Nein, meine Frau hat mich nicht aus dem Haus geworfen. In der Hinsicht ist alles in Ordnung. Ganz anders aber sieht es aus, wenn ich an mein Hobby denke. Da könnte ich bald tatsächlich überflüssig werden. Wie ich darauf komme? Ganz einfach: Bereits heute muss für Fotos, auch für solche von wirklich beeindruckender Qualität, niemand mehr eine Kamera in die Hand nehmen. Hat nicht erst kürzlich ein mittels künstlicher Intelligenz (KI) erzeugtes Bild einen renommierten Fotowettbewerb gewonnen? Der Sieger nahm den Preis dann allerdings nicht an mit der Begründung, es handele sich ja um gar kein echtes Foto. Immerhin gelang es ihm auf diese Weise, publikumswirksam auf die bisher noch kaum bekannte Problematik künstlich erzeugter und dennoch absolut echt wirkender KI-„Fotos“ aufmerksam zu machen.
Zur Illustration dieses kleinen Loblieds auf den Wert der Fotografie auch und gerade in Zeiten der künstlichen Intelligenz – und darauf wird dieser Blogartikel hinauslaufen – habe ich ausschließlich Aufnahmen ausgewählt, die für mich mit ganz besonderen Erinnerungen verknüpft sind. Jede einzelne von ihnen hat deshalb für mich einen Wert, der weit über das Sichtbare hinausgeht.



Schon heute werden klassische Produkt- und Werbefotografen immer häufiger durch künstliche Intelligenz ersetzt. Wäre ich auf dem Gebiet professionell tätig, dann würde ich mir definitiv ein paar Sorgen machen. Aber es betrifft nahezu alle Genres: Wer sagt uns denn, dass nicht auch Hochzeitsfotografen zukünftig immer öfter durch Werke der KI ersetzt werden? Möglicherweise wünschen sich Brautpaare ja demnächst Bilder, wo sie eng umschlungen auf einem weißen Einhorn gen Sonnenuntergang reiten, vielleicht mit scheppernden Dosen anstelle des handelsüblichen Einhornschweifs. Alles mittels KI problemlos machbar – und in einer Qualität, die sich von echten Einhorn-Fotos (?) in keiner Weise unterscheidet.



Zum Glück betreibe ich die Naturfotografie nur zu meinem Vergnügen. Aber dennoch: Wird dieses Hobby in Zukunft überhaupt noch einen Wert für mich haben? Und worin könnte der liegen, wenn es doch um vieles einfacher wäre, meine Bildideen in den Rechner zu diktieren und dann bei einer Tasse Tee dabei zuzusehen, wie die KI daraus ein absolut Instagram-taugliches „Foto“ macht? Da ich schon einmal dabei bin: Von Chat GTP könnte ich mir dann auch gleich noch den dazu passenden Blogbeitrag fürs Glaslinsenspiel schreiben lassen. Alles, ohne mich auch nur einmal von der Couch zu erheben. Und nein, das ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits heute problemlos machbar. Schöne neue Welt!



Das Spektakel der Wirklichkeit
Das Zauberwort lautet „Naturerlebnis“. Ob ihr’s mir glaubt oder nicht: Im Grunde fotografiere ich nicht in erster Linie der Bilder wegen. Natürlich freue ich mich, wenn mir eine ordentliche Aufnahme gelingt, keine Frage. Dennoch sind die Fotos nicht mein eigentlicher Antrieb. Ich bin einfach gerne draußen in der Natur, habe Freude an all dem, was dort wächst, fliegt, brummt, kriecht, herumhüpft… Aber mit Kamera, das stelle ich immer wieder fest, bin ich langsamer unterwegs, aufmerksamer, mehr auf den Augenblick fokussiert. Ich liebe diesen Zustand, in dem meine Sinne schärfer zu sein scheinen, und in dem ich mich, anders als im Alltag, beinahe eins fühle mit der Natur.



Dieses Naturerlebnis kann mir keine künstliche Intelligenz ersetzen. Entwarnung also: Die neuen ebenso faszinierenden wie auch durchaus erschreckenden Möglichkeiten der Bildgenerierung mittels KI werden den Wert, den die Naturfotografie für mich hat, ganz sicher nicht schmälern. Eher dürfte das Gegenteil der Fall sein: Je mehr sich unser Alltag im Digitalen verflüchtigt, je mehr wir uns in der Scheinwelt der sozialen Medien verlieren, desto wichtiger werden mir die Momente echten Erlebens in der Natur sein. Keine 3D-Brille, keine Augmented Reality, schon gar kein Computerspiel könnte für mich auch nur halb so spannend sein wie das, was ich draußen mit allen Sinnen erlebe: das Spektakel der Wirklichkeit.




Jenseits der Pixel
In meinem Archiv findet sich eine ganze Reihe von Bildern, die mir viel mehr bedeuten, als ein neutraler Betrachter vermuten würde. Es handelt sich dabei um Aufnahmen, bei denen sich irgendwo zwischen den für jedermann sichtbaren Pixeln sehr persönliche Erinnerungen verstecken, unsichtbar zwar, aber für mich von großem Wert. Ein guter Grund mehr also, auch zukünftig mit meiner Kamera loszuziehen. KI-generierte Bilder mögen uns optisch reizvoll erscheinen, vielleicht sogar in höchstem Maße ästhetisch. Eines aber werden sie nie sein: ein Ersatz für echte Erlebnisse und unsere Erinnerung an diese besonderen Momente.


Fotos können weitaus mehr sein als nur ein (ohnehin stets unvollkommenes) Abbild der Wirklichkeit: Sie konservieren besondere Augenblicke und halten die Erinnerung daran lebendig. Aber nur echte, ehrliche Fotos schaffen das. Mit Hilfe von Photoshop bis zur Unkenntlichkeit „verbesserte“ Bilder sind dazu kaum mehr in der Lage – und erst recht keine „Fotos“ aus der sterilen Retorte der künstlichen Intelligenz.
