Dante hat in seiner „Göttlichen Komödie“ die Hölle bekanntlich in neun Kreise unterteilt, die von außen nach innen zunehmend größere Qualen für immer sündigere Seelen bereithalten. Nun bin ich zwar kein gläubiger Mensch, aber sollte an der ganzen Sache wider Erwarten doch etwas dran sein, dann könnte ich mir als probate Foltermethode in einem der äußeren Kreise gut einen immerwährenden Wellnessurlaub vorstellen. Schon allein der Gedanke an Gesichtsmasken, Peelings, heiße Steine auf meinem Rücken, Klangschalen, Aromatherapien, Schlammpackungen und was es an derlei Man-muss-sich-auch-mal-was-Gutes-tun-Techniken mehr geben mag … für mich der wahre Horror. Ich bin mir sicher: Hätte Dante vor 750 Jahren von diesen subtilen Qualen der Moderne auch nur die kleinste Vorstellung gehabt, er hätte sie neben Massentourismus und Fast Food in seine Hölle aufgenommen.

Zwar stehe ich mit dieser Meinung garantiert nicht alleine, aber dass viele ganz anders darüber denken als ich, nun, es lässt sich problemlos an den enormen Umsätzen der Wellnessbranche ablesen. So weit, so gut. Allerdings war ich kürzlich auf Fototour im Emsland, und da konnte ich erleben, dass die Wellness-Begeisterung inzwischen weit größere Kreise erreicht hat, als ich bisher auch nur ahnte.

Glückliche Schweine
Wieder einmal war ich mit meinem kleinen Wohnanhänger unterwegs, und wie immer hatte ich mir einen hübschen Stellplatz auf einem Bauernhof gesucht. Ihr wisst ja, normale Campingplätze sind nicht so mein Ding. Dieses Mal hatte ich besonders viel Glück: Mein Anhänger stand auf einer idyllisch ringsum von Wald umgebenen Wiese, das Wetter spielte ganz wunderbar mit, und mein Stellplatzvermieter erwies sich als ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Als er hörte, dass ich hauptsächlich der Naturfotografie wegen ins Emsland gekommen war, lud er mich gleich ein, die auf seinem Hof frei umherlaufenden Schweine abzulichten.

Nun gehören Schweine zwar zu den Haustieren und sind damit wohl kaum als erste Wahl eines Naturfotografen zu betrachten, aber entgehen lassen wollte ich mir die Gelegenheit natürlich auch nicht. Wie richtig diese Entscheidung war und was das alles mit der oben erwähnten Wellness zu tun hat, darum geht’s in diesem Blogartikel.

Eines kann ich schon einmal vorwegnehmen: Sollte ich je als Schwein wiedergeboren werden, dann könnte ich mir dafür wohl kaum einen besseren Platz vorstellen, als auf besagtem Hof im Emsland. Nur meine Einstellung zu dem ganzen Wellness-Klimbim müsste ich dann noch einmal überdenken. Aber der Reihe nach:



Nach einem kleinen Fußmarsch durch das oben erwähnte Wäldchen gelange ich direkt zur Schweinewiese. Aber was heißt hier schon Wiese? Eine ganze Wellness-Oase tut sich da vor mir auf. Neben Unterkunft mit Vollpension und einem exklusivem Zugang zu sonnigen wie auch schattigen Liegeplätzchen umfasst dieses All-inclusive-Angebot so ziemlich alles, was man sich als Schwein von Welt nur wünschen kann:


Da gibt es zuerst einmal einen famosen Pool in Form eines großen Badeteichs, in dem man herrlich plantschen und sich bei Bedarf auch immer mal wieder abkühlen kann. Darüber hinaus stehen spezielle Anwendungen zur Verfügung. Vom belebenden Sand-Peeling über schnell mal zwischendurch aufzutragende Morastpackungen gegen kleinere Hautunreinheiten bis hin zum absolut tiefenentspannten Schönheitsschlaf im Schlammbad wird das gesamte Spektrum aller schweinischen Wellnesswünsche aufs Beste abgedeckt.

Spezialisiert hat man sich hier voll und ganz auf die Bedürfnisse von Müttern (Sauen) mit Kindern (Ferkeln), so dass – von einigen Paparazzi wie mir abgesehen – keine Männer (Eber), die zwanglose Atmosphäre stören können. Und so wird hier niemand, obwohl es sich um ein FKK-Resort handelt, nach seiner Figur beurteilt oder dem am flottesten gelockten Ringelschwänzchen. Selbst Knickohren oder Speckröllchen sind nichts, dessen man sich in diesem 5-Sterne-Resort schämen müsste.

Dermaßen entspannt lassen sich die Schweine von mir nicht stören. Mit einem kurzen skeptischen Blick stellen sie fest, dass meine Kamera und ich keinerlei Gefahr für sie darstellen und gehen gleich nach meinem Erscheinen wieder zum Tagesgeschäft über: Fressen, Suhlen, Schwimmen, wohlig Grunzen.

Wo das Schwein noch Schwein sein darf
Ich lasse mir ein wenig Zeit, beobachte das Treiben mit Vergnügen und komme ganz nebenbei zu ein paar ungestellten Aufnahmen meiner Models. Die Fotos werden mich später nicht nur an meine Zeit im Emsland erinnern, sondern darüber hinaus an einen bäuerlichen Betrieb, auf dem das Schwein noch Schwein sein darf. Keine Frage, auch diese Tiere müssen irgendwann den Weg allen Fleisches gehen (in dem Fall sogar in doppelter Bedeutung), aber zumindest hatten sie vorher ein wirklich artgerechtes, ein – so glaube ich – gutes Leben. Das ist heute die große Ausnahme, keinesfalls die Regel. Ich bin jedenfalls froh, mit eigenen Augen gesehen zu haben, dass es so etwas auch in der heutigen, leider meist ganz auf den Kommerz ausgerichteten Zeit noch gibt. Alles in allem kann ich also mit Fug und Recht sagen, dass ich mit meinem Stellplatz auf diesem Hof im Emsland in jeder Hinsicht „viel Schwein“ hatte.

Herzliche Grüße
Ein ganz persönlicher Gruß geht deshalb, aber auch wegen der ebenso herzlichen wie unkomplizierten Gastfreundschaft, an meinen Gastgeber Heinz und seine Familie:
Moin Heinz, da ich nicht weiß, ob es dir recht wäre, deinen vollständigen Namen hier im Glaslinsenspiel zu lesen, belasse ich es mal lieber beim Vornamen. Ach übrigens: Deine selbst geschnitzte Eule hat inzwischen ein sehr schönes Plätzchen in unserem Garten zwischen zwei Apfelbäumen gefunden.

Ein Wort zum Schluss
Natürlich war ich nicht nur wegen der Wellness genießenden Schweine im Emsland. Vor allem die vielen recht unterschiedlichen Moore und die alten, inzwischen zu ganz besonderen Landschaften mutierten Huteweiden waren es, die mich dorthin zogen. Selbstverständlich habe ich davon jede Menge Fotos gemacht. Und die gibts hier im Glaslinsenspiel – wie könnte es anders sein? – schon ganz bald zu sehen. Ihr wisst ja: Jeden zweiten Freitag kommt ein neuer Beitrag. Schaut also gerne wieder rein!
Wie wunderbar. Auch ich hatte heute das Glück, wie ich es in Kindertagen täglich erfahren durfte, zufriedene Schweine zu beobachten. Mir wurde ganz warm ums Herz. Heinz hat mir gleich deine Seite geschickt und ich genieße deine tollen Fotos (eindeutig besser als meine). Ich hatte noch meine Hunde im Schlepptau. Der eine interessierte sich überhaupt nicht für die Schweine. Der andere aber teilte meine Faszination und konnte sich gar nicht satt sehen. Es ist für die Schweine so ein Glück hier leben zu dürfen. Vielen Dank für den kurzweiligen Beitrag. Ich musste sehr schmunzeln.
Vielen Dank für den netten Kommentar. Freut mich, wenn du schmunzeln musstest. So war der Beitrag gedacht.