Goldener Herbst in Südtirol – Teil 1

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Reisen

Eigentlich sollte es für ein paar Tage nach Österreich in die Wildschönau gehen. Doch ein Blick auf die Wettervorhersage lässt uns kurz vor der Reise noch einmal umschwenken. Warme und sonnige Tage verspricht sie leider nur für die Südseite der Alpen. Also planen wir quasi im letzten Moment um und fahren doch lieber nach Südtirol. Schließlich wollen wir einige schöne Bergwanderungen machen, und die können im Regen ja schnell einmal recht rutschig und damit dann auch ganz schön gefährlich werden.

Eine angenehme Ferienwohnung, die uns rundum zusagt, finden wir in Kastelruth, und so wird dieser hübsche Ort zu unserem Zuhause für die nächsten Tage. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ja, es stimmt, Kastelruth ist der Heimatort jener Spatzen, ohne deren volkstümelnde Schlager ganze Sendungen des deutschen Fernsehens kaum denkbar wären. Aber nein, unsere Musik ist das definitiv nicht, und ich habe auch kein Selfie vor dem Denkmal der Kastelruther Spatzen (ehrlich, das gibt es dort wirklich!) gemacht.

Kastelruth
Abendstimmung in Kastelruth

Oh weh, jetzt bin ich irgendwie vom Thema abgekommen. Wie gelange ich nun von nachgemachter Volksmusik zurück zur echten Schönheit der Südtiroler Natur? Am besten wird es wohl sein, einfach zu berichten, was wir während unserer Zeit dort so alles unternommen haben. Also los:

Wohnung mit Aussicht

Voller Freude stellen wir fest, dass zu unserer Ferienwohnung eine gemütliche Terrasse mit herrlichem Blick zum Ritten gehört. Ich werde später noch einmal auf diesen Berg zurückkommen. Normalerweise ginge es jetzt sofort ans Auspacken, aber wir können gar nicht anders als zuerst einmal bei einer guten Tasse Tee die prächtige Aussicht und das warme Wetter zu genießen. Es fällt uns gar nicht so leicht, uns von diesem Anblick dann doch irgendwann loszureißen, und so schaffen wir es gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluss, wenigstens ein paar regionale Leckereien fürs Abendessen einzukaufen.

frühmorgendlicher Blick von unserer Terrasse hinüber zum Ritten

Im Wald der Schlernhexen

Am nächsten Morgen beschließen wir, es erst einmal ruhig angehen zu lassen und mit dem Sessellift zur Marinzenalm gleich oberhalb von Kastelruth zu fahren. Zu unserer Ehrenrettung sei gesagt, dass wir den Abstieg zurück in den Ort dann aber tatsächlich zu Fuß bewältigt haben. Falls das jetzt verdächtig nach dem alten bayrischen Motto „Kirchen von außen, Berge von unten, Wirtshäuser von innen“ klingen sollte: Erstens hatten wir für die nächsten Tage ja noch etwas größere Herausforderungen geplant (siehe unten bzw. Teil 2) und zweitens ist gegen die Beherzigung bewährter Grundsätze ja wohl nichts einzuwenden, oder?

Mit dem Sessellift „wandern“ wir ganz entspannt…
…hinauf zur Bergstation.

Zwar trug der Sessellift uns weiter unten über sonnenbeschienene Wiesen hinweg, aber hier oben herrscht noch tiefer Schatten. Schon bald jedoch klettert die Sonne über den Berg. Erst streifen ihre Strahlen nur beinahe zaghaft ein kleines Fleckchen Almwiese. Doch schon wenige Augenblicke später erstrahlt auch das Herbstlaub im Wald in den schönsten Farben.

die erste Morgensonne
Licht und Schatten im Bergwald

Der Abstieg führt uns zuerst durch einen erstaunlich dichten Bergwald. Im Grunde ist es hier wunderschön – wenn nur die Hexen nicht wären. Wie bitte, ihr glaubt mir nicht, weil doch jedermann weiß, dass Hexen nun einmal im Harz auf dem Brocken wohnen? Wie gut, dass ich so wagemutig war und zum Beweis ein Foto von den Hexenstühlen gemacht habe.

In Südtirol kennt übrigens jedes Kind die Schlernhexen. Der Schlern ist nun einmal der nächstgelegene Berg, und so brauchen wir uns in seiner Nähe über die Hexenstühle gar nicht zu wundern. Schließlich will sich auch die umtriebigste Hexe hin und wieder mal vom Besenreiten ausruhen.

verwunschene Felsblöcke
geheimnisumwitterte Hexenstühle

Je tiefer wir kommen, desto freier fällt unser Blick auf Kastelruth. Einladend liegt der malerische Ort vor uns, eingebettet in eine eher liebliche als schroffe Berglandschaft. Ein angenehmer Weg führt uns durch Wiesen und Weiden allmählich zurück zu unserer Ferienwohnung. Bereits diese kleine Aufwärmrunde war wunderschön, und es deutet sich schon an unserem allerersten Urlaubstag an, dass dieser sonnige Herbst hier in Südtirol ein wahres Fest für die Augen (und damit auch für den Fotografen) werden dürfte.

herbstliche Wiese oberhalb von Kastelruth, im Hintergrund der Schlern
Blick auf Kastelruth

Wir finden, dass wir es uns nach dieser „anstrengenden“ Wanderung mehr als verdient haben, den restlichen Nachmittag erneut auf unserer Terrasse ausklingen zu lassen. Heute gibt es zum obligatorischen Tee eine superleckere Kastanientorte, die wir auf dem Rückweg im Ort gekauft haben. Gegen Abend unternehmen wir dann noch einen ausgedehnten Bummel durch Kastelruth. Spätestens nach diesem Tag sind wir uns ganz sicher, mit der Entscheidung für Südtirol alles richtig gemacht zu haben.

Ausflug zum Ritten

Der Blick von unserer Terrasse auf den Ritten ist zwar ausgesprochen hübsch, aber natürlich soll es beim bloßen Anschauen nicht bleiben. Schließlich hat dieser Berg gleich zwei Attraktionen zu bieten, die wir uns keinesfalls entgehen lassen wollen:

Die Erdpyramiden bei Klobenstein

Warum mussten wir auch unbedingt gleich den allerersten Parkplatz in Klobenstein nehmen? Auf unserem Weg zu den berühmten Erdpyramiden am Ritten bemerken wir, dass wir da wohl etwas voreilig gehandelt haben. Andere waren schlauer als wir. Der vor ihnen liegende Weg ist nur etwa halb so weit wie unserer. Aber was soll’s? Noch eine allerletzte Steigung, und dann sehen auch wir sie vor uns liegen, die berühmten Erdpyramiden. Wow, welch ein Anblick! Da hat die Natur etwas geschaffen, das uns beinahe sprachlos macht.

Die Erdpyramiden am Ritten sind…
…wahre Kunstwerke der Natur.

Falls euch die Entstehung dieser faszinierenden Pyramiden und Säulen interessiert, dann findet ihr ausführliche Erklärungen dazu problemlos im Internet. Es lohnt sich durchaus, das einmal zu recherchieren. Hier deshalb nur in aller Kürze: Rund um einen Stein wurde über viele, viele Jahre das Erdreich fortgewaschen, so dass am Ende nur die Erde direkt unter dem Stein in Form einer Pyramide oder Säule erhalten blieb. Viele Steine führten zu vielen Erdpyramiden. Ich denke, die Aufnahmen lassen das ganz gut erkennen.

Aber auch ohne wissenschaftliche Erklärung – vielleicht sogar gerade dann – geht eine enorme Faszination aus von diesen bizarr anmutenden Gebilden, die sich unvermittelt aus der Bergflanke des Ritten erheben. Die meisten der zum Glück um diese Tageszeit noch nicht gar so zahlreichen Besucher verharren für eine Weile geradezu andächtig vor diesem ungewöhnlichen Naturphänomen. Offenbar sind einige von ihnen so stark beeindruckt, dass sie beinahe vergessen, ihr obligatorisches Selfie zu machen.

Detailansicht

Der Panoramaweg

Ein paar Kilometer oberhalb von Klobenstein liegt die Talstation der Ritten-Seilbahn. Ja, ihr habt es gut erkannt, auch diesen Aufstieg machen wir uns wieder sehr einfach. Schließlich benötigen wir unsere Puste noch für den herrlichen Panoramaweg, der uns oben quasi einmal um den Ritten herumführen soll. Die Seilbahn bringt uns schnell hinauf, und so haben wir jetzt den ganzen Nachmittag für einen Weg, den man auch in gut einer Stunde schaffen könnte. Aber das wäre dann in etwa so, als würde man eine Flasche des allerbesten Burgunders binnen zwei Minuten in sich hineinkippen. Nein, für diesen Panoramaweg muss man sich Zeit lassen – viel Zeit. Wir jedenfalls kennen am Ende nahezu jede der vielen Bänke, von denen sich immer wieder neue Blicke in die grandiose Südtiroler Bergwelt eröffnen.

Blick vom Ritten
von links nach rechts: Sellagruppe, Langkofel, Plattkofel, Marmolada
Bank mit Aussicht

Möglicherweise ist das folgende, aus mehreren Aufnahmen zusammengesetzte Foto noch ein klein wenig besser geeignet, einen halbwegs realistischen Eindruck von jener großartigen Aussicht zu vermitteln, die man vom Panoramaweg des Ritten genießen kann. Allerdings zeigt es leider auch sehr deutlich, wieviel Dunst in der Luft lag. Die Bildqualität lässt also einiges zu wünschen übrig. Und Vorsicht, wenn ihr das Foto anklickt: Es wird beinahe den Rahmen eures Bildschirms sprengen. Auf einem Handy oder kleineren Tablet dürftet ihr deshalb wohl leider nicht allzu viel erkennen können.

Dieser Blick eröffnet sich vom Panoramaweg am Ritten.

Um nicht noch einmal wie am Morgen den erheblichen Umweg über Bozen machen zu müssen, wählen wir für die Rückfahrt jene winzige einspurige Straße, die auf direktem Weg hinunter ins Eisacktal führt. Sie erweist sich als landschaftlich wunderschön, aber jeder Gegenverkehr wird zu einer Herausforderung. Ein paar bergunerfahrene Touristen haben da wohl ihrem Navi etwas zu sehr vertraut. Jedenfalls merkt man ihnen schon von Weitem an, dass diese Route sie näher an ihre fahrerischen Grenzen bringt, als ihnen lieb ist. Zu guter Letzt kommen aber alle heil und ohne Blechschaden unten im Tal an.

unter dem Himmel Südtirols

Wer klopft denn da?

Heute steht eine Wanderung auf dem Programm, deren Ausgangspunkt wir schon kennen. Der befindet sich nämlich bei der Marinzenalm oberhalb von Kastelruth, wo wir ja schon am ersten Tag waren. Also fahren wir erneut – ihr ahnt es bereits – mit dem Sessellift hinauf zur Alm. Aber kaum haben wir die Bergstation erreicht, geht’s auf Schusters Rappen weiter. Die bequeme Fahrt im Lift ist heute ja nur der Beginn einer längeren Bergwanderung, die uns über Gstatsch und Bad Radkes am Ende zurück nach Kastelruth führen wird.

Marinzenalm – Gstatsch

Der erste Teil der Strecke bis nach Gstatsch erweist sich als ausgesprochen schön. Wir genießen es sehr, über schmale, angenehm zu gehende Pfade durch den herbstlich gefärbten Bergwald zu wandern. Kein Mensch weit und breit, herrliche Ausblicke ins Tal, ein strahlend blauer Himmel, erstaunlich vielfältiges Vogelgezwitscher und immer mal wieder das Klopfen eines Spechts. Allerdings kommt es mir bei näherem Hinhören so vor, als klopfe der in einem anderen Rhythmus als ich das von zu Hause kenne. Kann es vielleicht sein, dass die Spechte hier im überaus charmanten Südtiroler Dialekt hämmern?

herbstlich gelb gefärbte Lärchen in der ersten Sonne
Bäume mit Charakter

Wir bleiben eine Weile ganz ruhig stehen und versuchen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Und endlich sehen wir den kleinen Handwerker (besser: Schnabelwerker). Mein Gehör hat mich nicht getrogen. Wer da den Baum so eifrig bearbeitet, das ist keiner der üblichen Verdächtigen, sondern ein Dreizehenspecht. Er zeigt überhaupt keine Scheu, und wir erhalten die Gelegenheit, ihn ganz in Ruhe durchs Fernglas zu betrachten. Leider wird es nichts mit einem Foto, da ich dafür mein langes Teleobjektiv benötigt hätte – und das schleppe ich lieber nicht durch die Berge, zumindest dann nicht, wenn ich mich darauf eingestellt habe, Landschaftsfotos zu machen. Übrigens sollte es in diesem Urlaub nicht unsere einzige Begegnung mit einem Dreizehenspecht bleiben. Vielleicht werde ich ja irgendwann noch einmal herkommen und dann mit dem Tele auf Fotopirsch gehen. Ich weiß ja jetzt, wo ich Glück haben könnte.

Ein abwechslungsreicher Wanderweg…
…ganz nach unserem Geschmack.

Gstatsch – Bad Radkes

Dieses Teilstück unserer Wanderung wird deutlich anspruchsvoller als wir es erwartet hatten. Dass es ziemlich oft steil bergab geht, ist dabei nicht das eigentliche Problem. Aber in Verbindung mit der Nässe, die sich im Schatten des Waldes trotz des an sich sonnigen Wetters den ganzen Tag über hält, werden die steilsten Stellen dann doch ganz schön ungemütlich. Wir müssen höllisch aufpassen, dass unser Abstieg nicht plötzlich sehr viel schneller vonstatten geht, als uns lieb sein kann. Die nassen Felsen und Wurzeln erweisen sich immer wieder als außerordentlich tückisch, und man sollte die von ihnen ausgehende Rutschgefahr auf derart abschüssigen Pfaden keinesfalls unterschätzen.

Farbenspiel am Waldboden

Am Ende geht alles gut, aber vor lauter Konzentration auf den Weg habe ich fast vergessen zu fotografieren. Nur eine einzige Aufnahme gibt es deshalb von diesem Streckenabschnitt. Ein schöner Naturfotograf bin ich. Andere klettern für spektakuläre Bilder in den Krater eines aktiven Vulkans, und ich lasse mich von ein wenig Nässe abhalten.

Bad Radkes – Kastelruth

Der Rückweg nach Kastelruth hält keinerlei sportliche Herausforderungen mehr bereit. Dennoch erweist er sich als ausgesprochen lohnend. Wir wandern durch Wiesen und Wälder, durchqueren winzige Ortschaften mit nur wenigen Häusern und lassen dabei immer wieder unsere Blicke schweifen. Wie schön die Berglandschaft jetzt im Herbst, zumal an einem sonnigen Tag wie diesem, in allen Farben leuchtet, einfach herrlich!

Die Bienen sind auch so spät im Jahr noch fleißig.
Herbstwald unterhalb der Seilbahn zur Seiser Alm
schmuckes Häuschen am Wegesrand

und so geht’s weiter…

Das soll’s für heute erst einmal gewesen sein. Im zweiten Teil besuchen wir dann gleich mehrere Südtiroler Highlights. So durchklettern wir zum Beispiel die beeindruckende Gilfenklamm. Außerdem steht eine der schönsten Bergwanderungen überhaupt auf dem Programm, nämlich jene um die berühmten Drei Zinnen.

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