Vogelfotografie am Dollart

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Reisen

Ostfriesen sind dafür bekannt, man könnte wohl auch sagen, sie seien dafür geradezu berüchtigt, allzu redselige, vor allem aber neunmalkluge Touristen mit dem allerharmlosesten Gesichtsausdruck gehörig auf die Schippe zu nehmen. Vermutlich war es diese Neigung zum trockenen Humor, verbunden mit dem absichtlichen Missverstehen auswärtiger Dampfplauderer, die ihnen zu Unrecht jenen Ruf der Einfältigkeit einbrachte, der in den Ostfriesenwitzen seinen allseits bekannten Ausdruck fand.

bedrohliche Wolken über dem ostfriesischen Rheiderland
Deichvorland an der Unterems

Das alles war mir als eifrigem Besucher und Fan dieser Region längst bekannt. Was ich bisher aber nicht wusste, ist, dass sich auch die ostfriesische Vogelwelt und sogar das dortige Wetter einen Spaß daraus machen, Besucher – in meinem Fall also einen völlig harmlosen Naturfotografen – ganz gehörig zu veräppeln. Aber der Reihe nach:

Da sich die Vögel vornehm zurückhielten…
…mussten eben die Schafe am Emsdeich als Fotomotiv herhalten.

Ende September war ich für ein paar Tage zum allerersten Mal im äußersten Westen Ostfrieslands. Ich weiß, das klingt irgendwie paradox, ist aber geografisch korrekt. Genauer gesagt hatte ich mein Quartier in Ditzum aufgeschlagen, einem malerischen Fischerörtchen im Mündungsgebiet der Ems, ziemlich genau dort, wo sie den Dollart, eine deutsch-niederländische Meeresbucht der Nordsee, erreicht. Ditzum gehört zum Rheiderland, also jenem Teil Ostfrieslands, der sich durch so schöne Ortsnamen wie Bingum, Jemgum, Midlum, Critzum, Hatzum, Pogum und eben Ditzum auszeichnet. Die Einwohner dieses Landstrichs stehen selbst bei den Ostfriesen im Ruf, ein wenig eigenwillig zu sein.

Laut meinem schon oft bewährten Vogelführer soll es rund um den Dollart gleich eine ganze Reihe von vielversprechenden Stellen zur Vogelbeobachtung geben. Angeblich lohnen im Winter vor allem die verschiedenen Gänsearten einen Besuch. Im Frühjahr sind es dann wohl die vielen Watvögel und Wiesenbrüter, die sich in den Vordergrund drängen. Über den Spätsommer schwieg sich mein schlaues Buch leider weitgehend aus. Vielleicht hätte mir das zu denken geben sollen.

Stare und Kiebitz nehmen ein gemeinsames Bad.
Star bei der anschließenden Federpflege
Stare sind quirlige Vögel – hier ein seltener Moment der Ruhe.

Da ich ein mir unbekanntes Gebiet lieber dann erkunde, wenn nicht so viele Urlauber dort sind, ließ ich mich davon nicht abschrecken. Natürlich hoffte ich, dennoch mit dem einen oder anderen vorzeigbaren Foto nach Hause zu kommen. Vor allem aber sollte mir diese kleine „Forschungsreise“ dazu dienen, lohnende Fotospots zu finden. Da ich mit dem Auto nur anderthalb Stunden bis zum Dollart brauche, könnte ich dann später einfach mal im Rahmen einer Tagestour dorthin fahren und dabei ganz gezielt jene Plätze ansteuern, die den größten Fotoerfolg versprechen. So war jedenfalls mein Plan.

Die nur in Ostfriesland heimische Langohreule legt ihre überraschend bunten Eier stets exakt zu Ostern.

Fast alles geht schief

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich hatte zwar einige wunderschöne Tage in Ditzum, aber nach Plan lief dabei so gut wie gar nichts. Die Schuldigen dafür konnte ich auch schon dingfest machen, nämlich das Wetter, die Vögel und den Deich. Selbstredend trifft den Fotografen keine Schuld, wo kämen wir denn da hin?

Wetter zu nass

Am ersten Tag war auf das Wetter noch am ehesten Verlass. Es regnete nämlich fast durchgängig, mal mehr und mal noch mehr. Wenn dann doch einmal die Sonne zum Vorschein kam, dann vermutlich nur, um mich aus dem Auto zu locken. Mit schöner Regelmäßigkeit geschah das an genau den Stellen, die laut meinem Vogelführer sehr gute Chancen auf spannende Beobachtungen bieten sollten. Kaum war ich jedoch ausgestiegen und hatte mir meine Kamera umgehängt, schon begann es wieder in Strömen zu regnen.

Kiebitz
Graureiher
Großer Brachvogel

Vögel zu sehr auf Abstand bedacht

Damit sind wir dann auch schon beim zweiten Punkt: Entweder hat mein Vogelführer gelogen, oder die ostfriesische Vogelwelt wollte sich einen Spaß daraus machen, an allen – und ich meine wirklich an allen – angeblich bestens geeigneten Stellen zur Vogelbeobachtung mit mir Verstecken zu spielen. Kein Federvieh weit und breit.

Wirklich gar keines? Nun, ein paar Ausnahmen gab es schon: Mit dem Fernglas konnte ich hin und wieder weit jenseits der Reichweite meines längsten Teleobjektivs mit viel Mühe etwas erkennen, das sich bei näherer Betrachtung vielleicht als Vogel entpuppt hätte. Und um mich vollends wie einen (im Wortsinn) begossenen Pudel (oder eher Trottel) aussehen zu lassen, flog immer mal wieder eine ihrem Namen lauthals Ehre machende Lachmöwe über mich hinweg.

Mäusebussard im hellen Federkleid
Mäusebussard mit sehr viel dunklerem Gefieder
vom Boden startender Bussard

Deiche zu hoch

Zu allem Überfluss fand ich auch hier wieder einmal bestätigt, dass eine gute Stelle zur Vogelbeobachtung noch lange kein idealer Ort für die Vogelfotografie sein muss. Alle in meinem Buch aufgeführten Plätze befanden sich nämlich oben auf den Deichen links und rechts der Unterelbe. Die freie Sicht von der Deichkrone ist bei der Betrachtung mittels Fernglas oder Spektiv natürlich ideal. Fotografen aber wollen für ansprechende Aufnahmen möglichst mit den Vögeln auf gleicher Höhe sein. Das war hier wegen der – ohne Frage absolut berechtigten – Betretungsverbote praktisch ausgeschlossen.

Turmfalke
rüttelnder Turmfalke

Kaum noch erwartete Erfolge

Das Wetter blieb zwar äußerst wechselhaft, aber die trockenen Phasen hielten in den nächsten Tagen wenigstens ein gutes Stück länger an. Das konnte allerdings meinen ursprünglichen Plan aus den genannten Gründen nun auch nicht mehr retten. Mir blieb also gar nichts anderes übrig, als mich mit einer detaillierte Karte auf die Suche nach geeigneten Stellen für die Vogelfotografie zu machen. An einigen wenig befahrenen Nebenstrecken und kleinen Wirtschaftswegen wurde ich schließlich fündig.

War ich am Ende des ersten Tages noch ein wenig frustriert, so besserte sich meine Laune nun zusehends. Nach und nach gelang es mir nämlich, immer weitere Stellen auszukundschaften, an denen ich mit einer gehörigen Portion Glück und Geduld einige recht ordentliche Aufnahmen zustande brachte. Es waren zwar nicht die ursprünglich erhofften Motive, aber wenigstens musste ich meinen Plan, hier in Ostfriesland Vögel zu fotografieren, nicht komplett aufgeben.

Goldregenpfeifer

Bis auf die Bilder vom Steinschmätzer und den Möwen sind alle Fotos des heutigen Blogbeitrags aus dem Auto heraus entstanden. Dabei hatte ich die Kamera stets im geöffneten Autofenster auf einem Bohnensack stabilisiert. Das funktioniert in aller Regel erstaunlich gut. Nur bei heftigem Regen und Wind aus der falschen Richtung wurden Kamera und Fotograf einige Male ordentlich nass. Zum Glück sind beide ziemlich wetterfest, so dass dies dem fotografischen Erfolg keinen Abbruch tat.

junge Silbermöwe
Lachmöwe

Ob sich der ganze Aufwand und die immer wieder aufs Äußerste strapazierte Geduld letztlich gelohnt haben? In meinen Augen auf jeden Fall, denn ich liebe es nun einmal, Zeit in der Natur zu verbringen. Selbst wenn dann am Ende mal kein vernünftiges Foto dabei herausspringt, muss dies nicht gleichbedeutend mit einem verlorenen Tag sein. Umso mehr freue ich mich natürlich, dass meine Ausbeute hier in Ostfriesland letztlich doch noch ganz ordentlich ausgefallen ist, auch wenn das nach dem ersten Tag kaum mehr zu erwarten war.

Steinschmätzer

Ditzum – ein ostfriesischer Hafenort wie aus dem Bilderbuch

Übrigens hat sich Ditzum als ganz wunderbarer Standort erwiesen. Nicht nur, dass die besten Fotoreviere dort quasi vor der Türe liegen. Dieses bereits auf den ersten Blick ausgesprochen sympathisch wirkende Örtchen hat noch allerhand mehr zu bieten. Am auffälligsten sind wohl die wunderschöne Windmühle und der recht ungewöhnliche Kirchturm in Form eines Leuchtturms. Einige einladende Fischrestaurants, nette Cafés sowie das angeblich größte Buddelschiffmuseum Deutschlands komplettieren das Bild.

beschauliches Ditzum
Selbst die Kirchen scheinen sich hier mit einem Leuchtturm zu schmücken.
Ditzumer Windmühle

Sehr friesisch mutet auch der kleine betriebsame Hafen mit seinen bunten Fisch- und Krabbenkuttern an. Auf gar keinen Fall sollte man es verpassen, sich dort im Fischhaus mit Backfisch- und Krabbenbrötchen zu versorgen. Die sind einfach sensationell.

Krabbenkutter im Ditzumer Sielhafen

Ein Wort zum Schluss

Ich habe mich sehr darum bemüht, die verschiedenen Vögel mit den korrekten Namen zu versehen, aber weder bin ich ein ausgebildeter Ornithologe, noch würde ich mich als wirklich erfahrenen Vogelbeobachter bezeichnen. Sollte also jemandem auffallen, dass mir bei der Benennung ein Fehler unterlaufen ist, dann wäre ich sehr dankbar für einen entsprechenden Hinweis in den Kommentaren.

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