Faszination Schwarz-Weiß

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Schmökern

Heute feiert das Glaslinsenspiel nicht nur ein kleines Jubiläum, sondern es gibt zudem eine echte Premiere: Dieser 50. Blogbeitrag (hier müsst ihr euch jetzt Luftschlangen, Sekt und feierliche Musik denken) ist gleichzeitig auch der erste mit einem Schwarz-Weiß-Foto als Titelbild. Das soll aber keinesfalls eine Abkehr bedeuten von meiner typischen, nur allzu gerne in Farben schwelgenden Naturfotografie. Die wird hier ganz sicher auch in Zukunft ihren Platz haben. Dass sich heute ausnahmsweise einmal alles um monochrome Bilder dreht, ist lediglich dem Zufall und einer plötzlichen Laune zu verdanken. Aber das ist eine etwas längere Geschichte:

So manchen nasskalten Wintertag nutze ich ganz gerne, um in aller Ruhe meine Fertigkeiten im Bereich der Bildbearbeitung ein wenig auf Vordermann zu bringen. In diesem Jahr wollte ich mir endlich einmal Photoshop vorknöpfen, das ich bisher kaum nutze, obwohl es ja bei meinem Lightroom-Abo mit dabei ist. Mir liegt zwar absolut nichts daran, den Himmel in meinen Fotos auszutauschen oder mit fünf Osterglocken eine ganze Narzissenwiese vorzugaukeln, aber über diese inhaltlichen Manipulationen hinaus bietet das Programm ja doch so einige höchst nützliche Funktionen, die ich schon recht gerne beherrschen würde. Bisher nutze ich Photoshop im Grunde ausschließlich zum Fokus-Stacking. Auf diese Funktion greife ich immer dann zurück, wenn ich deutlich mehr Schärfentiefe benötige, als in einer Einzelaufnahme zu erzielen ist. Das kommt bei Makroaufnahmen sehr oft, bei Landschaftsfotos manchmal vor.

Kaum hatte ich jedoch begonnen, mich etwas gründlicher mit Photoshop zu befassen, da kam die neue Lightroom-Version heraus. Die brachte mit der stark überarbeiteten Maskierungsfunktion einige neue und spannende Möglichkeiten mit sich, und ich beschloss, Photoshop doch erst noch einmal zur Seite zu legen. Lightroom als mein Leib-und-Magen-Programm für die Bildbearbeitung hat nun einmal oberste Priorität, und so war es mir einfach wichtiger, mich so schnell wie möglich mit den neuen Masken vertraut zu machen. Da ich witterungsbedingt gerade keine aktuellen Fotos zur Hand hatte, mussten eben ein paar meiner alten Aufnahmen herhalten um zu testen, was sich mit den Neuerungen alles anstellen lässt.

Natürlich habe ich beim Testen wie immer ein wenig herumgespielt und dabei auch ein paar Fotos in Schwarz-Weiß umgewandelt. Falls ihr übrigens Lust verspüren solltet, das selbst einmal zu probieren: Es gibt dazu hier im Glaslinsenspiel einen eigenen Blogbeitrag, wo ich ganz genau und Schritt für Schritt beschreibe, wie ich dabei vorgehe. Einfach hier klicken, und schon gelangt ihr zu dem entsprechenden Artikel.

Während des Herumspielens bekam ich plötzlich Lust darauf, es dieses Mal nicht bei einer reinen Umwandlung in Schwarz-Weiß bewenden zu lassen, sondern meinen Fotos darüber hinaus noch so eine Art Retro-Look zu verpassen. Ich finde, der macht sich immer ganz gut bei monochromen Bildern, die ja von Haus aus schon ein wenig an die Fotografie vergangener Tage erinnern.

In Zeiten der analogen Fotografie habe ich hin und wieder gerne hochempfindliches Material eingesetzt. Nun ja, was damals eben so als hochempfindlich galt. Bei mir war das meistens der Agfacolor XRS 1000, ein Farbnegativfilm mit dem damals Respekt einflößenden Aufdruck „ISO 1000“. Wenn ich meinem aktuellen Sensor davon erzähle, dann muss er sich sämtliche Pixel halten vor Lachen. Damals war das aber so ziemlich das Höchste der Gefühle. Als Nebenwirkung wiesen die Abzüge ein dermaßen grobes Korn auf, dass sie ein wenig so aussahen, als seien sie auf einer Raufasertapete ausbelichtet worden. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen.

Warum ich jetzt Jahrzehnte später auf einmal den Wunsch hatte, einer Auswahl meiner Bilder genau diesen unsauberen, grobkörnigen Look des vergangenen Jahrhunderts zu verpassen, und einige von ihnen dann auch noch in recht düstere bis tiefschwarze Töne zu tauchen, das könnte vermutlich nur ein Psychoanalytiker erforschen. Irgendetwas in meiner Kindheit muss wohl ganz gehörig schiefgegangen sein.

Im Gegensatz zu vielen Fotografen, denen schon minimales Rauschen den Spaß an ihren Bildern gründlich zu verderben vermag, bin ich also dieses Mal genau ins Gegenteil verfallen und habe absichtlich für reichlich Korn gesorgt. Zwar ist mir bis heute noch nicht so ganz klar, worin sich (böses) Rauschen und (gutes) Korn unterscheiden, aber dennoch hier zum Mitschreiben: Bei sämtlichen Bildern im heutigen Blogbeitrag ist selbstverständlich kein Fitzelchen eines profanen Rauschens zu erkennen. Was ihr hier seht, das ist vielmehr alleredelstes Korn in seiner besten digitalen Form. Der Unterschied ist mindestens so groß wie der zwischen billigem Leitungswasser und unverschämt teuer vermarktetem H2O aus dem jungfräulichen Eis eines seit Jahrtausenden unberührten Gletschers. Ein wenig daran glauben muss man (beim Wasser ebenso wie beim Korn) natürlich schon.

Da ich auch gerne einmal ausprobieren wollte, wie dieser Retro-Look zu den unterschiedlichen Motiven passt, findet ihr im heutigen Blogbeitrag ebenso Tier- wie Landschaftsbilder, daneben auch Aufnahmen von Blumen; ja sogar Bauwerke sind dabei. Alles natürlich ausschließlich in Schwarz-Weiß, mal mit mehr, mal mit weniger ins Auge fallender Körnung.

Rauschen hin, Korn her: Ich mag die nostalgische Anmutung solcher Bilder. Vielleicht liegt es ja tatsächlich nur daran, dass sie mich, wenn auch nicht länger als für die Dauer eines Augenblicks, ein Stückchen weit in die Zeit meiner Jugend zurückversetzen. Ich glaube allerdings nicht, dass dies der einzige Grund ist. Irgendetwas über die reine Erinnerung an längst Vergangenes hinaus müssen die grobkörnigen Schwarz-Weiß-Fotos wohl an sich haben. Etwas, das ich zwar nicht benennen könnte, das mich aber immer wieder aufs Neue fasziniert.

Natürlich gibt es auch rein ästhetische Gründe, solche monochromen Aufnahmen zu mögen: Wegen der kompletten Abwesenheit von Farben entfällt eben auch jede Ablenkung durch sie. Somit können, ja müssen wir uns beim Betrachten der Fotos ganz auf die abgebildeten Formen und Strukturen konzentrieren. Und diese Verschiebung der Aufmerksamkeit lässt uns viele Male Gesehenes plötzlich ganz neu wahrnehmen.

Wie offenbar viele Menschen empfinde ich Schwarz-Weiß-Aufnahmen häufig als angenehm ruhig inmitten einer laut um meine Aufmerksamkeit buhlenden Welt. Nahezu überall springen uns die schrillsten Farben in die Augen mit der unübersehbaren Aufforderung, doch unbedingt dieses Waschpulver oder jenen Fertigpudding zu kaufen. Und inmitten all dieses visuellen Lärms ist da auf einmal ein Bild ganz ohne Farben, still, zurückhaltend, beinahe ein wenig schüchtern. Es fühlt sich an, als gelangte ich von einer lärmenden, sommerlich überhitzten Einkaufsstraße plötzlich in einen kleinen Innenhof, wunderbar ruhig und mit einer einladenden Bank im kühlen Schatten. Wer würde sich dort nicht gerne für eine Weile niederlassen und von all dem Trubel und der Hast draußen erholen?

Was meint ihr dazu? Wollt ihr auch zukünftig hier im Glaslinsenspiel hin und wieder ein paar Schwarz-Weiß-Bilder sehen, oder sind euch farbige Aufnahmen allemal lieber? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.

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