Welch ein Vergnügen es doch immer wieder ist, meine Freunde, die Berberaffen, zu besuchen. Im Naturzoo Rheine – ihr wisst, mein kleiner Lieblingszoo – steht ihnen ein mehr als ordentliches Stück Wald zur Verfügung, in dem sie nach Herzenslust herumtoben, aber eben auch einfach nur ein wenig dösen, soziale Kontakte pflegen oder Schabernack aushecken können. Stunden kann ich bei ihnen verbringen, ohne mich auch nur eine Sekunde zu langweilen.
Ja, das ist durchaus wörtlich gemeint, wenn ich davon spreche, Zeit bei ihnen zu verbringen. Dieser Affenwald ist nämlich für Zoobesucher zugänglich, so dass man die Tiere nicht nur von außen betrachten kann, sondern direkt zu ihnen in ihren Wald spazieren darf. Man bekommt auf diese Weise wunderbare Gelegenheiten, das natürliche Verhalten der Berberaffen ohne Barrieren zu beobachten. Oder ist es vielleicht schon ein Widerspruch in sich, bei Zootieren von natürlichem Verhalten zu sprechen? Ich glaube, das hängt ganz entscheidend von der Tierart und vor allem den Haltungsbedingungen ab. Hier im Berberaffenwald aber scheinen mir die oftmals berechtigten Bedenken unnötig zu sein. Sowohl ihr positives Sozialverhalten als auch die Rahmenbedingungen, unter denen sie dort leben, lassen wenig Zweifel daran aufkommen, dass die Tiere sich wohlfühlen. Insofern kann man wohl mit einigem Recht behaupten, dass sie sich dort ziemlich artgerecht verhalten.
Wenn ich eben von meinen Freunden, den Berberaffen sprach, dann muss ich wohl zugeben, dass es sich um eine eher einseitige Freundschaft handeln dürfte, da die Tiere sich für ihren menschlichen Besuch nur recht mäßig interessieren (zu einer unterhaltsamen Ausnahme komme ich noch). Ich aber hatte schon das Gefühl, die Affen mit der Zeit immer besser kennenlernen zu dürfen, nicht nur als Gruppe, sondern vor allem in ihrer Individualität. Für mich ist es jedenfalls absolut faszinierend zu beobachten, dass sich die einzelnen Tiere gewiss nicht weniger voneinander unterscheiden als wir Menschen. Das betrifft sowohl ihr Aussehen als auch ihr Temperament und die individuellen Verhaltensweisen.
Wenn ich also irgendetwas aus meinen vielen Besuchen bei den Berberaffen mitgenommen habe, dann die beeindruckende Erfahrung, dass es sich bei ihnen um ganz eigenständige, ziemlich intelligente Individuen mit sehr unterschiedlichen Charakteren handelt. Mehr noch: Man kommt nach einer Weile der intensiven Beobachtung einfach nicht um die Erkenntnis herum, dass auch ihre Gefühlswelt unserer eigenen weit ähnlicher sein dürfte, als es unserem Selbstverständnis als Krone der Evolution zuträglich ist. Nun ja, je besser man die Menschen kennt, desto mehr Zweifel an dieser Kronen-Theorie dürften sich ohnehin einstellen. Als Beleg sei hier auf Mark Twain verwiesen:
Gott hat den Menschen erschaffen, weil er vom Affen enttäuscht war.
Mark Twain
Danach hat er auf weitere Experimente verzichtet.
Wissenswertes über Berberaffen
Die Berberaffen gehören zu den Makaken, sind uns genetisch also nicht so nah wie z.B. Schimpansen, Bonobos, Gorillas oder Orang-Utans. Dafür sind sie aber die einzigen Primaten außer den Menschen, die in Europa vorkommen, wenn auch nur auf dem winzigen Fleckchen des Felsens von Gibraltar. Und selbst dorthin hat sie vermutlich vor einigen Jahrhunderten der Mensch gebracht. In vorgeschichtlicher Zeit gab es sie aber tatsächlich in weiten Teilen Europas, auch in Deutschland, wie Fossilienfunde eindeutig belegen.
Ihr Hauptverbreitungsgebiet haben die Berberaffen heute in Marokko und Algerien. Allerdings nehmen die dortigen Populationen wegen der fortschreitenden Zerstörung ihres Lebensraums ab. Insgesamt dürften in Nordafrika wohl nur noch wenige Tausend von ihnen leben, davon mehr als zwei Drittel in Marokko. Ihr typischer Lebensraum sind Mittel- bis Hochgebirgswälder, wo man sie in Höhenlagen von etwa 400 bis 2300 Meter finden kann.
Wie alle Makaken leben auch Berberaffen in Gruppen, deren Größe zwischen gut zehn bis zu knapp einhundert Individuen schwanken kann. Die weiblichen Tiere bleiben ihr gesamtes Leben in ihrer Geburtsgruppe, deren eigentlichen Kern sie auf diese Weise bilden. Unter den Männchen kommt es zwar zu Rangkämpfen, letztlich bestimmt aber nicht nur die reine Stärke sondern ebenso die Beliebtheit den Rang eines Männchens in der Hierarchie der Gruppe.
Die Weibchen paaren sich zwar bevorzugt, aber keineswegs ausschließlich mit den ranghöchsten Männchen. Es hat also jedes männliche Tier einer Berberaffengruppe die Chance, Vater zu werden. Entsprechend kümmern sich auch alle Männchen um die Jungtiere. Sie pflegen ihr Fell, tragen sie herum und spielen mit ihnen.
Berberaffen ernähren sich hauptsächlich von pflanzlicher Kost, verschmähen als Allesfresser aber auch Insekten, Spinnen, Skorpione und Vogeleier nicht. Obwohl sie sehr gut klettern können, verbringen sie den größeren Teil ihres Tages am Boden.
Affen wie du und ich
Soviel zu den reinen Fakten. Meine Zuneigung zu den Berberaffen hat aber ganz andere Gründe, nämlich die typischen Verhaltensweisen dieser Tiere. Das Amüsante daran ist, dass sie mir von meinen eigenen Artgenossen (ich selbst natürlich eingeschlossen) so bekannt vorkommen: Dort hinten zum Beispiel treffe ich auf den etwas genervten älteren Herrn, der sich eigentlich ein möglichst ruhiges Plätzchen gesucht hat, um den dann aber doch eine kleine Rasselbande fröhlicher Jungtiere herumtobt. Ein Stückchen weiter wiederum sitzt ein sich gegenseitig zärtlich umarmendes Pärchen, das von dem nahezu geschwätzig wirkenden, an einen Kaffeeklatsch erinnernden Grüppchen nebenan nichts mitzubekommen scheint. Bald treffe ich auf ein recht pfiffig dreinschauendes Kerlchen, dem ich förmlich ansehen kann, dass es gerade darüber sinniert, wie es seine Spielkameraden ein wenig foppen könnte, was dann natürlich auch unverzüglich in Angriff genommen wird – worauf eine wilde Hatz durch die Bäume beginnt.
Die Sache mit dem Karma
Am lustigsten aber wird es für mich immer dann, wenn Besucher unvorsichtig genug sind, die deutlich sichtbar angebrachten Warnhinweise am Eingang zu missachten. Dort wird nämlich sehr eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass es absolut nicht ratsam und darüber hinaus auch keinesfalls erlaubt ist, mit irgendwelchem Gepäck oder gar einem leckeren Brötchen oder Eis in der Hand den Affenwald zu betreten.
Natürlich weiß ich nichts Näheres über jene Besucher, die glauben, sich nicht an dieses Verbot halten zu müssen. Ganz falsch werde ich mit meiner Vermutung aber wohl nicht liegen, dass viele dieser Leute wohl generell Schwierigkeiten mit dem Einhalten von Spielregeln haben. Anders als z.B. in Naturschutzgebieten, wo es ja auch meist von solchen ebenso unerfreulichen wie unbelehrbaren Zeitgenossen wimmelt, schlägt aber hier im Affenwald ihr schlechtes Karma unmittelbar auf sie zurück. Die schlauen Berberaffen stehen nämlich schon mehr als bereit, ihnen einen unvergesslichen Tag zu bereiten.
Und so kommt es, wie es nun einmal kommen muss: Kaum sind die verbotenerweise mit Tasche, Rucksack oder Lebensmitteln bewaffneten Herrschaften gerade weit genug in den Affenwald spaziert, dass ihnen kein schneller Rückzug mehr möglich ist, schon sausen die Affen in Windeseile und stets von mehreren Seiten gleichzeitig auf ihre willkommenen Opfer zu. Ehe die nun fast schon bedauernswerten Besucher auch nur merken, wie ihnen geschieht, wird alles Essbare blitzschnell entwendet. Die gründliche Inspektion der mitgebrachten Taschen und Rucksäcke dauert kaum länger, zumal es oft zwei oder gar drei Affen gleichzeitig sind, die zu diesem Zweck auf den Rücken eines Besuchers springen oder sonst irgendwo an ihm herumklettern. Als geübte Taschendiebe kennen sie wirklich jeden Verschlussmechanismus und wissen ihn problemlos zu öffnen.
Nach dem Geschrei zu schließen, das die Überfallenen dabei von sich geben, muss es wohl ein ziemlich beeindruckendes Erlebnis sein, in Nullkommanichts von so einer Affenbande ausgeplündert zu werden. Aber keine Sorge: Meine Freunde von der Affengang bringen jede Menge Erfahrung mit. Sie gehen mit höchster Präzision und äußerst effizient vor, so dass die ganze Sache längst beendet ist, bevor Angst und Fassungslosigkeit einer echten Panik weichen könnten. Schließlich lebt diese Form der Clankriminalität ja zum großen Teil vom Überraschungsmoment und einem energisch allen Widerstand im Keim erstickenden Auftreten. Man kann sich also nach wenigen Augenblicken bereits wieder von seinem Schock erholen und dann in aller Ruhe dabei zusehen, wie die Diebe mitsamt der Beute in den Baumkronen verschwinden.
Ich muss zugeben, für mich haben diese Begegnungen zweier Primatenarten stets einen ganz beträchtlichen Unterhaltungswert. Und ähnlich wie früher als Jungendlicher bei den damals beliebten Piratenfilmen, liegt auch heutzutage meine Sympathie ziemlich eindeutig aufseiten der Freibeuter. Nur das Popcorn fehlt zum kompletten Kinoerlebnis. Aber dann wäre ich ja kein amüsierter Betrachter mehr, sondern hätte unweigerlich selbst die ganze Affenbande am Hals. Nein, nein, da macht Zuschauen doch erheblich mehr Spaß.
Übrigens: Da ich ungefragt keine Menschen fotografiere, kann ich euch von solchen Überfällen leider keine Fotos zeigen. Aber vielleicht besucht ihr ja einfach selbst einmal den Affenwald im Naturzoo Rheine. Es ist ein tolles Erlebnis, dem ihr zudem jederzeit einen echten Event-Charakter verleihen könnt. Ihr müsst dafür nur etwas zu essen oder eure Taschen und Rucksäcke mitbringen. Die Berberaffen werden es euch mit einer grandiosen Vorstellung zu danken wissen, ganz bestimmt.
Fotografieren im Affenwald
Technisch ist zum Fotografieren im Affenwald nicht viel zu sagen. Es unterscheidet sich im Grunde nicht von der Zoofotografie ganz allgemein. Zu dem Thema habe ich schon einmal einen eigenen Blogbeitrag geschrieben. Einfach hier klicken.
Die einzige Schwierigkeit kann bei Sonnenschein auftreten, wenn die Lichtflecken im ansonsten eher dunklen Wald zu einer Herausforderung werden. Nicht zu Unrecht heißt es in den Lehrbüchern ja immer, dass man im Wald besser nicht fotografieren sollte, wenn die Sonne scheint. Ich denke, bei Landschaftsaufnahmen ist es definitiv kein Fehler, diese Empfehlung zumindest im Hinterkopf zu behalten. Wenn der gesamte Waldboden von hellen Lichtflecken einerseits und tiefdunklen Schatten andererseits übersät ist, dann wirkt das auf Fotos schnell extrem unruhig.
Aber in diesem Fall habe ich es ja überhaupt nicht auf harmonische Bilder einer hübschen Waldlandschaft abgesehen. Hier geht es mir nur um die Tiere. Da können die zwischen den Bäumen einfallenden Sonnenstrahlen dann einen ganz ähnlichen Effekt erzielen, wie eine künstliche Lichtquelle im Studio oder ein Scheinwerfer auf der Bühne eines Theaters. Mit etwas Glück und einer großen Portion Geduld gelingt es mir auf diese Weise manchmal, die Berberaffen so wirken zu lassen, als seien sie ganz gezielt ausgeleuchtet worden. Da sie aber meinen Regieanweisungen keinerlei Beachtung schenken, liegt es an mir, die dafür passenden Momente auszuwählen. Zum Glück nehmen sich die Tiere immer wieder Ruhepausen. Wenn sie gemütlich im Gras liegen oder auf einem Ast sitzen, und wenn sie das dann auch noch an einer Stelle am Übergang zwischen Sonne und Schatten tun, dann habe ich vielleicht eine Chance.