Auf der Suche nach dem gewissen Etwas

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Tipps & Tricks

Von Zeit zu Zeit schaue ich mir meine alten Aufnahmen ganz gerne noch einmal an. Zum Glück habe ich sehr früh damit angefangen, Fotobücher drucken zu lassen. Es ist eben ein riesiger Unterschied, ob man seine Lieblingsbilder nur virtuell am Bildschirm betrachtet oder ob man sie als richtiges Buch in Händen hält. Die Gestaltungssoftware der Anbieter macht uns den Weg zum eigenen Fotobuch ja inzwischen recht leicht. Zuerst aber gilt es, dafür eine Auswahl unserer besten Bilder zusammenzustellen. Dabei stoßen wir dann zwangsläufig auf die Frage, wie sich denn unsere gelungenen von den weniger gelungenen Aufnahmen unterscheiden lassen.

Vor längerer Zeit habe ich darüber schon einmal einen Beitrag hier im Glaslinsenspiel verfasst. Damals bin ich auf vier Elemente gekommen, die meiner Ansicht nach den Unterschied ausmachen: Motiv, Bildgestaltung, Licht und ein leider nicht so leicht zu fassendes „gewisses Etwas“. Jedes dieser vier Elemente habe ich dann versucht, ein bisschen genauer aufzudröseln.

Heute will ich mal einen etwas anderen Weg wählen und meine Ideen zu dem Thema in erster Linie anhand einiger kommentierter Beispielbilder verdeutlichen (zum Teil sind es sogar dieselben wie damals, aber das habe ich leider erst kurz vor Redaktionsschluss bemerkt, als es für Änderungen zu spät war). Ich habe lauter Fotos ausgewählt, die ich im Zoo aufgenommen habe. Warum? Nun, Tiere sind wohl immer ein lohnendes Motiv, und damit muss ich auf das erste Element gelungener Fotos, eben das Motiv, gar nicht mehr zu sprechen kommen.

Auch das zweite Element, die Bildgestaltung, kann ich auf diese Weise ziemlich kurz abhandeln. Ehrlich gesagt: Zoos sind ein bildgestalterischer Alptraum. Dort geht es mir in erster Linie einfach nur darum, alles aus der Aufnahme zu verbannen, was von dem eigentlichen Motiv ablenken könnte, also Gehegezäune, Schilder, Wirtschaftsgebäude, Wege, Besucher, Kioske, Tierpfleger und, und, und… Wenn mir das gelingt, dann bin ich schon hochzufrieden. Viel Zeit und Raum für eine weiter gehende Bildgestaltung bleibt da selten.

Kurz und gut: Ich werde in meinen Kommentaren zu den Bildern in erster Linie auf die beiden übrigen Elemente, also auf das Licht und vor allem auf jenes dubiose „gewisse Etwas“ eingehen. Aber genug der Vorrede. Kommen wir lieber zu den Fotos:

Mähnenspringer

Eigentlich kein besonders gelungenes Bild, die Mähnenspringer-Mama mit ihrem eifrig kletternden Nachwuchs. Das Licht ist recht langweilig, die Bildgestaltung zweifelhaft. Dennoch mag ich diese Aufnahme, weil sie in mir gleich zwei Emotionen anspricht: Mit der geduldig als Kletterhügel herhaltenden Mutter kann ich als Betrachter ebenso gut mitfühlen wie mit dem überaus vergnügt herumtollenden Böckchen. Außerdem erzählt dieses Bild eine kleine Geschichte. Wir sehen zwar nur den festgehaltenen Moment, denken aber unweigerlich darüber nach, wie das Ganze wohl ausgehen mag. Die beim Betrachten geweckten Emotionen und die in diesem Bild versteckte Geschichte bilden hier zusammen jenes gewisse Etwas, das diesem Foto seinen Reiz verleiht.

Falls ihr neugierig sein solltet: Die Mama hat sich lange in Geduld geübt. Als es ihr am Ende doch zu viel wurde, stand sie ganz vorsichtig auf, so dass ihr Kleines genügend Zeit hatte, rechtzeitig herunter zu springen.

Weißstörche

Auch bei diesen beiden Fotos der Weißstörche wirkt das Licht ziemlich langweilig. Und beim oberen Bild hätte ich durchaus an einer besseren Bildgestaltung arbeiten können. Dafür ist es mir aber gelungen, jeweils den entscheidenden Moment einzufangen. Er gibt diesen Aufnahmen ihr gewisses Etwas. Manchmal braucht es nicht mehr für ein gelungenes Bild.

Trampeltier

Beim Trampeltier ist alles genau anders herum: Abgesehen von seiner zweifelhaften Frisur bietet es nichts Besonderes. Allerdings ist dafür die Bildgestaltung auf eine konventionelle Weise wohl ganz in Ordnung. Vor allem aber konnte ich nach langem Warten das Tier im Sonnenlicht vor einem dunklen Hintergrund fotografieren. Wie schon gesagt, ist es ja gerade im Zoo oft alles andere als leicht, störende Elemente auszublenden.

Humboldt-Pinguin
Mähnenspringer

Noch deutlich stärker ist die Wirkung des Lichts (und auch des Schattens) in diesen beiden Fotos. Während der Pinguin im Moment der Aufnahme durch einen Lichtspot schwamm, steht der beeindruckende Mähnenspringer vor einer künstlichen Höhle gerade noch in der Sonne, so dass er förmlich vor dem dunklen Hintergrund erstrahlt. Beide Bilder leben hier sehr stark vom Hell-Dunkel-Kontrast.

Berberaffe
Walross

Auch hier spielt das Licht bzw. der Kontrast eine entscheidende Rolle. Ich finde aber, beide Bilder zeichnen sich darüber hinaus noch durch unser beliebtes gewisses Etwas aus, hier in Form einer besonderen Haltung, die ich nur einfangen konnte, weil ich auf den richtigen Moment gewartet habe. Jedenfalls wirkt der Berberaffe auf mich so, als bedaure er, am vorigen Abend zu tief ins Glas geschaut zu haben. Das Walross scheint hingegen ein wenig schüchtern zu sein.

Bartaffe oder Wanderu
Sumatra-Tiger

Ich finde Licht und Bildgestaltung sind bei diesen Fotos in Ordnung, wenn auch nicht gerade spektakulär. Beide Aufnahmen leben meiner Ansicht eher von dem intensiven Blick. Der Bartaffe hält etwas in seinen Händen. Wir können es nicht sehen, aber die Tatsache, dass er sehr konzentriert hinschaut, lässt keinen Platz für Zweifel. Der Tiger hingegen blickt direkt in die Kamera und scheint zu überlegen, ob er den Fotografen gleich pur oder lieber mit Ketchup verspeisen möchte. Als Augentiere, die wir ja sind, fällt unser Blick immer zuerst in die Augen unseres Gegenübers. Sie können deshalb sehr wohl einer Aufnahme jenes gewisse Etwas verleihen.

Blutbrustpavian oder Dschelada
Bartaffe oder Wanderu

Hier hat der besondere Pfiff weniger damit zu tun, was ich fotografiert habe. Bei diesen beiden Fotos kommt es vielmehr darauf an, wie sie aufgenommen wurden. Man mag das mögen oder nicht, aber zum Hingucker macht sie erst die verwischte Bewegung als Folge einer etwas längeren Belichtungszeit.

Pfau

Wer kommt denn bloß auf die abwegige Idee, einen Pfau mit herrlich aufgestelltem Rad von hinten zu fotografieren? Nun ja, ich kenne da so jemanden. Manchmal können es gerade die ungewöhnlichen Perspektiven sein, die ein Bild betrachtenswert machen.

Berberaffe
Schwarzschwanz-Präriehund

Nur ausnahmsweise fügt sich alles zusammen, Motiv. Bildgestaltung, Licht und unser jetzt hinreichend erwähntes gewisses Etwas. Aber manchmal eben doch. So bin ich mit den beiden Aufnahmen oben beinahe restlos zufrieden. Sie zeigen recht fotogene Motive, an der Bildgestaltung habe ich nichts zu bemängeln, das Licht unterstreicht in beiden Fällen die Bildaussage. Was will man mehr? Vor allem aber empfinde ich die zwei Aufnahmen als Emotion pur. Wie sehnsüchtig der kleine Berberaffe zu seinen Kameraden schaut, die oben im Baum herumtollen. Hätte er sie doch bloß nicht so sehr geärgert. Dann ließen sie ihn jetzt sicher mitspielen. Sehr viel besser geht es da dem Präriehund. Er genießt offenbar ganz sorgenfrei und mit wohlig geschlossenen Augen die Wintersonne auf seiner Veranda.

Wenn ich die Wahl habe zwischen einem technisch perfekten und einem emotionalen Foto, werde ich Letzteres wohl stets vorziehen. Und wenn es in Fotos eine Eigenschaft gibt, die mehr als jede andere die Bezeichnung „gewisses Etwas“ verdient, dann ist es die Fähigkeit, beim Betrachter Emotionen auszulösen.

Übrigens: Nach ein paar ihm wahrscheinlich endlos erscheinenden Minuten durfte das Berberäffchen wieder fröhlich mit den anderen herumtollen.

Netzpython

Wie gesagt: Bilder leben von Motiv, Bildgestaltung, Licht und – wenn man Glück hat – einem gewissen, nicht immer so ganz leicht zu beschreibenden Etwas. Das ist bei der züngelnden Schlange oben und den kuschelnden Löwen unten nicht anders. Diese vier Punkte machen den Unterschied. Manchmal genügt es, wenn einer oder zwei in einem Foto ihre Wirkung entfalten. Sind es drei, dann können wir auf ein wirklich ordentliches Ergebnis hoffen. In den seltenen Momenten aber, in denen alle vier Merkmale bei einer Aufnahme zusammenkommen, da beginnt die Magie.

Löwen

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