Provence im Weserbergland

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Die Provence – sanfte Hügel, ockerfarbene Dörfer, Lavendelfelder so weit das Auge reicht. Sinnbild für französische Lebensart, ewiger Traum von einem Leben „wie Gott in Frankreich“. Und das alles soll es auch im Weserbergland geben? Im Ernst? Okay, das mit den sanften Hügeln geht klar. Aber ansonsten doch eher Fehlanzeige: Dörfer nirgends ockerfarben, Lebensart typisch westfälisch und nicht die kleinste Spur von Lavendel.

Doch halt, was ist das? Während ringsumher deutsche Mittelgebirgsflora das Gesicht der Gegend prägt, hält ein kleines ostwestfälisches Städtchen die südfranzösische Fahne hoch. Welchen Zaubertrank die Druiden von Höxter auch immer brauen mögen, er scheint bei den Bewohnern eine unstillbare Liebe zur Provence geweckt zu haben. Wie sonst ließe es sich erklären, dass die Weser dort in einem hübschen Bogen das lila gefärbte Blütenmeer verführerisch duftender Lavendelfelder umfließt? Oh ja, man muss nur zur richtigen Zeit nach Höxter reisen, und schon kann man sich beinahe wie in der Provence fühlen und sein ganz persönliches lila Wunder erleben.

eines von unzähligen Blumenbeeten auf der Landesgartenschau

Landesgartenschau 2023 in Höxter

Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, und so machte ich mich auf den Weg zur nordrhein-westfälischen Landesgartenschau, die – welch ein Zufall – dieses Jahr in eben jenem Höxter stattfindet. Um es gleich vorweg zu sagen: Die Fahrt hat sich gelohnt. Allein schon die historische Altstadt mit ihren prächtigen, reich verzierten Fachwerkhäusern ist mehr als sehenswert. Aus Anlass der Gartenschau wurden die sie umgebenden Wallanlagen in einen prächtig blühenden kleinen Park verwandelt. Im Rahmen eines schattigen Bummels entlang der mittelalterlichen Stadtmauer lässt sich bereits da so manche Anregung für den eigenen Garten holen.

Auch die Wallanlagen an der Stadtmauer…
…wurden in die Gartenschau einbezogen.

Dennoch stellen die Rabatten an den Wallanlagen, so hübsch sie auch sein mögen, nicht viel mehr dar als ein höchst vergnügliches Appetithäppchen. Für den weitaus größeren und vielfältigeren Teil der Gartenschau hat man sich nämlich den glücklichen Umstand zunutze gemacht, dass Höxter ausgesprochen malerisch am Ufer der Weser liegt. So ist es denn auch ein Genuss, gemächlich am Fluss entlang zu bummeln und dabei nach und nach die zahlreichen gärtnerischen Highlights in aller Ruhe auf sich wirken zu lassen. Den Endpunkt dieses Spaziergangs bildet der ebenso sehenswerte wie lehrreiche Remtergarten des Klosters Corvey. Das Kloster selbst spare ich mir für einen späteren Besuch auf. Ein Tag reicht auch beim besten Willen nicht für eine so bedeutende Welterbestätte und die Landesgartenschau.

Entlang der Weser geht es in Richtung Kloster Corvey.
Blick zurück nach Höxter

In Blumen schwelgen

Selbstverständlich geht es auf einer Gartenschau nicht um echte, unberührte Natur. Es steht vielmehr das gärtnerische Leistungsvermögen im Mittelpunkt. Man spaziert hier durch eine nachempfundene, in gewisser Weise idealisierte Natur, oft schöner als in Wirklichkeit, aber dafür mit dem unvermeidlichen Makel, künstlich angelegt worden zu sein. Naturfotografie im eigentlichen Sinn lässt sich da wohl kaum betreiben. Hält mich das davon ab, hier meine Bilder zu machen? Aber nein! Ohne zu zögern schnappe ich mir meine Kamera und ignoriere heute einfach mal die engen Grenzen der „echten“ Naturfotografie.

Unzählige üppig, aber immer auch geschmackvoll bepflanzte Beete säumen meinen Weg, der mich, ich erwähnte es bereits, stets entlang der Weser führt. Zwar könnte ich später den Rückweg mit dem Shuttlebus, per Schiff auf der Weser oder auch mit dem „Rasenden Weserwurm“, einer kleinen Bimmelbahn, antreten. Ich entschließe mich aber stattdessen, ihn lieber fotografierend und somit zu Fuß zu bewältigen. Allzu weit ist es ja nicht, und es erspart mir lästige Objektivwechsel unterwegs. Ich bummle also mit dem Standardzoom an meiner Kamera in Richtung Corvey und wechsle dann zum Telezoom für meinen Weg zurück in die Altstadt von Höxter.

Die Blühwiese – wunderschöne Vielfalt

Am gesamten Weg grünt und blüht es prachtvoll, und so weiß ich manchmal gar nicht, wohin ich zuerst schauen und was ich alles fotografieren soll. Eine weitere Steigerung erfährt meine Begeisterung dort, wo die Weser kurz vor Kloster Corvey einen 90-Grad-Bogen beschreibt. Hier treffe ich auf die wohl schönste Blumenwiese, die ich seit sehr langer Zeit zu Gesicht bekommen habe. Welch ein Blütenmeer, welch eine herrliche Farbenpracht! Mir fehlen tatsächlich die Worte, um diesen zauberhaften Anblick auch nur einigermaßen angemessen zu beschreiben.

Aber zum Glück muss ich das ja gar nicht. Wofür habe ich schließlich meine Fotos? Vielleicht können sie zumindest einen kleinen Eindruck davon vermitteln, wie schön so eine frühsommerliche Blühwiese doch sein kann. Welch ein Verlust, dass man so etwas in unserer intensiv bewirtschafteten Kulturlandschaft kaum mehr zu sehen bekommt.

Die Provence lässt grüßen

Noch hellauf begeistert von dieser bunten Pracht gelange ich nach wenigen Schritten in eine gänzlich andere Welt. Bin ich tatsächlich noch in Höxter, der östlichsten Stadt Nordrhein-Westfalens, oder hat es mich etwa wie durch Zauberhand in den Südosten Frankreichs verschlagen, in die Provence? Die lila Blüten des vor mir träge in der Sonne liegenden Lavendelfelds und sein aromatischer Duft könnten mich beinahe vergessen lassen, wo ich tatsächlich bin. Für einen kurzen Moment gebe ich mich dem Tagtraum einer provençalischen Landschaft hin, wie sie Paul Cézanne hätte gemalt haben können: Ich versetze mich zurück ins Südfrankreich des 19. Jahrhunderts und schon sehe ich vor meinem inneren Auge fröhlich schwatzende Französinnen, die in hellen, leichten Sommerkleidern und mit blumengeschmückten Strohhüten anmutig durch ein lila blühendes Lavendelfeld spazieren.

„Hallo sie da, junger Mann (???), könnten sie wohl mal eben ein Foto von uns allen hier im Lavendel machen.“ Vor mir stehen einige ältere Herrschaften in ihrer heutzutage unvermeidlichen Outdoor-Funktionskleidung, und einer von ihnen fuchtelt ungeduldig mit seinem Handy vor meiner Nase herum. Als ich noch ein wenig geistesabwesend aus meinem Tagtraum erwache und endlich nach dem Handy greife, stapfen er und seine Freunde entschlossen ein paar Schritte in das Feld und zeigen mir ihre Zähne. Ich deute das als ein Lächeln fürs Foto und mache sicherheitshalber gleich ein paar Aufnahmen.

Nun ja, so ist das eben mit Traum und Wirklichkeit – sie könnten einander kaum ferner sein. Etwas aber bleibt: der wunderschöne Lavendel. Ich greife nun zu meiner eigenen Kamera und versuche, diese Schönheit von allen Seiten einzufangen. Wie schon so oft hadere ich ein wenig mit den Ergebnissen: Mal sind zu viele Besucher mit im Bild, mal liegt ein Teil des Feldes im Schatten einer vorüberziehenden Wolke und dann wieder fehlt es an irgendjemandem, der mir als Maßstab dienen könnte, um die ja durchaus beeindruckenden Dimensionen des Lavendelfelds zu verdeutlichen. Aber mit ein wenig Geduld gelingt es mir, alle diese Probleme zu lösen und ein paar brauchbare Fotos zu machen.

Am Ende des Tages bereue ich es ganz sicher nicht, einen kurzen Abstecher von der reinen Natur- hin zur Gartenfotografie unternommen zu haben. Ich hoffe, er hat euch ebenso viel Freude gemacht wie mir. Für den Fall, dass dem so sein sollte, hier noch eine kleine Zugabe:

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