Vom Winde verweht – Teil 1

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Reisen

Geplant hatte ich es anders, aber was heißt das schon in der wankelmütigen Naturfotografie: Nicht immer kommt es, wie man es sich erhofft hatte. So war es auch wieder einmal Mitte Mai am Schaalsee. Hier an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sollte mein Schwerpunkt auf der Vogel- und Insektenfotografie liegen. Indes, ich hatte die Rechnung ohne den Wind gemacht. An den meisten Tagen wehte es derart heftig, dass sich meine Wunschmotive entweder gar nicht sehen ließen oder aber auf ihren Ansitzen so heftig schaukelten, dass mich schon beim reinen Zuschauen – ganz zu schweigen vom Fotografieren – die Seekrankheit überkam. Also musste dringend ein halbwegs brauchbarer Plan B her.

am Schaalsee bei Lassahn

Zum Glück ist der Schaalsee von einigen wirklich sehr hübschen Städtchen umgeben, in denen meist die typisch norddeutsche Backsteinarchitektur dominiert. Warum also nicht einfach an den besonders windigen Tagen die eine oder andere Stadt besichtigen und dort auf Fotopirsch gehen? Immerhin trotzen die Backsteinhäuser dort bereits seit Jahrhunderten so ziemlich jedem Sturm, ohne auch nur mit einem Ziegel zu zucken. Außerdem macht es jede Menge Spaß, auf so wunderschönen Alleen wie im Titelbild die Gegend zu erkunden. Und hier sind sie eben keine seltenen Ausnahmen, sondern beinahe schon die Regel.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Am Ende des Urlaubs hatten wir, meine Frau und ich, deutlich mehr Zeit in allerlei sehenswerten Städten als in der Natur verbracht. Tja, wer in den Norden reist, der muss eben mit einer ordentlichen Brise klarkommen. An der Küste habe ich damit auch kein Problem. Da liebe ich es geradezu, mich mal so richtig durchpusten zu lassen. Aber hier in den Wäldern wird es eben auch umso gefährlicher, je heftiger der Wind bläst. Da ist Vorsicht geboten. Aber hey, auch das Fotografieren in Städten hat ja seine Vorteile: Die nächste Einkehrmöglichkeit ist selten mehr als nur ein paar Schritte entfernt. Was mir an Chancen auf gute Naturfotos entging, das konnte ich somit auf der kulinarischen Seite wieder wettmachen. Ein durchaus akzeptabler Deal, wie ich finde.

Der Frühling setzt seine Akzente.

Nun aber zu den Fotos. Erst geht es in die verschiedenen Städte und Städtchen, die mir als Ersatz-Fotomotive dienen mussten. Am Ende des 2. Teils gibt es dann sogar sämtlichen Widrigkeiten zum Trotz noch einige Landschaftsfotos zu sehen, die ich im Rahmen mehrerer Wanderungen am Ufer des Schaalsees gemacht habe. Einen ganz kleinen Vorgeschmack darauf habt ihr ja durch die Bilder oben schon bekommen.

Schwerin

Größtes Highlight dieser kleinsten deutschen Landeshauptstadt ist ohne Zweifel das imposante Schloss. Es kann nicht nur mit seiner Architektur punkten, auch die Lage auf einer Insel und der weitläufige Park sind eine Wucht. Offenbar hatten die früheren Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin noch keinerlei Hemmungen, ihren Reichtum selbstherrlich zur Schau zu stellen. Heute tagt in diesem prächtigen Schloss, das zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Deutschland zählt, der Landtag unseres in meinen Augen schönsten Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.

Schloss Schwerin vom Park aus gesehen
Prachtvoll sind auch die Details.
Trotz nachmittags aufziehender Regenwolken bleibt der Blick aufs Schloss überaus beeindruckend.

Aber nicht nur das Schloss, auch die Altstadt ist einen ausführlichen Rundgang wert. Vor allem der prächtige historische Marktplatz, der vom Dom, dem Säulengebäude der ehemaligen Markhalle, einigen schönen alten Wohn-und Geschäftshäusern und nicht zuletzt dem Rathaus geprägt wird, lohnt einen Besuch. Wir sind aber auch sehr gerne durch einige der stilleren Gässchen gebummelt, in denen immer wieder hübsche alte Häuser zum Charme der Stadt beitragen.

Platz vor dem Rathaus
Blick durch eine Altstadtgasse zum Dom

Wismar

Etwas weniger herrschaftlichen Glanz, dafür aber noch einmal spürbar mehr Charme strahlt die alte Hansestadt Wismar aus. Hier stimmt einfach die Mischung aus Alt und Neu, aus Beschaulichkeit und Urbanität, aus Pracht und Bescheidenheit. Die Altstadt ist, zusammen mit jener von Stralsund, völlig zu Recht Teil des Weltkulturerbes. Wenn nur die vielen Touristen nicht wären! Sie verleiden mir verlässlich die schönsten Orte, die ich als Tourist (Finde den Fehler!) besuche. Paradox, ich weiß, aber deshalb nicht weniger wahr. Das ändert jedoch nichts daran, dass Wismar in meiner Rangliste der schönsten deutschen Städte einen Platz ziemlich weit oben belegt.

Wismars Marktplatz mit der berühmten Wasserkunst im Renaissance-Stil
prächtige Bürgerhäuser, rechts: Alter Schwede von 1360
Die vielen schönen Giebel lenken den Blick immer wieder nach oben.

Hinzu kommt, dass Hafenstädte bei mir fast immer punkten können, zumindest dann, wenn die Gegend rund um den Hafen noch etwas von ihrem alten Charme erkennen lässt. In Wismar ist das definitiv der Fall. Bummelt man von der Innenstadt in Richtung Hafen, dann verliert sich zwar auch hier jene stolz herausgeputzte Gediegenheit der Altstadt; sie wird aber nahtlos abgelöst von einem romantisch anmutenden Viertel, das alles andere als abgerissen, sondern im Gegenteil ausgesprochen einladend wirkt.

Auf dem Weg zum Hafen…
…bietet Wismar mit Erfolg alles auf…
…um möglichst romantisch zu wirken.
im alten Hafen

Einen einzigen Kritikpunkt habe ich dennoch: Bitte, liebe Wismarer, wie könnt ihr einen der schönsten Marktplätze Deutschlands euer Eigen nennen, und ihn dann ringsherum zuparken lassen? Diese paar zusätzlichen Parkplätze dürften es doch wohl kaum wert sein, ein so kostbares Kleinod optisch dermaßen zu ruinieren.

Boizenburg

Die westlichste Stadt Mecklenburgs ist so klein, dass sie sich gemütlich binnen einer Dreiviertelstunde im Rahmen eines Spaziergangs entlang der Wallanlagen umrunden lässt. Obwohl der Wall bereits im achtzehnten Jahrhundert abgetragen wurde, lohnt sich ein solcher Bummel, denn die Wallgräben sind erhalten geblieben. Von hier fällt unser Blick immer wieder auf hübsch anzuschauende, idyllisch am Wasser gelegene Wohnhäuser.

Idylle pur in Boizenburg
Kleinod am Wall

Auch in der kleinen barocken Innenstadt fallen uns viele pittoreske, nicht selten etwas windschiefe Wohnhäuser ins Auge. Es lohnt sich, ohne jede Eile durch die Gassen zu bummeln, denn nur so hat man die Chance, all die vielen liebevoll gepflegten Details zu entdecken, die man sonst leicht übersehen könnte.

„schön hier“

Lauenburg

Sich viel Zeit für einen Bummel zu lassen, bleibt auch in Lauenburg eine wirklich gute Idee. Die weiter oben gelegene Neustadt ist eine jener gesichtslosen Allerweltsstädte, wie es sie in Deutschland überall gibt. Auch die Überreste des Lauenburger Schlosses lohnen den steilen Aufstieg kaum. Was also der neue Teil an Schönheit und Charakter vermissen lässt, das finden wir in der unten an der Elbe gelegenen Altstadt wahrlich im Übermaß. Wie schön, dass hier nur die Anwohner mit ihren Autos hineinfahren können. Versenkbare Sperren sorgen für einen geruhsamen Bummel, bei dem wir uns ein wenig so fühlen, als seien wir per Zeitmaschine in ein früheres Jahrhundert geraten.

Viel idyllischer als in der Lauenburger Altstadt…
…kann es wohl kaum irgendwo sein.
Den früheren Reichtum erkennt man auch…
…an den vielen sorgfältig gearbeiteten Details.

Ja, die Altstadt mutet auf den ersten Blick vielleicht schon ein wenig wie ein Museum an. Aber dann wird doch schnell klar, dass dieses Museum alles andere als verstaubt daherkommt. In den historischen Gebäuden leben und arbeiten tatsächlich noch recht viele Menschen. Natürlich steht dabei der Tourismus im Vordergrund; Hotels, Cafés und Gaststädten überwiegen. Aber anstatt uns darüber zu beklagen, kehren wir lieber selbst dort ein. Schon bald sitzen wir mit herrlichem Blick auf die Elbe gemütlich bei Tee und Kuchen in einer gelungenen Mischung aus Krimskramsladen und Café

Die schönste Straße liegt nur eine Häuserzeile…
…hinter der Elbe, die an dieser Stelle den Schiffen auch als Wendeplatz dient.

Das soll’s jetzt für heute erst einmal gewesen sein. Im zweiten Teil werde ich noch von zwei weiteren besonders lohnenden Städten im Umfeld des Schaalsees berichten und dann auch endlich – wie versprochen – einige an seinen Ufern entstandene Aufnahmen der Schaalseelandschaft zeigen. Ich hoffe, ihr hattet an meinem spontan aus der Not geborenen Plan B und insbesondere an den dabei entstandenen Aufnahmen ein wenig Freude.

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