Zauberhafter Raureif

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Schmökern

Im letzten Blogbeitrag ging es um Bilder, die ich während eines Fotospaziergangs in ziemlich dichtem Nebel aufgenommen hatte. Den Text dazu habe ich vor lauter Begeisterung gleich im Anschluss verfasst, kaum, dass ich wieder zu Hause war. So konnte ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, dass diese Wintergeschichte schon einen Tag später nach einer Fortsetzung verlangen würde. Der Nebel hielt sich nämlich über Nacht, wobei die Temperaturen gleichzeitig auf ein paar Grad unter null fielen.

In der Folge zeigte sich der Teuto, wie die Einheimischen ihren Teutoburger Wald meist liebevoll nennen, am nächsten Morgen wie verzaubert. Was blieb mir da schon anderes übrig, als meine Kamera erneut zu schultern und mich in die eisigen, windgepeitschten Höhenlagen eben dieses Teuto, also praktisch in die Todeszone des Münsterlandes, zu begeben? Hier mein verstörender Exklusivbericht, in dem es um Magie, schmelzende Kristalle und eiskalte Gliedmaßen gehen wird:

Von meinem Zuhause sind es nur gut zehn Minuten bis zum nächstgelegenen Einstieg in den Teutoburger Wald, weitere zehn Minuten benötige ich bis zu seinem Kamm, auf dem ein beliebter Wanderweg, der Hermannsweg, verläuft. Im Wald selbst ist noch gar nicht so viel davon zu sehen, aber oben angekommen traue ich meinen Augen kaum: Die Landschaft um mich herum hat sich über Nacht vom unscheinbaren Aschenputtel in eine wunderschöne Eisprinzessin verwandelt. Wie überaus prachtvoll sie in ihrem weißen Glitzerkleid jetzt doch aussieht.

Nicht Schnee hat diese Verwandlung herbeigeführt, nein, es sind dicke Schichten von Raureif, die mich mit offenem Mund staunen lassen. Ist der Teutoburger Wald sonst lediglich ein Mittelgebirge von zwar beachtlicher, aber dennoch eher unspektalulärer Schönheit, so ändert der Raureif heute alles. Derart festlich herausgeputzt, könnte er sich auf jeder noch so schicken Party sehen lassen.

Na gut, ich gebe es zu, das Bild von der Party ist mir gerade ein wenig schief geraten. Aber da wir nun schon einmal beim Thema „Bilder“ sind: Auch heute stammen wieder, genau wie im letzten Blogbeitrag, alle Fotos von einem einzigen Spaziergang. Anders wäre es auch gar nicht möglich gewesen, denn schon am nächsten Tag war die ganze Pracht wieder verschwunden. Das nur als kleine Anmerkung. Nun aber schnell zurück auf den eisigen Kamm des Teutoburger Waldes:

Hier oben weiß ich vor lauter herrlichen Motiven gar nicht, worauf ich meine Kamera zuerst richten soll. Einerseits faszinieren mich die vielen hübschen, filigranen Details, anderseits bieten sich auch immer wieder wunderbare Gelegenheiten für Aufnahmen der gesamten, heute so verwunschenen Landschaft. Nun, zum Glück kann ich ja das eine tun, ohne das andere lassen zu müssen.

Am frühen Vormittag liegen noch einige Nebelschwaden über den Wiesen, aber schon bald lugt hier und da die Sonne hervor. Selbst ein kleines Stückchen blauen Himmels ist hin und wieder zu sehen. Also sollte ich mich wohl ein wenig sputen. Es gibt noch so viel zu fotografieren, aber das artet jetzt mehr und mehr zu einem Wettlauf mit der Zeit aus. Lange dürfte es nicht mehr dauern, bis das Glitzerkleid dahingeschmolzen sein wird.

Ich bedaure den Zwang zur Eile. Nichts macht mir mehr Freude, als beim Fotografieren alle Zeit der Welt zu haben. Aber so ist das nun einmal in der Naturfotografie. Anders als im Studio hat man sich draußen an die Gegebenheiten anzupassen. Manchmal – zum Glück nicht allzu oft – heißt das eben, sich ungebührlich beeilen zu müssen, damit eine seltene Gelegenheit nicht ungenutzt bleibt. Und eines ist gewiss: Solch herrlicher Raureif gehört bei uns in der Gegend tatsächlich zu den eher seltenen Ereignissen.

Allerdings hat die ganze Eile auch ihr Gutes: So werde ich schneller wieder im Warmen sein. Dummerweise habe ich beim Aufbruch von zu Hause ganz normale Handschuhe angezogen. Die aber sind zum Fotografieren nicht wirklich geeignet. Viel angenehmer wären jetzt meine speziellen Fotohandschuhe. Bei denen könnte ich für die Aufnahme einfach die Fingerkuppen wegklappen. Das geht ruckzuck und hat den großen Vorteil, dass nur die Spitzen meiner Finger beim Fotografieren kurz der Kälte ausgesetzt sind.

In den normalen Handschuhen habe ich einfach nicht genug Gefühl für die Bedienung der Kamera. Ich müsste sie deshalb vor jeder Aufnahme aus- und danach dann wieder anziehen. Das aber würde mich viel zu lange aufhalten, so dass ich lieber ganz auf die Handschuhe verzichte. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie eisig sich meine Finger schon bald anfühlen. Vielleicht ist es also doch gar nicht so ganz verkehrt, dass mich der schmelzende Raureif zur Eile antreibt.

Auf dem Rückweg dauert es eine Weile, bis ich meine Finger wieder spüre. Obwohl sie jetzt endlich in ihren Handschuhen stecken, scheinen sie nur sehr zögerlich auftauen zu wollen. Aber was macht das schon, wenn man gerade die ganze Magie eines solch wunderbaren Wintertages erleben durfte. Gerade weil so etwas bei uns im Münsterland nur selten vorkommt, habe ich die eisigen Stunden draußen mit allen Sinnen genossen.

Selbst der Kälte konnte ich am Ende noch etwas abgewinnen: Ohne vorher bis auf die Knochen durchgefroren worden zu sein, hätte der heiße Tee am knisternden Kaminofen ja niemals eine so überaus wohlige Behaglichkeit verbreitet.

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