Mitte Oktober habe ich wieder einmal zwei wunderbare und in fotografischer Hinsicht recht ergiebige Tage im Urwald Sababurg verbracht. Anders, als der Name vermuten lässt, handelt es sich bei diesem Teil des Naturparks Reinhardswald keineswegs um einen echten Urwald. Er wurde vielmehr vor langer Zeit von Menschenhand als Hutewald angelegt, in den man früher das Vieh zur Waldweide trieb.

Und dennoch: Wer diesen Wald betritt, der versteht auf den ersten Blick, warum er den Namen Urwald trägt. Wenn die benachbarte Sababurg in der Rolle des märchenhaften Dornröschenschlosses glänzen darf, warum sollte dann dieser ebenso märchenhafte Hutewald nicht als Urwald durchgehen? Zwar steht er erst seit knapp 120 Jahren unter Schutz, aber er bietet ohne Zweifel nahezu alles, was in unseren Vorstellungen – wenn auch nicht unbedingt in der Realität – einen richtigen Urwald ausmacht.




Ich habe mir für meinen Besuch das genau passende Wetter ausgesucht: Der Himmel ist fast durchgängig bedeckt; nachts – aber zum Glück eben nur nachts – fällt leichter Regen. Sonne und blauer Himmel würden in meinen Augen so ganz und gar nicht zum verwunschenen Charakter dieses Waldes passen. Außerdem mag ich es nicht, wenn die durch das Blätterdach einfallende Sonne am Waldboden für ein heilloses Wirrwarr aus Lichtflecken sorgt. In Wäldern, erst recht in so naturbelassenen wie diesem, ist es ohnehin schon schwierig genug, allzu chaotische Bilder zu vermeiden.




Am Ziel angekommen weiß ich gar nicht, worauf ich meine Kamera zuerst richten soll. Es ist unglaublich: Hinter jeder Wegbiegung steht ein weiterer Baum-Methusalem, und sie alle scheinen um den Titel des bizarrsten Wuchses zu wetteifern. Dennoch wäre es unverzeihlich, vor lauter Begeisterung über diese herrlichen Charakterbäume all jene unzähligen, um diese Jahreszeit und bei der feuchten Witterung in allen nur denkbaren Farben, Formen und Größen förmlich aus dem Boden schießenden Pilze zu übersehen. Was also soll ich tun? Meine Aufmerksamkeit mehr auf die majestätischen Baumriesen oder doch lieber auf die hübschen Pilze richten? Normalobjektiv oder Makro?




Nun, dieses Dilemma lässt sich bequem auch ohne ständigen Objektivwechsel lösen: Zum Glück habe ich ja zwei Tage für den Urwald Sababurg eingeplant. Ich beschließe deshalb, den ersten Tag vor allem den Bäumen zu widmen und mich am zweiten dann um die Pilze zu kümmern. Insofern wird es zum Urwald Sababurg hier denn auch zwei Beiträge geben.




Selbst wenn all die knorrigen Baumpersönlichkeiten noch im besten Alter wären, gäbe dieser Zipfel des Reinhardswaldes einen respektablen Urwald ab. Doch einen guten Teil seiner märchenhaften Anmutung erhält er wohl vor allem dadurch, dass etliche der ehrwürdigen Riesen allmählich ans Ende ihres natürlichen Lebensalters kommen. Mehr als alles andere lässt ihn dies zu solch einem verwunschenen Ort werden. So würde es mich auch kaum wundern, wenn mir ein grummeliger Waldwichtel über den Weg liefe oder wenn ich im glitzernden Moos anmutig tanzende Elfen erblickte. Falls jetzt meine Fantasie ein bisschen mit mir durchgegangen sein sollte, dann mag es vielleicht daran liegen, dass die Deutsche Märchenstraße in unmittelbarer Nähe vorbeiführt.



Nur selten treffe ich auf andere Besucher. Am Wochenende und bei schönerem Wetter mag das vielleicht ganz anders aussehen. Heute ist mein vernehmlichster Begleiter ein Rabe, der, offenbar wenig erfreut über mein Eindringen in sein Revier, immer wieder empört krächzend über mich hinweg fliegt. Oder will er mit seinem heiseren Gesang (aber ja doch, Raben gehören zu den Singvögeln) die geheimnisvolle Atmosphäre hier im Urwald Sababurg auf der nach oben offenen Gebrüder-Grimm-Skala noch einmal ein gutes Stückchen ins Mystische verschieben?



Was das Fotografieren betrifft, gibt es nicht allzu viel anzumerken. Dank der sehr guten Bildstabilisierung war ich mit meinem Standardzoom bei ISO 1600 in der Lage, selbst unter den meist recht dunklen Lichtbedingungen im Wald problemlos aus der Hand zu fotografieren. Mit einem Stativ hätte ich selbstverständlich die ISO herunter- und damit die Bildqualität ein Stückchen hinaufschrauben können. Auch ein Polfilter, für den mir ohne Stativ nicht genug Belichtungsspielraum blieb, hätte in dem Fall die Farben wohl noch ein wenig besser herausgekitzelt. Der Wunsch nach deutlich mehr Flexibilität vor Ort hat mich aber leichten Herzens darauf verzichten lassen. In meiner Prioritätenliste steht die größtmögliche technische Bildqualität ohnehin nicht allzu weit oben.


Im nächsten Blogbeitrag geht’s dann, wie oben bereits kurz angedeutet, vor allem um die enorme Vielfalt an Pilzen, mit der mich der Urwald Sababurg dieses Mal überrascht hat. Während wir uns heute hauptsächlich bei den Bäumen und damit häufig in seinem Obergeschoss umgeschaut haben, werden wir unseren Blick dann vermehrt auf das nicht minder attraktive Erdgeschoss lenken.
