Webervögel – Die emsigen Baumeister

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Schmökern

Seit Tagen will beim Blick aus dem Fenster keine rechte Freude aufkommen. Landregen, Nieselregen, Regenschauer – kurz: 50 Shades of Grey in der münsterländer Winteredition. Also definitiv kein Wetter, das so richtige Lust aufs Fotografieren machen könnte. Da sitze ich doch sehr viel lieber beim knisternden Kaminofen, einen tröstenden Single Malt in der Hand, und fühle mich dabei ein wenig wie ein schottischer Gentleman, der dem rauen Klima der Highlands trotzt. Wäre da nur nicht jenes kleine Teufelchen auf meiner Schulter. Es flüstert mir etwas ins Ohr von einem Blogbeitrag, für den noch kein einziges Foto fertig sei.

Die wohlige Wärme und der Whisky haben meine Gedanken jeglicher Klarheit beraubt, und so raunze ich mein Schulterteufelchen entgegen jeglicher Logik an, es solle sich gefälligst zum Teufel scheren und mich einfach hier sitzen lassen. Nein, bei dem Wetter wird mich ganz sicher niemand dazu bringen, eine Fototour zu unternehmen. Dieses elende Grau in Grau verspricht kein einziges brauchbares Bild. Schietwetter mag wohl manchmal für besonders fotogene Lichtstimmungen sorgen, gewiss. Aber doch nicht diese Art von Schietwetter.

Dieser Textor-Weber interessiert sich offenbar sehr für den Fotografen.

Ganz Unrecht hat mein Teufelchen leider nicht. Bald sind schon wieder zwei Wochen um und ein neuer Blogbeitrag muss her. Schließlich will ich am bewährten 14-täglichen Erscheinungstermin ja keinesfalls rütteln. Es hilft ja nichts, und so setze ich mich an den Rechner und durchforste meine Festplatte. Es werden sich doch wohl noch ein paar Bilder finden lassen, die ein wenig Farbe und vielleicht sogar einen kleinen Hauch von Wärme in diese nasskalte, triste Zeit bringen könnten.

Gesagt, getan oder besser: gesucht und gefunden. Ich entscheide mich heute ganz bewusst für die hübschen Webervögel. Genauer gesagt handelt es sich hier um Textor-Weber. Sie kommen in zwei Regionen der Welt vor: in Afrika südlich der Sahara und bei uns im Münsterland. Glaubt ihr nicht, das mit dem Münsterland? Nun ja, der Naturzoo Rheine – aufmerksame Leser wissen schon: mein Lieblingszoo – beherbergt in der Tat eine ziemlich ordentliche Anzahl Textor-Weber. Es soll sich laut einer Tafel am Eingang der begehbaren Voliere sogar um den größten Schwarm Webervögel außerhalb Afrikas handeln. Na, wenn das nicht reicht, um uns aus der Wintertristesse zu holen…

ein hübscher Bursche
Textor-Weber sind recht geschickte Kletterer.

Auf jeden Fall ist es ein besonderes Erlebnis, inmitten dieser Kolonie von weit über 150 Vögeln zu stehen und sie bei ihrem geschäftigen Treiben beobachten und fotografieren zu dürfen. Genau dies ist ja einer der Gründe dafür, dass es mich immer wieder in den Naturzoo Rheine zieht: Hier sind erstaunlich viele Gehege so eingerichtet, dass man sie als Besucher betreten kann, was natürlich das Fotografieren ungemein erleichtert. Wichtig ist natürlich für mich auch, dass dieser Zoo die Veröffentlichung der Fotos erlaubt. Ich dürfte sie ja sonst hier gar nicht zeigen. Trotz der oft ziemlich gesalzenen Eintrittspreise ist das in vielen anderen Zoos leider längst keine Selbstverständlichkeit.

Webervögel

Wie alle Webervögel gehören die Textorweber zur Ordnung der Sperlingsvögel und dort wiederum zur Unterordnung der Singvögel. Wegen ihrer Körpergröße und ihres dicken Schnabels erinnern sie mich an unsere Finken, und tatsächlich habe ich vor Kurzem in Vorbereitung auf diesen Blogartikel gelesen, dass Webervögel auch als Widahfinken bezeichnet werden. Fragt mich jetzt bitte nicht, wofür „Widah“ steht oder was es bedeutet. Ich habe keine Ahnung. Zurück zu den Webervögeln: Manche Arten leben in riesigen Schwärmen, die beim Blutschnabelweber bis zu 100.000 Individuen umfassen können. Da viele Webervögel sich zwar auch von Insekten, zum großen Teil aber von Früchten, Körnern und Samen ernähren, kann man sich gut vorstellen, dass solche Schwärme in ihrer afrikanischen Heimat recht großen landwirtschaftlichen Schaden anrichten können.

Ob sich dieser kleine Zweig wohl zum Nestbau eignet?

Die meisten Webervögel brüten in Kolonien. Charakteristisch und namengebend sind ihre kunstvoll aus biegsamen Pflanzenfasern gewobenen Nester, in die gelegentlich auch Wolle, Federn oder andere geeignete Materialien eingearbeitet sein können. Viele Arten bauen Gemeinschaftsnester von recht beeindruckender Größe.

Textorweber

„Meine“ Kolonie im Naturzoo Rheine besteht aus Textorwebern. In Freiheit lebend sind sie – wie viele Webervogelarten – Kulturfolger, suchen also die Nähe von menschlichen Ansiedlungen. Sie werden deshalb auch als Dorfweber bezeichnet. In der meisten Zeit des Jahres unterscheidet sich das Gefieder des Männchens nur wenig von dem des Weibchens. Beide sind dann am ganzen Körper gelblich-grün mit einer recht feinen, dunkleren Strichelung.

Männchen im Schlichtkleid oder Weibchen

In der Balzzeit entwickeln die Männchen hingegen ein ziemlich schickes Prachtkleid. Am Körper ist das Gefieder dann leuchtend gelb, der Kopf wird ganz schwarz, und die Flügel kombinieren beide Farben in Form eines sehr hübschen Musters. Wer nun aber meint, so ein Outfit sollte locker reichen, um auf die Weibchen hinreichend anziehend zu wirken, der liegt damit völlig falsch, denn auch die hübschesten Dorfweber müssen schon noch eine ganze Menge tun, bevor sie bei der Damenwelt landen können:

Männchen im Prachtkleid

Schaffe, schaffe, Nestle baue…

Selbst unter den Webervögeln zeichnen sich die Dorfweber noch einmal durch ihr ganz besonderes Geschick beim Nestbau aus, was ihnen auch völlig zu Recht ihren zweiten Namen Textorweber eingebracht hat. Aber sie sind nicht nur außergewöhnlich fähige Handwerker (eigentlich ja eher Krallen- und Schnabelwerker), sondern außerdem auch noch so etwas wie die Schwaben unter den Vögeln. Allerdings dürfte ihre Häuslebauer-Mentalität selbst in schwäbischen Augen wohl ein wenig übertrieben erscheinen. So ein kleiner Dorfweber baut nämlich mit großem Eifer gleich mehrere Nester, die er dann mit viel Flügelschlagen und allerlei Tamtam wie ein übereifriger Makler den möglichen Interessentinnen präsentiert.

Jeder Textorweber, der auf sich hält, baut mit viel Geschick…
…und großer Akribie gleich mehrere Nester zur Auswahl.

Madame prüft dann erst einmal sehr sorgfältig, ob eines der angebotenen Nester ihren gehobenen Ansprüchen auch genügt. Vor allem legt sie Wert auf eine Bauweise, die hungrigen Schlangen den Zutritt so schwer wie nur irgend möglich macht. Die ideale Behausung soll deshalb möglichst weit oben in den Spitzen dünner Zweige hängen. Der Eingang wiederum gehört an die Unterseite des frei schwingenden, nierenförmigen Nests. Wenn das Männchen darüber hinaus auch noch für eine solide verknotete Aufhängung gesorgt hat, dürfte alles zu ihrer Zufriedenheit sein.

Hat das Weibchen sich für eines der präsentierten Nester (und damit auch für dessen emsigen Baumeister) entschieden, dann wird es nicht nur die gesamte Innendekoration mit weichem Nistmaterial weitgehend alleine übernehmen, sondern auch das Bebrüten der 2-4 Eier und die anschließende Jungenaufzucht. Dafür hätte das Männchen auch kaum Zeit, denn es baut bereits am nächsten Nest in der Hoffnung, vielleicht noch ein weiteres Weibchen für ein kleines Schäfersekündchen zu interessieren. Der Begriff des Casanovas, der ja wörtlich „neues Haus“ bedeutet, dürfte die Dorfweber-Männchen also gleich im doppelten Sinn sehr treffend charakterisieren.

Die Weibchen sollen schließlich…
…vom Angebot so richtig beeindruckt sein.

Mir ist es immer wieder ein Vergnügen, den Textorwebern dabei zuzusehen, wie sie all dies mit großem Eifer angehen und dabei in ihrer Voliere geschäftig hin und her fliegen. Sehr gerne verharre ich bei ihnen, beobachte, versuche zu verstehen und fühle mich nach einer Weile sogar ein wenig zugehörig. Natürlich nicht als Teil dieser Dorfweber-Kolonie; aber unterscheiden wir Menschen uns in unserem rastlosen Tun, dem Wunsch zu beeindrucken und darin, eine Menge Wirbel um unsere Erfolge zu machen, wirklich so sehr von diesen emsig werkelnden Vögeln, die alles daransetzen, ihren Nachbarn mit dem Bau eines noch tolleren Nests auszustechen?

Mal ehrlich, das kann Fabian Hambüchen auch nicht besser, oder?

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