Planlos am Jadebusen

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Schmökern

Wieder einmal – ein letztes Mal – habe ich geschäftlich in Wilhelmshaven zu tun. Da ich aus Erfahrung weiß, dass sich rund um den Jadebusen, wie die dortige Nordseebucht heißt, immer ein paar lohnende Motive finden lassen, entschließe ich mich, noch zwei Tage zum Fotografieren dranzuhängen. Man sollte die Gegend rund um den Jadebusen übrigens nicht mit dem oft bedichteten Busen der Natur verwechseln. Dafür fällt der Blick hier zu oft auf deutliche Anzeichen von Industrie, Gewerbe und Marineeinheiten der Bundeswehr. Wer sich damit jedoch anfreunden kann, gewinnt dann schon einen recht guten Eindruck vom Wattenmeer und seinen tierischen Besuchern.

Vielleicht nicht Natur pur – aber doch lohnend…
…und auch im Winter reizvoll.

Für die beiden Tage hatte ich keine Pläne gemacht, weder das Fotografieren betreffend noch sonst. Ich wollte mich einfach ein wenig treiben lassen und mal schauen, was mir so vor die Linse kommen würde. Ja, ich weiß, ein ernsthafter Naturfotograf überlässt sich und seinen Erfolg nicht dem Zufall, schon klar. Er recherchiert im Vorfeld sorgfältig, mit welchen Motiven er an seinem angepeilten Ziel und zur vorgesehenen Jahreszeit rechnen kann. Auf dieser Basis erarbeitet er einen exakten Plan, wann genau er mit seiner Kamera wo sein sollte, um die besten Chancen zu haben, seine Wunschmotive nicht nur anzutreffen, sondern auch im idealen Licht auf den Sensor zu bannen.

Kleine Eisschollen zeugen vom – zumindest in Ufernähe – gefrorenen Watt.

Manchmal mache ich das alles tatsächlich. Aber im Grunde gibt es für mich kaum etwas Schöneres, als mit weit geöffneten Sinnen durch die Natur zu spazieren und mich dabei einfach nur von meiner Intuition und dem Zufall leiten zu lassen. Ein Plan würde mich dabei wohl eher behindern, meine Wahrnehmung zu sehr einengen. Ich hätte dann nur noch mein Ziel – also ein ganz bestimmtes Wunschfoto – vor Augen. Der Blick für die mich unmittelbar umgebende Natur ginge zumindest ein Stück weit verloren.

Die Pfeifenten wissen ein sonniges Plätzchen mit Aussicht zu schätzen.
Grau- und Silberreiher beobachten die Szenerie mit kritischem Blick.
Ausgebüxte Hausgänse?

Das bedeutet jetzt aber auch nicht, dass ich niemals Fotopläne mache. Allerdings ist es mir dann wichtig, stets sehr viel mehr Zeit einzuplanen, als ich vermutlich benötigen werde. So bewahre ich mir die Chance, etwas Unerwartetes zu entdecken und mich in aller Ruhe darauf einzulassen. Überraschend viele dieser ungeplanten Fotos haben es in den kleinen Kreis meiner Lieblingsbilder geschafft.

Lachmöwen scheinen eine Vorliebe für…
…rostige Ausgucke zu haben.

Mehr Rotschenkel als dem Fotografen lieb sind

Nun aber zurück an den Jadebusen und zu meiner fotografischen Ausbeute. Da wären zuerst einmal ganze Heerscharen von Rotschenkeln, die man um diese Jahreszeit dort recht verlässlich antreffen kann. Meistens sind sie alles andere als einfach ins Bild zu setzen. Mir fällt es in diesem Gewusel jedenfalls immer ausgesprochen schwer, einen auch nur halbwegs ansprechenden Bildausschnitt zu finden.

Rotschenkel lieben Massenversammlungen.
Dem Fotografen hingegen ist es so lieber.

Außerdem suchen sie sich mit Vorliebe solche Plätze für ihre Massenversammlungen aus, die für unsereins nicht zu erreichen sind. Da reicht dann oft auch meine längste Brennweite nicht hin. Dabei kann ich schon von Glück reden, wenn zwischen mir und den in Ufernähe stehenden Vögeln wenigstens keine Schilfgürtel jegliche Chance auf vernünftige Bilder zunichte machen.

Es herrscht ein stetes Kommen und Gehen.

Immer mal wieder und ohne erkennbaren Grund erfasst Hektik die ganze Schar. Dann fliegen sie alle wie auf Kommando eilig davon und drehen eine oder mehrere Runden über dem Watt, bevor sie sich erneut irgendwo niederlassen. Es ist für mich jedes Mal aufs Neue recht beeindruckend, unzählige dieser Vögel ihre Formationsflüge nicht nur höchst elegant, sondern auch gänzlich unfallfrei absolvieren zu sehen. Man könnte fast glauben, sie folgten einer präzise einstudierten Choreografie, bei der jeder Einzelne von ihnen ganz genau weiß, welches Manöver gerade angesagt ist.

Rotschenkel bei ihrem beeindruckenden Synchronflug

Die fröhliche Kormoran-Show

Da ich nicht zum ersten Mal in der Gegend bin, kenne ich am Jadebusen ein Siel, bei dem eigentlich immer Kormorane anzutreffen sind. Es gibt dort einige Holzpflöcke, auf denen sich die schwarzen Fischliebhaber sehr gerne niederlassen, um ihr Gefieder zu trocknen und zu pflegen. Das ist wichtig, denn Kormorane fetten im Gegensatz zu vielen anderen Wasservögeln ihre Federn nicht ein. Auf diese Weise können sie zwar besser tauchen, aber dafür perlt das Wasser bei ihnen dann eben nicht so einfach ab, wie man das zum Beispiel von den Enten kennt.

Kormoran mit zum Trocknen ausgebreiteten Flügeln

Leider herrscht heute eine recht hohe Luftfeuchtigkeit, was mir ein etwas ungünstiges Fotolicht beschert. So wirkt das Gefieder der Kormorane, das ansonsten in der Sonne oft glänzt oder sogar bunt schillert, einfach nur schwarz und ein wenig stumpf. Zum Ausgleich wirft sich einer der Vögel mit allerlei lustigen Verrenkungen und Grimassen während seiner peniblen Federpflege ganz besonders ins Zeug. Ich kann gar nicht anders, als diesen drolligen Kerl sofort in mein Herz zu schließen.

Jede Feder will sorgfältig zurechtgerückt werden.
Kormoran-Akrobatik

Gerade als ich eigentlich schon aufbrechen will, legt mein schelmischer Freund noch einmal so richtig los. Dabei scheint er jede Menge Spaß zu haben. Zumindest fällt es mir schwer, seinen Gesichtsausdruck nicht als ein spitzbübisches Lächeln zu deuten. Man könnte fast glauben, er zöge hier eine kleine Extra-Show nur für den Fotografen ab.

grinsender Spaßvogel in Aktion

Es sieht beinahe so aus, als ob seinem Artgenossen auf einem der anderen Pflöcke diese Performance eindeutig zu weit ginge. Zumindest beäugt er sein Gegenüber die ganze Zeit und wirkt dabei ausgesprochen unzufrieden. Als er dann in Richtung seines Kollegen auch noch ein paar deutliche Zurechtweisungen zu rufen scheint, muss ich beinahe laut lachen.

Nun hör schon endlich auf mit dem Quatsch! Willst du uns blamieren?

Wer hüpft denn da herum?

Auf den ersten Blick glaube ich, einen Bergfink vor mir zu haben. Beim Näherkommen wird aber schnell klar, dass ich damit falsch liege. Nein, ein Bergfink ist das nicht. Die Ähnlichkeiten des Gefieders und beim ziemlich kräftig gebauten Schnabel sind zwar nicht zu leugnen, auch die Größe dürfte in etwa stimmen, aber insgesamt ist dieser Vogel heller, vor allem am Bauch. Die Zeichnung der Flügel sieht ebenfalls anders aus. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich erst im Nachhinein und nur mit Hilfe meines Vogelführers herausbekam, was ich denn da nun fotografiert hatte:

Es war die Schneeammer und nicht der Bergfink.

sehr frei nach Shakespeare
Schneeammer, einen Zaun als Ausguck nutzend

Schneeammern kommen als Wintergäste aus dem Norden zu uns und sind dann an den Küsten von Nord- und Ostsee anzutreffen. Angeblich treten sie gerne in größeren Gruppen auf, was hier aber definitiv nicht der Fall ist. Ich kann weit und breit nur diesen einen Vogel entdecken, der geschäftig nach Essbarem sucht und sich dabei von mir und meinen Bemühungen, ihn zu fotografieren, nicht im Geringsten irritieren lässt.

Schneeammer im Schlichtkleid…
…aber was heißt schon schlicht?

Schließen will ich heute mit einem für mich recht untypischen Foto. In dem Fall steht ausnahmsweise einmal nicht so sehr die Natur im Mittelpunkt. Ich mag dieses Bild vielmehr wegen seiner beinahe grafischen Anmutung. Aufgenommen habe ich es, wie man wohl erkennen kann, an einem Deich. Mir gefiel vor allem die Verteilung der drei Farben, die hier fast schon wie abstrakte Flächen wirken.

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