Ein sonniger Herbsttag im Urwald Sababurg

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Schmökern

Den bei Waldbesitzern reichlich unbeliebten Borkenkäfern einerseits und Orkanen wie dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Kyrill im Januar 2007 andererseits haben wir es letztlich immerhin zu verdanken, dass in der Forstwirtschaft ein Umdenken eingesetzt hat. Mehr und mehr Fichtenplantagen, die den Begriff „Wald“ wohl kaum verdient haben, werden endlich wieder in wesentlich widerstandsfähigere und artenreichere Mischwälder überführt.

Ein solcher Umbruch braucht natürlich seine Zeit. Aber sofern man dabei auf die richtigen Baumarten setzt, nämlich solche, die mit dem wärmeren Klima der Zukunft zurechtkommen, könnte es gelingen, ökologische und ökonomische Aspekte mittels kluger Forstwirtschaft unter einen Hut zu bringen. Waldbesitzer, Umwelt und damit letztlich wir alle wären die Nutznießer dieser höchst wünschenswerten Entwicklung.

Wo Wald noch Vielfalt bedeutet

Zum Glück gibt es auch heute noch Wälder, sogar hier bei uns in Deutschland, die uns zumindest ein ungefähres Bild davon vermitteln, wie ein richtiger Wald aussehen kann, wenn man ihn nur lässt: unterschiedliche Baumarten in allen Phasen ihres Lebens, bewohnt von krabbelnden, piependen und geschäftig hin und her eilenden Gästen auf sämtlichen Etagen. Einfach herrlich, so ein gesunder, sich selbst verjüngender Wald und so viel mehr als ein reiner Holzlieferant!

Wer sich selbst einmal ein Bild von einem solch artenreichen Biotop machen möchte, der hat mittlerweile wenigstens in einigen unserer Nationalparks die Gelegenheit dazu. Nun ja, auch die dortigen Wälder sind natürlich längst keine reine und unverfälschte Natur. So etwas gibt es bei uns einfach nicht mehr. Aber voller Leben sind sie wieder oder wenigstens auf dem Weg dorthin. Wenn man bedenkt, wie hoch die Widerstände überall waren – und gegen neu geplante Nationalparks weiterhin sind – dann ist das doch ein mehr als erfreulicher und beinahe schon an ein kleines Wunder grenzender Erfolg.

Eine andere Möglichkeit, wenigstens einigermaßen natürliche Gegebenheiten zu erleben, stellen jene Wälder dar, deren holzwirtschaftliche Nutzung seit langem entweder wegen ihrer exponierten Lage unwirtschaftlich oder schlicht und einfach verboten war. In die erste Gruppe fallen vor allem einige Bergwälder. Nutzungsverbote hingegen wurden meistens vom Adel (ironischerweise auch dem sozialistischen) erlassen, der unbehelligt seiner Jagdleidenschaft frönen wollte. Diese Bannwälder dürften immerhin zu den wenigen positiven Hinterlassenschaften jener vermeintlichen Eliten gehören.

Hutewälder

Eine andere Geschichte erzählen uns die leider nur noch in kleinen Restbeständen vorhandenen alten Hutewälder. Unter deren Kronen durfte sich früher das Vieh der Bauern nach Herzenslust die Bäuche vollschlagen. Besonders die leckeren Eicheln und Bucheckern ließen sich die Tiere während ihrer Waldweide schmecken. Aber auch Blätter und Zweige junger Bäume wurden nicht verschmäht. Dadurch reduzierte sich die Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe, was wiederum den älteren Bäumen zugute kam. Sie konnten deshalb oft unbehindert zu stattlicher Größe heranwachsen.

Mit der Zeit entstanden auf diese Weise lichte Wälder mit großen kräftigen Bäumen, vor allem Eichen und Buchen. Wenn sie im Herbst ihre Früchte abwarfen, dann schloss sich der Kreis. Diese spezielle Form der Tierhaltung bezeichnete man früher als Hutewirtschaft. Die eindrucksvollen Bäume kann man heute noch bewundern, auch wenn viele von ihnen inzwischen ihre letzte Lebensphase erreicht haben. Diese alten Hutebäume gehören aber auch dann noch zu den schönsten und beeindruckendsten in unseren Breiten.

Urwald Sababurg – stimmt das wirklich?

Hutewälder sind somit auch keine Natur- sondern ganz eindeutig Kulturlandschaften. Insofern trägt der Urwald Sababurg in Nordhessen, einer der bekanntesten deutschen Hutewälder, seinen Namen zu Unrecht. Der Schönheit dieses Naturjuwels tut das aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil: Viele Baumpersönlichkeiten, oft sehr alt und von herrlich knorrigem Charakter, verleihen ihm einen ganz besonderen Charme, und sie machen ihn zu einem Kleinod, das zum Glück und völlig zu Recht bereits seit 1907 unter Naturschutz steht. Seit diesem Zeitpunkt findet hier keine holzwirtschaftliche Nutzung mehr statt.

Die Sababurg, die dem Wald ihren Namen gab, trägt ihren Teil zu dem romantischen Bild bei. Immerhin ist sie laut Volksmund das Dornröschenschloss aus dem Märchen der Gebrüder Grimm.

Der Landschaftsfotograf – niemals zufrieden mit dem Wetter

Mein Plan war deshalb auch ganz einfach: Ich wollte an einem bedeckten, idealerweise etwas nebligen Novembertag den Urwald Sababurg besuchen und dann genau diese markanten Bäume fotografieren. Wolkenverhangener Himmel sollte dabei für eine gleichmäßig weiche Ausleuchtung sorgen; der erwünschte Nebel wiederum würde mir auch im unaufgeräumten und chaotischen Wald eine ansprechende Freistellung der herrlichen Charakterbäume ermöglichen. Da man sich selbst im November auf solch herbstliche Wetterverhältnisse nicht verlassen kann, hatte ich vorsichtshalber lieber gleich zwei Tage eingeplant.

Die Wettergötter haben offensichtlich jede Menge Sinn für Humor. Keine Spur von einer geschlossenen Wolkendecke oder gar Nebel. Stattdessen jetzt mitten im November von morgens bis abends nur strahlender Sonnenschein und blauer Himmel. Ich hab‘ nichts gegen Humor, wirklich. Bei meinen Freunden schätze ich ihn sogar sehr. Aber immer wieder derselbe alte Gag mit dem grundverkehrten Wetter? Leute, das wird doch langweilig!

Mir blieb also gar nichts anderes übrig, als – wie so oft in der Naturfotografie – das Beste aus der Situation zu machen. Das fiel mir dann sogar leichter, als ich befürchtet hatte. Solch ein sonniger Herbsttag im Urwald Sababurg ist ja wahrlich kein Grund, missmutig durch die Gegend zu stapfen. Also hab ich mir meine Kamera geschnappt und dann einfach fröhlich drauflosfotografiert.

Bedeckter Himmel und Nebel sind zwar sicher die besseren Voraussetzungen für ansehnliche Waldbilder, aber Sonnenschein, gerade in Verbindung mit richtig guter Laune – da sollten mir doch wohl auch ein paar halbwegs vorzeigbare Fotos gelingen, auch wenn es ohne Nebel schon ganz schön schwierig und meistens sogar unmöglich ist, das Hauptmotiv optisch vom umgebenden Chaos zu trennen. Aber was soll’s, so ist der Wald nun mal, wenigstens der echte.

Schaut euch die Fotos am besten einmal in aller Ruhe an. Falls sie euch trotz der eher ungünstigen Wetterbedingungen gefallen sollten, liegt das an meinem herausragenden fotografischen Talent. Wenn nicht, dann ist selbstverständlich einzig und allein eben dieses Wetter daran schuld.

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