten sich zwei Buntspechte erbittert um eines dieser Prachtexemplare. Keiner von beiden will nachgeben, jeder versucht, in akrobatischen Luftkämpfen die Oberhand zu behalten und seinen Rivalen von eben diesem Baum zu vertreiben. Sobald sich einer von ihnen erdreistet, einen Platz am Objekt der Begierde einzunehmen, kommt der andere wie eine Furie angeflogen, und in wilder Hatz beginnt die Rauferei.

Leider sind sowohl meine Perspektive von unten als auch die Lichtverhältnisse hier im dichten Wald viel zu schlecht, um brauchbare Fotos der beiden Kampfhähne oder besser Kampfspechte zu machen. Aber mit diesem Erlebnis hat mein Ausflug zu den Blumberger Teichen auf jeden Fall schon einmal ziemlich spektakulär begonnen. So darf es gerne weitergehen.

Höckerschwan
Reiherentenpaar

Leider folgt auf diesen vielversprechenden Anfang dann aber schnell die Ernüchterung: Wo sind bloß all die vielen Vögel, die ich in dem oben erwähnten Artikel bewundern durfte? Meine eigene Fotoausbeute bleibt jedenfalls ausgesprochen mager. Vermutlich bin ich wieder einmal zur falschen Zeit am richtigen Ort. Oder ist es vielleicht auch gar nicht der richtige Ort? Nach nur einem Tag lässt sich das natürlich nicht abschließend beurteilen.

Allerdings stimmt es mich schon ein wenig skeptisch, dass praktisch alle Zugänge zu den Teichen, von der großen Runde außen herum einmal abgesehen, gesperrt sind. Das mag natürlich gerade jetzt in der Brutzeit absolut notwendig und angemessen sein. Aber ich bin mir eben nicht mehr so sicher, ob man als normaler Naturfotograf ohne irgendwelche Sondergenehmigungen hier überhaupt erfolgreich zum Zuge kommen kann. Sollte ich es noch einmal in dieser Gegend versuchen wollen, dann werde ich mich sicher vorab erst einmal genauer informieren.

Schellenten-Weibchen
Tafelenten-Männchen im Prachtgewand

Ein paar Aufnahmen gelingen mir letztlich doch noch. Sie können meine Bilanz dieses Fototages dann aber auch nicht mehr wirklich retten. Tja, auch damit muss man eben leben: lausige Kälte, heftiger Wind und am Ende kaum ein brauchbares Foto. Habe ich eigentlich schon einmal erwähnt, wie schwer das Los eines Naturfotografen manchmal sein kann?

Dem Glück eine Chance geben

Immer wieder faszinieren mich Naturfotos, denen man auf den ersten Blick ansieht, welch hoher Aufwand – vor allem welche minutiöse Planungsarbeit – dafür im Vorfeld betrieben werden musste. Meistens sitze ich mit offenem Mund staunend vor einem solchen Bild, absolut beeindruckt von der Akribie des Fotografen oder der Fotografin – und weiß doch ganz genau, dass dies niemals meine Art der Naturfotografie sein wird.

Rehe

Dabei bin ich nicht einfach nur zu faul. Das wohl auch. Aber ich ziehe ganz generell die spontane Improvisation einer akribischen Vorbereitung vor. Tatsache ist, dass ich sehr viel mehr Freude daran habe, mit meiner Kamera loszuziehen und mich überraschen zu lassen. Für die Freiheit, meine Zeit in der Natur ganz ohne Ziel einfach nur mit offenen Sinnen zu genießen, muss ich dann eben auf so manches Bild verzichten – ein Preis, den ich gerne zu zahlen bereit bin.

Kraniche sind in der Uckermark heimisch geworden.

Wenn man nun aber wie ich auf Planung weitgehend verzichten und stattdessen auf sein Glück vertrauen möchte, dann sollte man letzterem zumindest eine gute Chance einräumen. In der Uckermark fiel mir das ziemlich leicht, denn im Grunde brauchte ich nur ein paar Kilometer mit dem Auto unterwegs zu sein, bevorzugt auf einer der wenig befahrenen Straßen. Wenn ich dabei gut nach allen Seiten Ausschau hielt, dann konnte ich eigentlich immer etwas Interessantes entdecken, das nur darauf wartete, von mir abgelichtet zu werden. Da ich meine Kamera stets griffbereit hielt (mit einer Ausnahme, siehe unten), konnte ich auch hier wieder einige zufällige Begegnungen auf den Sensor bannen.

Wildschweine mit Frischlingen

Wenn ich dem Glück auf diese Weise eine Chance gebe, dann zählen übrigens nicht ausschließlich Tierbilder zu meiner fotografischen Ausbeute. Immer wieder einmal entdecke ich so auch ganz besondere Landschaften, manchmal vielleicht nur wenige Quadratmeter groß, die wegen ihres ungewöhnlichen Charakters ein paar Fotos wert sind. So geht es mir auch in der Uckermark, als ich auf einer hübschen Nebenstrecke von Angermünde nach Joachimsthal ein überschwemmtes Waldstück passiere.

Kurz vor Joachimsthal bemerke ich einen Fuchs am Straßenrand, der neugierig zu mir aufblickt. Tatsächlich scheint er nicht einfach nur das Auto, sondern ganz gezielt mich anzuschauen. Ich halte sofort an und greife … ins Leere. Vor wenigen Minuten war ich ausgestiegen und hatte die im Wasser stehenden Bäume fotografiert. Anschließend muss ich dann die Kamera in Gedanken auf den Rücksitz gelegt haben. Wie überaus dumm!

In wilder Hast drehe ich mich um, zerre die Kamera unter meiner Regenjacke hervor, verheddere mich dabei prompt, lasse aber immerhin gleichzeitig das Fenster auf der Fahrerseite herunter, nur um dann zu bemerken, dass der Fuchs inzwischen längst ein Stück weitergeschnürt ist. Nun, ich kann es ihm nicht verdenken.

Ein Wendemanöver würde viel zu lange dauern, weshalb ich jetzt im Rückwärtsgang versuche, wieder mit dem Fuchs auf gleiche Höhe zu kommen. Mein Blick geht dabei zwischen Meister Reineke und dem Rückspiegel hin und her. Ich will ja weder meinen Fuchs aus den Augen verlieren noch einen Zusammenstoß mit eventuell von hinten herannahenden Fahrzeugen riskieren. Am Ende geht aber alles gut. Mir gelingt zwar nur eine einzige Aufnahme, aber ein Blick aufs Display meiner Kamera lässt mich erleichtert aufseufzen: Ich bin jedenfalls nicht unzufrieden mit dem, was ich da sehe.

Lohn der Hektik: „mein“ Fuchs in voller Schönheit

Für heute soll’s das gewesen sein. Im nächsten Beitrag zeige ich euch dann jene Bilder meiner kleinen Reise, die ich im Nationalpark Unteres Odertal gemacht habe.

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