Wieder einmal am Jadebusen

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Reisen

Um Ende Januar, Anfang Februar herum war ich wieder einmal am Jadebusen. Diese vielleicht nicht ganz so bekannte Nordseebucht habe ich bereits früher häufiger aus geschäftlichen Gründen besucht und dann hin und wieder noch einen oder zwei private Tage zum Fotografieren drangehängt. Geschäftlich gibt es für mich keinerlei Anlass mehr für eine Fahrt dorthin, aber mit der Zeit ist mir diese Region gerade wegen ihres etwas raueren Charmes, aber mehr noch wegen ihrer reichhaltigen Vogelwelt ans Herz gewachsen. Ich besuche sie deshalb immer wieder gerne.

Offenbar habe ich im Familienkreis so sehr davon geschwärmt, wie erholsam es dort im Winter sein kann, dass ich dieses Mal nicht alleine reisen musste. Wie schön! Dafür war ich sehr gerne bereit, einen kleinen Kompromiss einzugehen: Hatte ich mich sonst dort stets ausschließlich der Vogelfotografie gewidmet, wollten wir uns nun zusammen, so der Plan, auch ein wenig mehr von der Gegend anschauen.

typisch unspektakuläre Landschaft am Jadebusen

Wangerland

Obwohl wir uns ein Hotel in Dangast als Quartier ausgesucht hatten, geht es zunächst einmal ein Stückchen weiter Richtung Nordwesten ins Wangerland. Bereits am frühen Vormittag treffen wir bei herrlichem Sonnenschein und Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt in Hooksiel ein. Es ist schon erstaunlich, wie tot ein beliebter Urlaubsort jetzt außerhalb der Saison wirken kann. Selbst die örtliche Bäckerei hat ihre Ladentür für mehrere Wochen komplett geschlossen. Trotzdem erliegen wir ziemlich schnell dem auch im Winter spürbaren Charme dieses Örtchens mit seinem alten Sielhafen.

Muschelmuseum in Hooksiel
einladend wirkende Teestube
historische Packhäuser am alten Hafen

Nach einem ausgiebigen Rundgang durch das hübsche Hooksiel geht es für uns erst einmal noch ein Stückchen weiter gen Norden. Wir sind jetzt an der nordwestlichsten Ecke des Jadebusens angekommen. In Minsen-Förrien, wo ich die beiden nächsten Fotos aufgenommen habe, entdecken wir so etwas wie „das friesische Bullerbü“. Wir finden, diese Beschreibung in unserem Reiseführer trifft die Sache ziemlich gut.

Ein Idylle, die tatsächlich…
…an das Bullerbü unserer Kindheit erinnert.

Der Gegensatz zu dem nächsten Ort auf unserer Liste könnte wohl kaum größer sein. In Schillig erwarten uns moderne Hotelkästen, ein riesiger, um diese Jahreszeit aber noch geschlossener Campingplatz und eine sehr ungewöhnliche, ebenfalls moderne Kirche. Alles zusammen sieht zumindest jetzt im Winter so gar nicht einladend aus. Andererseits passt die wellenförmige Kirche, auch wenn sie wegen ihrer Mauern aus grauem Backstein nicht gerade anheimelnd wirkt, aufgrund ihrer maritim anmutenden Architektur doch ganz wunderbar hier ans Meer.

Die grauen, wellenförmigen Backsteinmauern der katholischen Kirche in Schillig…
…erstrahlen im Licht der tief stehenden Wintersonne beinahe golden.

Alles in allem ist Schillig sicher nicht besonders hübsch, hat aber dafür einen richtigen, ausgedehnten Sandstrand zu bieten. Dieser Vorzug ist am Wattenmeer alles andere als selbstverständlich und wahrscheinlich der Grund dafür, warum es im Sommer so viele Camper und andere Urlauber hierher zieht. Auch wir lassen uns diese Gelegenheit zu einem ausgedehnten Strandspaziergang nicht entgehen.

Der Sandstrand von Schillig bietet beim Sonnenbaden immer wieder den Blick…
…hinüber zu den „großen Pötten“ auf ihrem Weg zum Jade-Weser-Port, dem modernen Containerhafen.

Bevor wir nach unserem Strandspaziergang Schillig wieder verlassen, legen wir noch einen kurzen Stopp am Campingplatz ein. Im Winter, wenn er geschlossen ist, gilt er nämlich als einer der besten Orte, um verlässlich Ringelgänse anzutreffen. So müssen auch wir nicht lange suchen, bis wir einen kleinen Trupp dieser hübschen Vögel finden.

Im Winter gehört der Campingplatz in Schillig den Ringelgänsen.

Da wir heute sehr früh aufgestanden sind, beschließen wir, uns so allmählich auf den Weg nach Dangast zu unserem Hotel zu machen. Zuvor stehen aber doch noch zwei Punkte auf unserem Programm: Da ist zuerst einmal die malerische Accamer Mühle in Schortens, die uns zu einem Zwischenstopp einlädt. Sie stammt aus dem Jahr 1746 und ist damit die älteste deutsche Mühle vom Typ Galerieholländer.

Accumer Mühle in Schortens
Baujahr 1746
Die Windrose dreht das Flügelkreuz automatisch richtig zum Wind.

Der letzte Programmpunkt vor der Ankunft im Hotel ist dann eine kleine Reminiszenz an jene Tage, die ich früher alleine hier mit meiner Kamera verbracht habe. Weil es um diese Jahreszeit so ab ca. 16.00 Uhr ohnehin zu dunkel für weitere Aufnahmen wird, bin ich immer im Anschluss an meine Fototouren zum Aufwärmen auf ein Kännchen Friesentee in ein kleines, im besten Sinne altmodisches Café in Varel eingekehrt. An diese Tradition knüpfen wir gerne an, und so wird die gemütliche Teestunde im Vareler Schlosscafé ab heute zu einem unverzichtbaren Bestandteil unserer Tage hier am Jadebusen.

Butjadingen

Waren wir gestern noch westlich des Jadebusens im Wangerland unterwegs, so geht es heute auf seine östliche Seite nach Butjadingen. Auf dem Weg zu unserem ersten Ziel, dem Innengroden bei Beckmannsfeld, ist noch nicht so ganz klar, welches Wetter uns heute erwartet. Aber kaum treffen wir am Parkplatz ein, schon dringen die ersten Sonnenstrahlen zu uns durch und der dichte Nebel beginnt sich aufzulösen. Das geht mir beinahe schon zu schnell. In allerhöchster Eile schaffe ich gerade eben noch ein einziges Bild von dieser besonderen Lichtstimmung.

sich auflösender Morgennebel über einer Pütte

In früheren Jahren habe ich genau an diesem Abschnitt des Wattenmeers einige recht nette Aufnahmen von verschiedenen gefiederten Wintergästen machen können. Heute jedoch sieht die Lage leider ein wenig anders aus. Wir genießen den Spaziergang, der uns am Schilfgürtel entlangführt, trotz des eisigen Windes zwar sehr, aber besonders viel Fotoglück ist mir dabei nicht beschieden. So bleibt es bei Landschaftsaufnahmen, ergänzt um ein paar Fotos der über uns kreisenden Weißwangengänse.

am Innengroden bei Beckmannsfeld
Weißwangengänse (oft auch als Nonnengänse bezeichnet)

Für uns geht es nun weiter in den Norden nach Fedderwardersiel. Allerdings ist es nicht so sehr der Ort selbst, der uns herlockt, sondern vielmehr der Rundweg durch den Langwarder Groden. In der Fachliteratur wird er immerhin als eine der besten Vogelbeobachtungstellen in ganz Butjadingen angepriesen. Aber irgendwie ist heute nicht unser Tag. So weit wir auch laufen und immer wieder Ausschau halten: absolut kein Federvieh in Sicht.

Krabbenkutter im Hafen von Fedderwardersiel bei Niedrigwasser
Blick vom Hafen in Richtung des Rundwegs
Die beiden Schafe sind schlauer als wir und vertrauen auf Gummistiefel.

Das heißt aber keineswegs, dass wir nun bitter enttäuscht sind. Ganz und gar nicht. Es macht nämlich auch so enorm viel Freude, durch diese ganz besondere Landschaft zu wandern. Und selbst meine Kamera kommt auf ihre Kosten. Dieser Tag wird vermutlich als derjenige in die Annalen eingehen, an dem ich mehr Schlamm fotografiert habe als an allen anderen Tagen zusammen. Die golden leuchtende, um diese Jahreszeit selbst am helllichten Tag wunderbar tief stehende Sonne schafft es, aus dem so typischen Schlamm des Wattenmeeres eine äußerst fotogene Landschaft zu modellieren. Schaut euch einfach mal die Bilder an. Vielleicht könnt ihr meine frisch entfachte Leidenschaft für … nun ja … eben Schlamm dann verstehen.

Im richtigen Licht…
…ergibt selbst Schlamm ein recht ansprechendes Bild.
Gegen die Sonne fotografiert sieht alles beinahe unheimlich aus.

Selbstverständlich beschließen wir auch diesen Fototag wieder in „unserem“ kleinen, gemütlichen Café. Etwas später am Abend machen wir noch einen Spaziergang am Vareler Hafen. Im Anschuss daran lassen wir uns den leckeren Fisch im Restaurant Hafenblick, einer echten Traditionsgaststätte, schmecken.

Vareler Hafen im allerletzten…
…Anflug von Abendrot

Endlich Federvieh

Bisher hatten wir zwar zwei sehr schöne Tage am Jadebusen, aber das liebe Federvieh erwies sich leider als wenig kooperativ. Heute ist es dann auch erst einmal vorbei mit dem Sonnenschein und wir beschließen, erst gar keine längere Tour zu unternehmen. Stattdessen geht’s gleich bei uns um die Ecke an den Strand von Dangast. Wie ich von meinen früheren Aufenthalten weiß, stehen hier im Winter die Chancen gar nicht so schlecht, auf einige hübsche Vertreter der Vogelwelt zu treffen. Und tatsächlich… Aber seht selbst:

Kaum habe ich die Kamera herausgeholt, schon stakst ein Großer Brachvogel einsam durchs Watt und stochert mit seinem langen, gebogenen Schnabel nach Leckereien, worunter er in erster Linie fangfrische Wattwürmer in Sandpanade versteht.

Große Brachvögel
Wer hier satt werden will, der sollte sich vor Schlamm nicht fürchten.

Auch der Rotschenkel ist eifrig unterwegs, um sich seinen Bauch vollzuschlagen. Die Beinchen bleiben dabei nicht lange so leuchtend rot.

Rotschenkel

Auch dem Alpenstrandläufer (eigenartiger Name, oder?) geht es nicht anders. Er hat sich sogar sein Gefieder ganz schön verdreckt.

Alpenstrandläufer

Krickenten nutzen ihren Schnabel hingegen nicht als Pinzette. Sie durchsieben das Wasser vielmehr nach allem Essbaren. Sie scheinen dabei mehr bäuchlings auf dem Schlamm zu rutschen als im Wasser zu laufen, wobei sie ihr Köpfchen unaufhörlich nach links und rechts bewegen.

Krickenten
Krickenten-Erpel
landender Krickenten-Erpel

In den schier endlosen Weiten des Watts sehen wir immer wieder Vögel, die einsam nach ihrer Nahrung suchen. Anderseits treffen wir aber auch nicht selten auf riesige Schwärme. Mir macht es jedenfalls große Freude, beide Szenarien in meinen Fotos festzuhalten.

Austernfischer in der Einsamkeit des Watts
sehr kleiner Ausschnitt eines riesigen Rotschenkel-Schwarms

Unser letzter Tag am Jadebusen

Im Hotel mussten wir zwar am Vormittag auschecken, aber wir haben es kein bisschen eilig, den Jadebusen schon wieder zu verlassen. Leider ist das Wetter ebenso nasskalt wie am Vortag, doch heute bläst der Wind uns beinahe die Mützen von den Köpfen. Aber was soll’s? Einen letzten Versuch wollen wir noch unternehmen, auch wenn ich mit unserer Ausbeute von gestern im Grunde schon recht zufrieden bin. So fahren wir zum Wapelersiel.

Als wir dort ankommen, scheinen bereits zwei Kormorane nur darauf zu warten, dass ich ein Foto von ihnen mache. Nun, sie werden sich wohl noch ein Weilchen gedulden müssen, denn gerade in diesem Moment zieht ein kleiner Trupp hübscher Pfeifenten vorbei. Die will ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen. Anschließend kommen die Kormorane dann selbstverständlich auch noch an die Reihe.

Pfeifenten
Pfeifenten-Erpel
Kormorane

Trotz des heute sehr unfreundlichen Wetters (und das ist nett ausgedrückt) machen wir uns nun auf den Weg zum Salzwiesen-Lehrpfad bei Cäciliengroden. Vermutlich kann man von diesem Bohlenweg aus zu einer passenderen Jahreszeit unzählige gefiederte Salzwiesen-Bewohner bei ihrem geschäftigen Treiben beobachten. An einem Tag wie heute sind wir jedoch die einzigen Besucher. So verrückt ist offenbar niemand sonst, weder Mensch noch Geflügel. Allerdings werden wir durch die recht gut aufbereiteten Informationstafeln entschädigt, die einen interessanten Überblick über die Bedeutung des Ökosystems „Salzwiese“ vermitteln. Wenn es doch nur nicht so fürchterlich windig und kalt wäre!

Salzwiesen-Lehrpfad bei Cäciliengroden

Unser nächstes Ziel ist das hübsche Örtchen Neustadtgödens, heute ein Ortsteil der gemeinde Sande. Beim Bummel durch die gemütlichen Gassen fallen uns vor allem die vielen Gildeschilder über den Hauseingängen auf. Wir fühlen uns zurückversetzt in eine Zeit, als gleich neben dem „Kopperschmidt“ und dem „Peerhannel“ der „Chirurgus“ sein Handwerk betrieb.

Neben den Gildeschildern sind die vielen unterschiedlichen Gotteshäuser (reformierte, lutherische, katholische Kirche, Mennonitenkirche, Synagoge) eine recht erstaunliche Besonderheit dieses Örtchens. Vom 17. bis weit hinein ins 19. Jahrhundert durften sich hier Menschen aller Glaubensrichtungen willkommen fühlen. Deshalb strömten viele Religionsflüchtlinge aus anderen Gegenden, z.B. auch aus den Niederlanden, herbei und sorgten hier mit ihren unterschiedlichen Fertigkeiten für eine wirtschaftliche Blüte, insbesondere was den Handel und das Handwerk betraf.

Neustadtgödens

In einem Feuchtgebiet am Ortsrand von Neustadtgödens besuchen wir im Anschluss an unseren Bummel noch die Wedelfelder Wasserschöpfmühle. Sie diente von 1844 bis 1962 der notwendigen Entwässerung. Auch heute ist sie noch einsatzfähig, was der ortsansässige Heimatverein immer wieder einmal unter Beweis stellt. Es handelt sich – etwas untypisch für Friesland – nicht um eine Mühle des Typs Galerieholländer wie die Accumer Mühle (s.o.), sondern um eine der Bauart Erdholländer. Ihre Aufgabe erfüllte sie, indem sie gleich zwei große archimedische Schrauben antrieb.

Wedelfelder Wasserschöpfmühle
archimedische Schraube zur Entwässerung
ebenerdig zugänglicher Steert, um die Flügel passend in den Wind zu drehen

Auch diesen letzten Tag lassen wir wieder bei einem Kännchen Friesentee in jenem kleinen Café ausklingen, wo man uns inzwischen bereits wie Stammgäste behandelt. Nun, für dieses Mal werden wir uns jetzt dennoch verabschieden müssen, um uns anschließend auf den Heimweg zu machen. Aber wir versprechen der freundlichen Bedienung, schon bald wiederzukommen. Vielleicht wählen wir dafür ja mal eine andere Jahreszeit um zu schauen, welche Vögel sich dann hier am Jadebusen so herumtreiben.

Immerhin gehört das Weltnaturerbe Wattenmeer zu den artenreichsten Lebensräumen unserer Erde, nur noch vergleichbar mit dem Regenwald. Ich müsste allerdings lügen, wenn ich behaupten wollte, dass man als Fotograf deshalb jederzeit mühelos aus dem Vollen schöpfen könnte. An manchen Tagen ist es tatsächlich so. Falls ihr so einen Tag dort einmal erwischen wollt, dann fragt am besten vorher bei mir nach, wann ich plane, wieder hinzufahren … und wählt auf jeden Fall einen anderen Zeitraum. Ich bin sicher, damit werden sich eure Chancen auf eine reichhaltige Fotoausbeute deutlich erhöhen.

Spektakuläres Wimmelbild des Wattenmeers, seinen enormen Artenreichtum eindrucksvoll in Szene setzend

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