Die 4 Grundelemente guter Naturfotos

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Tipps & Tricks

Seit ich mich der Naturfotografie verschrieben habe, versuche ich wie jeder, der sein Hobby mit Leidenschaft ausübt, mein theoretisches Wissen, mehr aber noch mein praktisches Können Stückchen für Stückchen zu erweitern. Das klappt manchmal wie von selbst, meistens ist es aber mit ein wenig Mühe verbunden. Aber so ist das nun einmal mit dem Lernen, und es stört mich heute weit weniger als damals in der Schule. Vielleicht liegt mir die Fotografie ja auch einfach mehr als das Auswendiglernen der Regierungszeiten sämtlicher deutschen Kaiser von Karl dem Großen bis zu Olaf dem Einschläfernden.

Stellt sich natürlich die Frage, was ich denn auf meinen persönlichen Lehrplan setzen sollte, um die Qualität meiner Bilder Schritt für Schritt zu verbessern. Ich merkte jedoch schnell, dass eine Antwort nicht möglich wäre, ohne mir erst einmal über eine weitaus allgemeinere Frage Gedanken zu machen: Was zeichnet ein gutes Bild eigentlich aus? Wodurch unterscheidet es sich von einem weniger guten?

Die 4 Grundelemente guter Naturfotos: Motiv, Komposition, Licht und ein „gewisses Etwas“

Natürlich könnte man jetzt eine lange Liste von Faktoren aufführen, die alle irgendeinen Einfluss auf die Qualität von Fotos haben. Aber das schien mir der falsche Weg zu sein. Ich wollte nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Mir ging es zunächst einmal um die Grundelemente eines guten Fotos. Und hier sind sie auch schon, meine ganz persönlichen Glorreichen Vier:

  1. das Motiv
  2. die Komposition
  3. das Licht
  4. das „gewisse Etwas“

Wenn ich mir Fotos anschaue, die aus der Masse herausragen, dann meine ich immer wieder zu erkennen, dass sich ihre besondere Qualität auf einen virtuosen Umgang des Fotografen mit diesen vier Elementen zurückführen lässt. Jedes einzelne kann ein Foto zu einem besseren Bild machen, aber erst das gelungene Zusammenspiel von zwei oder drei, im Idealfall sogar aller vier lässt ein Meisterwerk entstehen.

Von eigenen Meisterwerken wage ich nicht einmal zu träumen, ganz ordentliche Bilder sollten es nach Möglichkeit aber schon werden. Also bemühe ich mich redlich, meinem Quartett aus Motiv, Komposition, Licht und dem „gewissen Etwas“ beim Fotografieren die nötige Beachtung zu schenken. Schauen wir sie uns einmal nacheinander etwas genauer an:

Das Motiv

Der Seehund ist zwar ein knuffiges Kerlchen, aber dennoch scheint dem Foto etwas zu fehlen.
Warum hat man hier weniger den Eindruck, dass etwas fehlt?

Vielleicht liegt es nah, die Qualität eines Fotos am Motiv festzumachen. Je fotogener (was auch immer dies bedeutet) das abgelichtete Motiv, desto besser das Bild. Aber kann das wirklich stimmen? Warum sehe ich dann immer wieder tolle, faszinierende Aufnahmen von belanglosen, ja im Grunde sogar recht unscheinbaren Motiven? Und warum wimmelt es in den Fotoalben dieser Welt nur so von unglaublich langweiligen Aufnahmen attraktiver Motive?

Wenn du ein besserer Fotograf sein willst, dann stehe vor interessanteren Motiven.

Jim Richardson

Mit diesem Zitat bin nicht so ganz einverstanden. Das Motiv kann ohne Frage eine große Rolle dabei spielen, ob ein Foto überhaupt wahrgenommen wird. In der täglichen Bilderflut wird ein interessantes Motiv unsere Wahrnehmungsschwelle gewiss leichter überwinden als eines, das wir so oder so ähnlich bereits tausendmal gesehen haben. Aber sollte die Qualität eines Bildes wirklich daran bemessen werden, wie viele Blicke es auf sich zu ziehen vermag? Ich habe da meine Zweifel, will aber nicht leugnen, dass es prinzipiell schon für ein Foto spricht, wenn es in der Bilderflut nicht untergeht.

Wodurch zieht dieses Motiv unsere Aufmerksamkeit auf sich?

Gerade für uns Naturfotografen kommt noch ein anderer Aspekt hinzu: Manchmal können wir eine angestrebte Bildwirkung nur über die Wahl unseres Motivs erzielen. Wo z.B. der People-Fotograf einfach sein Model bittet, sich kurz mal umzuziehen, wenn die bunten Farben der Kleidung nicht zur gewünscht düsteren Anmutung passen, werden wir in so einem Fall kaum darum herumkommen, uns nach einem geeigneteren Motiv umzusehen.

Es ist also gewiss nicht ganz falsch zu behaupten, das Motiv habe – insbesondere in der Naturfotografie – einen gewissen Einfluss nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Qualität unserer Fotos. Dennoch bin ich der Meinung, dass ein klug gewähltes Motiv alleine, so faszinierend es auch sein mag, noch längst kein gutes Bild ergibt. Schauen wir uns also den nächsten Kandidaten an:

Die Komposition

Wer als Anfänger die Gestaltungsregeln der Fotografie ignoriert, hat keinen Verstand. Wer sich aber fotolebenslang daran klammert, hat keine Phantasie.

Detlev Motz

In praktisch jedem Lehrbuch der Fotografie findet sich ein langes Kapitel über die sogenannten Kompositionsregeln, deren Beachtung unseren Bildern quasi wie von selbst zu einer ansprechenden Gestaltung verhelfen soll. Ich gebe zu, mich haben diese unzähligen, selten gut begründeten Regeln immer eher verwirrt, als dass sie mir in der Praxis geholfen hätten. Zu willkürlich schienen sich all die Dreiecke, Fibonacci-Spiralen und derlei mehr über buchstäblich jedes Bild verteilen zu lassen. Igendwann hatte ich einfach die Nase voll davon und habe mir die Freiheit genommen, sie auf die für meine Art der Fotografie wesentlichen drei Punkte einzudampfen:

  • Blende alles Ablenkende aus.
  • Betone das Hauptmotiv.
  • Schaffe eine visuelle Balance.

Unter der Voraussetzung, dass ich mein Hauptmotiv schon vorher festgelegt habe (siehe unten), komme ich mit diesen drei Leitlinien (ich spreche nicht gerne von Regeln) in der Praxis ziemlich gut zurecht. Schauen wir sie uns einmal der Reihe nach an:

Ausblenden alles Ablenkenden

Fast nichts lenkt ab vom Hauptmotiv (bis auf die dunklen Flecken oben links).

Da ich nicht einfach mit meiner Kamera durch die Gegend laufe und wahllos alles fotografiere, was mir begegnet, gibt es stets einen Grund, warum ich ein Foto machen möchte. Irgendetwas hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und den Wunsch ausgelöst, es im Bild festzuhalten. Sobald mir bewusst wird, was das war, habe ich mein Hauptmotiv und in aller Regel auch bereits eine Idee davon, welche Stimmung das Foto zum Ausdruck bringen soll. Mir hilft es, wenn ich beides in Worte fasse, also z.B. „der einsame Baum“ oder „die zarte Blüte“.

Wenn ich im weiteren Verlauf von meinem Hauptmotiv spreche, dann meine ich damit nicht nur den eigentlichen Gegenstand („Baum“), der mir als Hauptmotiv dienen soll, sondern auch die ihn betreffende Bildidee („einsamer Baum“).

Übrigens: Statt an Motive denke ich gerne an Darsteller wie im Theater. Mein Foto ist dann die Bühne, und ich stelle mir folgende Fragen: Wer ist mein Hauptdarsteller? Welche Rolle spielt er? Welchen Charakter soll er verkörpern? Welche Gefühle soll das Stück im Publikum wecken? Welche Nebendarsteller unterstützen dies alles?

Zurück zum Thema: Ich hatte oben mein Hauptmotiv zwar schon gefunden, aber wenn ich jetzt durch den Sucher oder auf den Bildschirm meiner Kamera blicke, dann werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen, dass da noch eine ganze Menge mehr Dinge zu sehen sind als mein eigentliches Motiv. In dem Fall gibt es nun genau drei Möglichkeiten:

  1. Sie unterstützen meine Bildidee rund um das Hauptmotiv.
    –> Ich beziehe sie in die Bildkomposition ein; sie werden meine Nebendarsteller.
  2. Sie lenken von ihr ab.
    –> Ich eliminiere sie aus dem Bild, z.B. durch Zoomen, Standortwechsel, Unschärfe…
  3. Sie tun weder das eine noch das andere.
    –> Ich entscheide nach Gefühl, meistens läuft es aber aufs Eliminieren hinaus.

So simpel sich das alles anhört, so schwer fällt es mir oft in der Praxis. Mal mangelt es an einer zündenden Bildidee, mal bin ich mir über die Wirkung der einzelnen Elemente nicht im Klaren. Außerdem ist es in der Praxis oft alles andere als einfach, Störendes auszublenden. Ich habe zu diesem Thema schon einmal einen ausführlichen Artikel verfasst. Falls ihr Lust habt, ihn noch einmal anzuschauen, dann klickt bitte einfach hier.

Eine kleine Anmerkung zu Weitwinkel-Objektiven

Weitwinkel-Objektive sind fast so etwas wie der materialisierte Verstoß gegen meine erste Leitlinie, alles Ablenkende auszublenden. Verzichte ich deshalb darauf, sie zu verwenden? Nein! Allerdings setze ich sie selten so ein, wie man es vom Namen her erwarten könnte. Links und rechts mehr Landschaft ins Bild zu bringen, als es mit Normal- oder gar Tele-Brennweiten möglich wäre, ergibt für mich nur sehr selten Sinn. Nein, ein WW-Objektiv erlaubt es mir vielmehr, vom sehr nahen Vordergrund bis zum weit entfernten Hintergrund alles (scharf) ins Bild zu setzen.

Vorder-, Mittel- und Hintergrund – mehr Tiefe als Breite

Mit anderen Worten: Ich nutze mein WW-Objektiv nicht für mehr Weite, sondern für mehr räumliche Tiefe im Bild. Mit interessanten Details im Vordergrund kann das nahezu dreidimensional wirkende Bilder ergeben. Ich habe sogar ersthaft darüber nachgedacht, eine vierte Leitlinie der Bildgestaltung für mich einzuführen: Erzeuge räumliche Tiefe! Aber dem stehen zu viele ausgezeichnete Naturfotos entgegen, in denen genau darauf bewusst verzichtet wurde.

Betonung des Hauptmotivs

Durch den soeben besprochenen Schritt des Ausblendens aller störenden Elemente hat mein Hauptmotiv meistens bereits eine gewisse Dominanz im Bild bekommen. In den Fällen aber, in denen neben diesem Hauptmotiv auch noch weitere sorgfältig ausgewählte Elemente im Bild zu sehen sind, mag es eine gute Idee sein, den Blick des Betrachters ein wenig an die Hand zu nehmen, damit er das Beste (also mein Hauptmotiv) nicht am Ende verpasst. Zu diesem Zweck setze ich im Wesentlichen drei Techniken ein:

führende Linien

Viele Linien führen zu der kleinen, spärlich mit Gras bewachsenen Sandanhäufung.
Treckerspur als führende Linie zur Nilgans

Führende Linien sind im Grunde genau das, was ihr Name besagt: Linien im Bild, die zum Hauptmotiv führen. Das kann z.B. ein Bach sein oder ein Weg, vielleicht auch nur eine gedachte Linie aus Felsbrocken oder manchmal gar etwas Virtuelles wie der Blick eines Tieres oder einer Person in eine bestimmte Richtung. Im Idealfall habe ich mir vorher genau überlegt, welche Elemente im Bild mir besonders wichtig sind und finde dann eine Komposition, in der die Augen des Betrachters vom einen zum anderen geführt werden.

Um ehrlich zu sein: So etwas gelingt mir nur äußerst selten. Ich bin schon froh, wenn ich hin und wieder eine halbwegs vernünftige Linie zum Hauptmotiv hinbekomme. Mit anderen Worten: Das Prinzip der führenden Linien leuchtet mir zwar ein, es selbst anzuwenden bedarf aber gewiss noch einiger Übung.

natürliche Rahmen

Rahmen aus unscharfen Blüten

Wesentlich leichter tue ich mich da schon damit, mein Hauptmotiv mit Hilfe anderer Bildelemente einzurahmen. Auch dadurch kann der Blick des Betrachters sehr gut zum Hauptmotiv gelenkt werden. Ich muss lediglich einen Vordergrund finden, der dann eine Art Rahmen um mein Hauptmotiv bildet. Die Zweige von Büschen und Bäumen eignen sich dafür fast immer recht gut, aber mit etwas Fantasie lassen sich oft auch andere geeignete Rahmen finden.

Kontraste

Kontrast zwischen weichem Wasser/Wolken und harten Felsen
Größenkontrast: kleine Menschen in monumentaler Landschaft

Betonen lässt sich das Hauptmotiv auch durch einen deutlichen Kontrast zu seiner Umgebung. Jede Art von Kontrasten, die dem Betrachter des Fotos ins Auge fallen, erweisen sich dafür als geeignet: Hell-Dunkel-Kontrast, Schärfe-Unschärfe-Kontrast, Farbkontrast, Größenkontrast…

Schaffung einer visuellen Balance

Der kleine algenbewachsene Fels balanciert das Schloss aus.

Dieser Punkt ist aus meiner Sicht der wichtigste im Bereich Bildkomposition, auch wenn er nicht ganz leicht zu fassen sein mag. Ich stelle mir mein Foto als eine Art Kinderwippe für visuelle Eindrücke vor. Sie kann in der Waage stehen oder aber mit einem Ende oben und dem anderen unten. Sitzen zwei Kinder auf einer Wippe, dann sollten sie entweder das gleiche Gewicht haben, oder das leichtere Kind muss weiter außen sitzen (wir erinnern uns: Hebelgesetz), damit die Wippe in der Waage bleibt.

Bei Fotos ist es ganz ähnlich, nur dass es hier nicht um Verteilung und Gewicht von Kindern, sondern um Verteilung und visuelles Gewicht von Bildelementen geht. Ein Beispiel wird es verdeutlichen: Fotografiere ich z.B. einen mächtigen Baum auf einer Wiese, und zwar so, dass in der linken Bildhälfte der Baum, in der rechten aber nur Wiese zu sehen ist, dann „wiegt“ die linke Seite mit Baum visuell schwerer als die rechte ohne Baum. Es kommt zu einem visuellen Ungleichgewicht (die Wippe ist nicht in der Waage). Das gilt auch dann noch, wenn ich auf der rechten (der „leichteren“) Seite einen kleinen Busch ins Bild einbeziehe. Allerdings nur, wenn der Busch keine ins Auge fallenden Merkmale aufweist. Er ist dann visuell „leichter“ als der Baum. Trägt er aber bunte Beeren, oder hat sich ein Vogel gut wahrnehmbar auf ihm niedergelassen, dann sieht die Sache schon wieder ganz anders aus.

Die Stege bilden ein Gegengewicht zu den Bergspitzen.

Ihr seht, es fällt mir nicht ganz leicht, die Sache mit der visuellen Balance zu erklären. In der Praxis ist es aber meist kein Problem, das „visuelle Gewicht“ der verschiedenen Bildelemente einzuschätzen. Wir erkennen vermutlich alle ohne Mühe, dass z.B. ein kleiner roter Fleck ebenso viel „wiegen“ kann wie ein großer grüner. Auch jede Art von Tieren oder Menschen im Bild haben ein besonders großes visuelles „Gewicht“. Ich stelle da aber keine komplizierten Überlegungen an, sondern vertraue einfach meinem Gefühl. Sobald man das Prinzip des visuellen Gleichgewichts einmal akzeptiert und verinnerlicht hat, klappt das ziemlich verlässlich.

Ruhe oder Dynamik?

Das heißt übrigens keineswegs, dass ich meine Bilder stets visuell ausbalanciere. Auch das genaue Gegenteil kann ja absolut sinnvoll sein. Das hängt letztlich alleine davon ab, welche Gefühle ich mit meinem Bild beim Betrachter auslösen möchte. Bilder in Balance vermitteln meist Ruhe und Harmonie. Sie sind in der Regel gefälliger, können aber auch schnell ein wenig langweilig wirken. Manchmal möchte ich auch gerade die gegenteilige Wirkung erzielen: Dynamik, Unruhe, ja vielleicht sogar ein gewisses Maß an Beunruhigung oder sogar Verstörung. Das alles lässt sich sehr gut durch ein starkes visuelles Ungleichgewicht beim Betrachter hervorrufen.

Faustregel für Zweifelsfälle

Nun gibt es allerdings auch recht viele Fälle, in denen ich mir gar nicht so sicher bin, ob ich eher einen ruhigen oder einen dynamischen Bildaufbau bevorzuge. Meistens vertraue ich dann ganz auf mein Gefühl. Für alle Fälle habe ich mir aber auch noch eine Art Faustregel zurechtgebastelt:

Enthält mein Foto mehrere (fast) gleichwertige Motive, dann strebe ich eine möglichst harmonische Balance an. Den Extremfall stellen Spiegelungen von Landschaften im Wasser dar. Hier bietet sich ein (spiegel)symmetrischer Bildaufbau geradezu an. Aber leider ist es nicht immer so einfach, die perfekte Balance für ein Foto zu finden. Sollte ich mir dafür selbst ein Zeugnis ausstellen, dann lautete es wohl: „Er hat sich stets bemüht.“

Symmetrische Bildkomposition


Dominiert jedoch ein einziges Motiv das Bild, dann gilt: Egal wohin, aber auf jeden Fall raus aus der Mitte damit, und zwar mindestens so weit, dass es nicht nach einem Versehen aussieht. So verfahre ich auch mit dem Horizont, den ich ebenfalls selten genau in die Bildmitte lege. Uups, bin ich da etwa ganz unversehens beinahe bei der wohl bekanntesten Kompositionsregel überhaupt gelandet, nämlich dem Goldenen Schnitt oder seiner etwas vereinfachten Form, der Drittelregel?

Dynamischere Komposition durch dezentrale Position der Möwe

Das Licht

Zum Licht habe ich ein ziemlich zwiespältiges Verhältnis. Einerseits bezweifle ich nicht, dass dieses Element oft weitaus mehr als jedes andere darüber entscheidet, ob ein besonderes Foto entsteht. Andererseits aber muss man in der Natur-, speziell in der Landschaftsfotografie für das beste Licht, nämlich jenes vor, während und kurz nach dem Sonnenaufgang, verdammt früh aufstehen. Und wenn ich eines nicht bin, dann ein begeisterter Frühaufsteher. In der Hinsicht habe ich mir wohl leider das falsche Hobby ausgesucht

Silberreiher zur goldenen Stunde

Nach all den Jahren motiviert mich immer noch die Ausstrahlung, die das Licht erzeugt, wenn es ein Objekt in etwas Magisches verwandelt.

Ruth Bernhard

Ich kann allen, die am frühen Morgen keine Probleme mit dem Aufstehen haben, nur raten, die ersten Stunden des Tages zu nutzen. Noch im Dunkeln die gewünschte Location aufzusuchen, dort seine Kamera aufzustellen und ganz in Ruhe erst in der blauen, dann in der goldenen Stunde zu fotografieren, bietet die größten Chancen auf besondere Fotos und ist darüber hinaus einfach ein wunderbares Naturerlebnis.

Noch vor Sonnenaufgang fliegen die Gänse ein.
Sonnenaufgang am Strand

Mir nun aber vorzunehmen, von jetzt an regelmäßig in aller Frühe aufzustehen, dieser Versuch wäre, da bin ich mir sicher, zum Scheitern verurteilt. Nur hin und wieder, wenn mein innerer Schweinehund mal Ausgang hat, kann ich mich dazu aufraffen. Da das aber recht selten der Fall ist, habe ich mir für die anderen Fototage eine alternative Strategie zurechtgelegt. Eigentlich ist es keine ausgefeilte Strategie, sondern eher der Versuche, das Beste aus einer erkannten Schwäche zu machen.

Auch der späte Vogel fängt so manchen Wurm

Goldene Stunde am Abend
Sonnenuntergang
Noch später am Abend in der blauen Stunde aufgenommen.

Als typischer Langschläfer bin ich eher der Abend- und Nachtmensch. Mag ich auch morgens die blaue und goldene Stunde wohl meistens verpassen, so bietet mir der Abend doch eine zweite Chance. Dann gibt es diese wunderbaren Lichtstimmungen ja noch einmal, nur eben in umgekehrter Reihenfolge. Wenn andere längst gemütlich beim Abendessen sitzen oder C- bis F-Promis dabei zuschauen, wie sie irgendetwas Ekliges in sich hineinwürgen, kann ich in aller Ruhe die Fotos nachholen, die ich am Morgen nicht gemacht habe.

Im Großen und Ganzen fahre ich damit recht gut, auch wenn ich zugeben muss, dass der Morgen dennoch ein paar Vorteile für sich ins Feld führen kann. So gibt es manche fotogene Phänomene am Abend schlicht und einfach nicht mehr. Spontan fallen mir da wunderschöne Tautropfen, noch bewegungsunfähige Insekten oder auch herrlicher Frühnebel ein. Außerdem ist die Luft morgens meist klarer, was dem Licht eine Qualität verleiht, die abends schwerlich zu finden sein dürfte.

Der frühe Vormittag – zu Unrecht oft verkannt

Seitenlicht kurz nach Sonnenaufgang

Dass ich gerne ausschlafe, heißt ja nicht gleich, ich käme frühestens am Mittag aus den Federn. So bleiben mir nach dem Sonnenaufgang je nach Jahreszeit durchaus noch ein oder zwei Stündchen, in denen das Licht meine Motive vielleicht nicht mehr optimal, aber doch immer noch sehr vorteilhaft beleuchtet. Es soll sogar Profis geben, denen die frühen Vormittags- und die späten Nachmittagsstunden die liebsten sind.

Blauelster am frühen Vormittag in einer Blumenwiese

Verstehen kann ich das schon, und zwar nicht nur, weil es mir als Langschläfer so wunderbar in den Kram passt. In diesen Stunden ist das Licht immer noch angenehm weich, man läuft aber nicht mehr Gefahr, ein kitschig-buntes Foto zu bekommen, was in der blauen und noch leichter in der goldenen Stunde schnell einmal passieren kann. Außerdem steht die Sonne in diesen Zeiten noch oder schon wieder so niedrig, dass Aufnahmen mit Seiten- und vor allem Gegenlicht sehr viel einfacher werden. Aber da bin ich schon beim nächsten Punkt:

Gegenlicht geht immer

Aufnahme im Gegenlicht, hier bei noch recht hoch am Himmel stehender Sonne

Es mag vielleicht schlechtes Fotolicht geben, aber nach meiner Erfahrung gibt es kein schlechtes Gegenlicht. Für dokumentarische Fotos ist es sicher kaum zu gebrauchen, aber dafür lassen sich im Gegenlicht herrlich atmosphärische Aufnahmen realisieren. Ob ganze Landschaften oder einzelne Blumen, ob Tiere oder auch Makroaufnahmen: Gegenlicht ist fast immer eine ausgezeichnete Idee.

Prachtkerze im Gegenlicht

Natürlich wird es etwas schwierig, aber keineswegs unmöglich, Gegenlichtaufnahmen zu realisieren, wenn die Sonne hoch am Himmel steht. Aber mit einem sehr niedrigen Kamerastandpunkt direkt am Boden lässt sich selbst dann noch so einiges machen. Blumen erhalten, von unten gegen den Himmel fotografiert, zum Beispiel oft einen ganz eigenen Reiz.

Mittags ist Makrozeit

Makroaufnahme bei diffusem Licht
Makroaufnahme an einem kleinen Schattenfleckchen

Die harte Mittagssonne ist insbesondere bei Landschaftsfotografen, aber auch ganz generell in der Naturfotografie zu Recht unbeliebt. Für wirklich gute Bilder taugt sie in der Tat kaum, auch wenn es natürlich immer auf die konkrete Situation und noch mehr auf den Fotografen ankommt. Was sich aber auch noch in der prallsten Mittagssonne problemlos auf den Sensor bannen lässt, sind Nah- und Makroaufnahmen.

Folglich schraube ich irgendwann am späteren Vormittag mein Makroobjektiv auf die Kamera und suche mir hübsche kleine Motive an einem schattigen Platz. Wenn der, z.B. in einer Blumenwiese, nicht zu finden sein sollte, mache ich mir den Schatten eben selbst. Notfalls genügt dafür mein Fotorucksack oder sogar mein eigener Körper. Ich bitte darum, von dem naheliegenden Witz abzusehen, dass dies bei dem Körper auch kein Wunder sei. Um die Sache noch ein wenig flexibler zu gestalten, habe ich aber auch stets einen kleinen Faltreflektor dabei, der mir ohne reflektierenden Überzug als Diffusor dient. Wenn ich den zwischen die Sonne und mein Motiv halte, bekomme ich ein wunderbar weiches und dennoch sehr helles Licht. Für Makroaufnahmen findet sich nicht leicht etwas Besseres.

Gutes Licht bei schlechtem Wetter

Kurz vor dem Wolkenbruch

Da mir nun einmal frühes Aufstehen eine rechte Plage ist, habe ich mich entschlossen, ansonsten nicht allzu wählerisch zu sein. Und so ziehe ich auch bei schlechtem Wetter mit meiner zum Glück sehr wasserfesten Kamera los. Regen und Nebel können Bildern ohnehin einen kleinen Extrakick geben. Darauf werde ich später noch ausführlicher zu sprechen kommen. Hier soll es jetzt erst einmal nur um das Licht gehen.

Die Sonne durchbricht bei heftigem Regen die Wolkendecke.

Gerade bei ausgesprochenem Schietwetter ergeben sich häufig die fantastischsten Lichtsituationen, wenn auch meist nur für einen kurzen Moment. Schon alleine dafür lohnt es sich, die Unbillen des Wetters tapfer zu ertragen. Ordentlicher Regen erhöht – nebenbei bemerkt – darüber hinaus auch meine Chance auf gute Fotos von allerlei Tieren, da sie mich dann nicht so leicht hören und ich somit näher an sie herankomme.

Der bedeckte Himmel – eine Softbox vom Feinsten

Das herrlich diffuse Licht eines bedeckten Himmels sollte man meiner Ansicht nach nicht unterschätzen. Schließlich legen Porträtfotografen sich riesige Softboxen zu, um einen ähnlichen Effekt im Studio zu simulieren. Ich finde, so eine nahezu schattenfreie Ausleuchtung funktioniert auch in der Naturfotografie oft ganz ausgezeichnet. Zum Beispiel stellt mich Sonnenschein im Wald immer vor ziemliche große Probleme: Der ansonsten eher dunkle Waldboden wird von hellen Lichtflecken übersät, was die Fotos meistens viel zu unruhig werden lässt. Unter einem bedeckten Himmel gibt es diese Schwierigkeit hingegen nicht.

Kranichfamilie unter dem weichen Licht eines bedeckten Himmels

Diffuses Licht kann sich also sehr segensreich auf meine Bilder auswirken. Nur eine Sache versuche ich dabei fast immer zu vermeiden: Da ein bedeckter Himmel im Foto je nach Belichtung entweder hässlich weiß oder langweilig grau aussieht, blende ich ihn so gut es geht aus meinen Aufnahmen aus. Ein engerer Bildausschnitt ist deshalb oft die beste Wahl.

Das „gewisse Etwas“

So sieht man Schneeglöckchen selten.

Vielleicht habt ihr euch ein wenig gewundert, dass ich bisher die technische Qualität eines Fotos noch gar nicht ins Spiel gebracht habe. In diesem Kapitel besteht dafür nun die letzte Chance – und wieder werde ich sie nicht nutzen. Warum? Nun, erstens ist es mit modernen Kameras ziemlich leicht geworden, technisch einwandfreie Bilder zu produzieren. Denken wir nur an Augen-Autofokus (sogar bei Tieren), Histogramme, rasend schnelle Bildfolgen oder den enormen Dynamikumfang aktueller Sensoren.

Zum anderen gehört die perfekte technische Ausführung eines Fotos, auch wenn sie keineswegs unwichtig ist, einfach nicht in meine Top 4 jener Faktoren, die über seine Qualität entscheiden. Ich würde ja auch einen Roman nicht danach beurteilen, wie sauber er gedruckt wurde. Oder einen Song von Tina Turner ablehnen, nur weil ihre Stimme nicht für Opernarien taugt.

Die Tatsache, dass eine – im konventionellen Sinn – fehlerhafte Fotografie gefühlsmäßig wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind, zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht.

Andreas Feininger

So, es war mir wichtig, das loszuwerden. Jetzt möchte ich aber wirklich die nicht ganz einfache Aufgabe angehen, mein sehr schwammig formuliertes viertes Element guter Naturfotos, nämlich das „gewisse Etwas“, ein wenig greifbarer zu machen.

Ich hätte einen aussagekräftigeren Namen gewählt, wenn die Sache eindeutig wäre. Das ist sie aber eben nicht. Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass es in vielen herausragenden Fotos neben dem Motiv, der Komposition und dem Licht noch ein i-Tüpfelchen, eine kleine Besonderheit, eben dieses schwer greifbare „gewisse Etwas“ gibt. Da ich es nicht wirklich gut beschreiben kann, sollen mir die folgenden Beispiele zur Erläuterung dienen:

Der entscheidende Moment

Nur wenige Minuten „spiegelten“ die Wolken die Struktur der Hügel.
Paarung zweier Streifenwanzen Hinterleib an Hinterleib

Henri Cartier-Bresson war es, der den Begriff des „entscheidenden Augenblicks“ geprägt hat. Auch heute noch ist er vor allem im fotografischen Genre der Street-Fotografie verbreitet. Ich finde aber, dass der Moment, in dem wir den Auslöser drücken, auch in der Naturfotografie oft eine außerordentlich große Rolle spielt, ja sogar häufig den Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem wirklich guten Bild ausmacht.

Ich denke dabei an so etwas wie einen Eisvogel exakt beim Wiederauftauchen, den kurzen „Luftkampf“ zweier Grünfinken oder den Moment, in dem ein Schmetterling seinen Saugrüssel in eine Blüte steckt. Aber selbst in der vermeintlich geruhsamen Landschaftsfotografie kommt es manchmal darauf an, den richtigen Augenblick zu erwischen: eine besondere Wolkenformation, ein Regenbogen, eine sich schnell verflüchtigende Lichtstimmung… Aber damit sind wir schon beim nächsten Punkt:

Schietwetter

Geheimnisvolle Nebelstimmung
Aufgenommen im strömenden Regen, der sich anschickte, zum Wolkenbruch zu werden.

Immer dafür gut, unseren Bildern das „gewisse Etwas“ mitzugeben, sind praktisch all jene Wetterphänomene, die wir lieber gemütlich zu Hause am warmen Ofen sitzend vorüberziehen lassen würden. Es lohnt sich aber fast immer, gerade dann die Kamera zu schnappen und nach draußen zu gehen. Natürlich habe ich oft keine rechte Lust dazu, aber Schietwetter ist nun einmal meistens eine ziemlich sichere Bank für gute Fotos. Angefangen bei Regen über Nebel, Schneetreiben, Sturm bis hin zu Gewitter bietet schlechtes Wetter erstaunlich viele Gelegenheiten für Bilder mit dem kleinen Extrakick.

Farben

Wenn ich mir Bilder von herausragenden Naturfotografen anschaue, dann habe ich manchmal den Eindruck, sie hätten bei der Wahl ihrer Motive in erster Linie auf die Farben und deren Zusammenspiel geachtet. Also nicht: „Ich fotografiere jetzt einen Fliegenpilz.“ Sondern: „Ich benötige noch etwas Rot im Bild, da kommt mir dieser Fliegenpilz gerade recht.“ Natürlich weiß ich, dass auch für die größten Fotokünstler keine Fliegenpilze wachsen, wo sie es gerne hätten. Deshalb habe ich ja auch von einem Eindruck gesprochen und nicht behauptet, es sei tatsächlich so.

Monochromes Bild in verschiedenen Grüntönen
Herbstfarben

Ich bin mir aber sehr sicher, dass es viele meiner Fotos deutlich verbessern könnte, wenn ich bei der Auswahl der Bildelemente mehr als bisher auf die Farben achtete. Deshalb werde ich mich demnächst sicher einmal etwas intensiver mit der Farbenlehre befassen. In dem Punkt bin ich derzeit noch etwas schwach auf der Brust. Um ganz ehrlich zu sein: Wenn ich beim Fotografieren überhaupt einmal an den Zusammenklang der Farben denke, dann entscheide ich ausschließlich nach Gefühl – und das ist in dem Punkt alles andere als verlässlich.

Das Außergewöhnliche

Zwar kein besonders gutes Foto, aber immerhin ein in Europa seltenes Ichneumon

Kürzlich ging ein ganz ungewöhnliches Foto viral durch die Medien: Es zeigte einen Tiefseefisch mit innen liegenden Augen. Das heißt, seine Augen sind nicht wie bei allen anderen Tieren außen angebracht, sondern sie befinden sich im Schädelinneren. Der Trick dieses Fisches: Sein Kopf ist durchsichtig. Ein absolut bizarrer Anblick. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Und genau darin lag die enorme Wirkung dieses Fotos. Es zeigte nicht nur ein schönes Motiv (eigentlich war es nicht einmal schön), sondern etwas absolut Ungewöhnliches.

Ein nicht alltägliches Bild: Reiter durchqueren einen Fluss.
Geschälte Korkeichen sind zumindest für uns ein ungewöhnlicher Anblick.

Einen ähnlichen Effekt hatten z.B. die ersten Makroaufnahmen, die uns etwa ein Insekt so stark vergrößert präsentierten, wie wir diese Tiere nie zuvor gesehen haben. Leider hat das Außergewöhnliche die Eigenschaft, nicht lange außergewöhnlich zu bleiben. Alles verliert seinen Reiz des Besonderen, wenn wir es schon einmal gesehen haben. Es wird somit nicht leicht sein, unsere Bilder auf diese Weise aufzupeppen.

Bilder, die eine Geschichte erzählen

Was den Nachbarschaftsstreit wohl verursacht haben mag?
Wird der Geduldsfaden reißen?

Möglicherweise ist der Begriff des Storytellings in letzter Zeit etwas zu sehr in Mode gekommen, mag sein. Und genau genommen erzählen Fotos ja auch nicht wirklich Geschichten. Aber sie zeigen uns manchmal etwas, dass in unserem Kopf sofort eine solche entstehen lässt, indem wir das Geschehen, welches sich vor oder nach der Aufnahme abgespielt haben muss, in Gedanken ergänzen. Wenn uns ein solches Foto gelingt, eines, das vor unserem inneren Auge eine Geschichte entstehen lässt, dann dürfen wir uns ruhig einmal selbst anerkennend auf die Schulter klopfen.

Emotionen

Emotionen pur

Alles, und ich meine damit wirklich alles, wovon in diesem Artikel bisher die Rede war, wird für mich in dem Moment zweitrangig, in dem sich mir draußen in der Natur die Chance auf ein emotionales Foto bietet. Manchmal berührt mich ein Moment, ein Anblick, eine Situation so sehr, dass ich gar nicht anders kann, als zu versuchen, dieses Gefühl mit meiner Kamera einzufangen. Und wenn ich Glück habe, aber nur dann, gelingt mir vielleicht ein Foto, das später auch im Betrachter eine ganz ähnliche Emotion hervorzurufen vermag.

Niedliches Kälbchen dicht bei seiner Mama
Genießerischer Präriehund

Glück brauche ich dafür auf jeden Fall. Erzwingen kann man das nicht, aber es gilt auch in diesem Fall der Spruch vom Glück des Tüchtigen. Je mehr Zeit ich draußen in der Natur verbringe, desto wahrscheinlicher werde ich Gelegenheiten zu guten und eben immer wieder einmal auch zu emotionalen Fotos bekommen. Und je öfter ich die Anwendung all der oben beschriebenen Leitlinien übe, desto mehr werden sie mir hoffentlich in Fleisch und Blut übergehen. Das wiederum sollte meine Chance auf ordentliche, machmal vielleicht sogar richtig gute Bilder erhöhen, auf solche, die mir auch Jahre später noch gefallen werden.

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