Seit vielen Jahren betrachte ich die Fotografie, vor allem die Naturfotografie, als mein Hobby. Dennoch habe ich meine Kamera lange Zeit kaum häufiger aus dem Schrank geholt als meine Nachbarn ihre Skier, nämlich immer nur dann, wenn es in den Urlaub ging. Bei meinen Nachbarn war das nachvollziehbar. Wo hätten sie hier bei uns im Münsterland denn auch Ski fahren sollen? Keine Berge, so gut wie kein Schnee, da bleibt als einzige Möglichkeit ja nur der Winterurlaub. Aber warum musste auch meine bedauernswerte Kamera über die meiste Zeit des Jahres auf Ausflüge an die frische Luft verzichten?
Alle Fotos dieses Blogbeitrags sind Anfang April im Verlauf einer Wanderung entstanden, die mich direkt von meiner Haustür hinauf auf den Kammweg des Teutoburger Waldes und dann, ihm nicht immer genau, aber doch weitgehend folgend, von Lengerich über Tecklenburg bis hin zu den Dörenther Klippen bei Ibbenbüren geführt hat.

Die Antwort ist einfach: Wie wohl jeder Anfänger war ich mit meinen Fotos gerade am Anfang oft alles andere als zufrieden. Eigentlich auch kein Wunder, denn jedes neue Hobby will ja erst einmal erlernt werden. Nur weil ich mir eine Klarinette kaufe, werde ich ja auch nicht gleich wie Benny Goodman spielen. Selbst beim allergrößten Talent (das mir ohnehin fehlt) hilft nur üben, üben, üben. Mit anderen Worten: Ich wäre wohl deutlich besser beraten gewesen, von Anfang an sehr viel mehr zu fotografieren, aus meinen Fehlern zu lernen, am Ball (will heißen an der Kamera) zu bleiben.

Stattdessen redete ich mir ein, wenn meine Fotos nichts taugten, dann müssten eben bessere Motive her. Bessere? Ach was, nur die tollsten Motive sollten es sein. Solche, wie ich sie in meiner Wahlheimat, dem Münsterland, wohl kaum finden würde – dachte ich zumindest. Die Folge war, dass ich von jenem Moment an praktisch nur noch im Urlaub zur Kamera griff, denn dort gab es sie ja, meine heiß ersehnten spektakulären Motive.


Natürlich kam es, wie es nun einmal kommen musste: Enttäuschung pur! Da hatte ich mit meiner teuren Kamera an den großartigsten Orten gestanden, und doch brachte ich am Ende Bilder nach Hause, mit denen ich alles andere als zufrieden sein konnte. Die Lösung liegt eben doch nicht darin, einfach immer nur die tollsten Motive an den schönsten und exotischsten Orten zu fotografieren. Das Gegenteil ist vielmehr richtig.


Worauf ich hinaus will? Nun, wenn ich bloss im Urlaub zur Kamera greife, dann komme ich viel zu selten zum Fotografieren. Die paar Bilder, die man so in den Ferien macht, können ja wohl kaum als wirklich konsequentes Arbeiten an den eigenen Fertigkeiten durchgehen. Außerdem ist es auch ziemlich unklug, erst am Urlaubsort mit dem Üben zu beginnen. Dort sollte ich das Ganze doch eigentlich schon beherrschen, und zwar so gut wie möglich, nicht wahr?



Deshalb ist es die mit Abstand bessere Taktik, nicht wieder auf den nächsten Urlaub zu warten, sondern immer dann, wenn es gerade gut passt, für ein oder zwei Stündchen mit der Kamera loszuziehen, um ein paar Aufnahmen zu machen. Die sollten dann aber nicht mal eben so nebenher geknipst werden, sondern mit Bedacht und absichtsvoll. Wollte man z.B. ein Musikinstrument erlernen, dann würde man es ja auch nicht anders angehen, einfach weil es nun einmal ohne regelmäßiges Üben nicht geht.

Möchte man jene Art von „Immer-mal-wieder-ein-paar-Stündchen-Training“ tatsächlich durchziehen, dann bleibt einem vermutlich gar keine andere Wahl, als dies in der Nähe seines eigenen Wohnorts zu tun. Für alles andere dürfte den meisten von uns im Alltag schlicht die Zeit fehlen. Damit ist dann aber auch klar, dass ein Satz wie „Hier gibt es aber überhaupt keine spannenden Motive“ von nun an nicht mehr als Entschuldigung gelten darf.

Auch wenn ich mir inzwischen etwas mehr Zeit für mein Hobby gönnen kann, nutze ich doch nach wie vor gerne das nähere Umfeld meines Wohnorts als mein fotografisches Trainingsgelände. Der Vorteil liegt dabei nicht nur in der Zeitersparnis gegenüber weiter entfernten Zielen, sondern vielleicht noch viel mehr darin, dass ich mich hier bestens auskenne. Außerdem kann ich nirgendwo sonst so kurzfristig auf günstige Witterungs-, Licht- oder Vegetationsbedingungen reagieren. Alles wirklich sehr gute Gründe, auch und gerade rund um den eigenen Schornstein auf Fotopirsch zu gehen. Und nebenbei bemerkt: Diese Art der wohnortnahen Fotografie hinterlässt auch den kleinstmöglichen ökologischen Fußabdruck, was gerade uns Naturfotografen alles andere als unwichtig sein sollte.

Nach dem Motto „Übung muss sein“ und weil mich bei so herrlichem Frühlingswetter ohnehin nichts im Haus hält, habe ich mich Anfang April zu einer kleinen Wanderung durch mein bevorzugtes heimatliches Fotorevier, den Teutoburger Wald, entschlossen. Meine Kamera schien von der Idee, mal wieder rauszukommen, ebenso begeistert zu sein wie ich, und so haben wir beide den Ausflug außerordentlich genossen.

Die Freude an der erwachenden Natur und am Wandern sollte zwar auf jeden Fall klar im Vordergrund stehen, aber als willkommene Übung wollte ich unterwegs auch das eine oder andere Foto machen, allerdings nur von Motiven, die mir quasi direkt über den Weg laufen würden. Na ja, eigentlich bin natürlich ich gelaufen, aber ihr versteht sicher, was ich meine. Fotos to go, sozusagen, auch wenn ich mir für die Aufnahmen stets so viel Zeit wie nötig genommen habe, ganz ohne gehetzte Blicke auf die Uhr.


Aus meiner Sicht spricht einiges für ein solches Vorgehen: Gerade die selbst auferlegte Einschränkung, sich auf mehr oder weniger zufällig am Weg auftauchende Motive zu beschränken, steigert die fotografische Herausforderung und somit den erwünschten Übungseffekt. Es geht hier nicht darum, das Spektakuläre in grandiosen, sondern das Alltägliche, ja oft sogar Banale in zumindest ordentlichen Aufnahmen festzuhalten.

Technisch stellt die Fotografie, wenn wir von einigen Sonderformen wie z.B. der Astro- oder der Unterwasserfotografie mal absehen, heutzutage sicher keine sonderlich große Schwierigkeit mehr dar. Fast alle modernen Kameras unterstützen uns inzwischen in einem Maße, wie es sich unsere Vorgänger nicht einmal erträumen konnten. Aber eines hat sich nicht geändert: Alles hängt davon ab, ob wir lohnende Motive denn überhaupt sehen und, falls ja, ihnen durch unsere Art der Bildgestaltung auch gerecht werden. Mir gelingt das, wenn überhaupt, nur mit regelmäßiger Übung.

Nun, da es auf das Ende dieses Blogbeitrags zugeht, befürchte ich fast, etwas zu viel von der Notwendigkeit des Übens und zu wenig von den Freuden der Naturfotografie geschrieben zu haben. Ich hoffe sehr, das alles klang jetzt nicht zu anstrengend und, schlimmer noch, irgendwie unfroh. Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Nehmt einfach das Beispiel von heute: Ich habe eine herrliche Wanderung gemacht, hatte dabei einen fantastischen Tag in der Natur und konnte so ganz nebenbei noch mein fotografisches Auge ein wenig trainieren. Was will man mehr?


Aber sind dabei denn jetzt auch ein paar fotografische Meisterwerke oder wenigstens einige sehenswerte Bilder entstanden? Nein, damit kann ich heute leider kaum dienen. Aber wisst ihr was? Das ist mir, ob ihr’s glaubt oder nicht, ziemlich egal – und dafür gibt’s auch einen guten Grund: Wenn ich mich selbst unter den Druck setze, unbedingt vorzeigbare Fotos machen zu müssen, dann verliere ich ziemlich schnell den Spaß an der Sache. Kein Mensch macht nämlich ständig tolle Fotos – und ich schon gar nicht.
Das kann nur schiefgehen. Da ist es doch viel besser, mit von jeglichem Erfolgsdruck unbeschwerter Freude loszuziehen und einfach die Zeit draußen zu genießen. Und das Gute daran: Je öfter ich das mache, desto besser werden meine Chancen auf das eine oder andere richtig gute Bild – einfach weil ich viel mehr draußen bin.

