Sollte ich mich stärker spezialisieren?

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Immer dann, wenn unsere fotografischen Ambitionen über reine Schnappschüsse hinausgehen und das Ganze für uns zu einem mehr oder weniger ernsthaft betriebenen Hobby wird, kommen wir nicht umhin, uns ein paar grundsätzliche Fragen zu stellen: Warum fotografiere ich? Welche Ziele will ich mit meiner Fotografie erreichen? Was bin ich bereit dafür zu tun? Diese Fragen wird jeder für sich selbst beantworten müssen. Es kann da kein Richtig und kein Falsch geben. Deshalb sind meine ganz persönlichen Antworten eben auch nur das: persönlich und keinesfalls allgemeingültig. Ich will es am Beispiel einer Frage erläutern, mit der ich eine ganze Weile gerungen habe: Sollte ich mich stärker spezialisieren oder bleibe ich dabei, fast alle Gebiete der Naturfotografie – und manchmal auch darüber hinaus – zu beackern?

Wenn die Fotos zu diesem Blogbeitrag so wirken, als habe der Zufall sie ausgewählt, dann täuscht der Eindruck nicht – oder zumindest nicht sehr. Die recht bunte Mischung zeigt aber eben auch, dass ich mich bisher nicht zu einer Spezialisierung innerhalb der Naturfotografie aufraffen konnte, obwohl das vielleicht ganz vernünftig wäre.

Waldfotografie
Waldfotografie

Spezialisierung – ein Schlüssel zum Erfolg

Wer auf irgendeinem Gebiet richtig gut werden will, wird nicht darum herumkommen, sich zu spezialisieren. Ein Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt mag noch so ein guter Jurist sein, auf dem Gebiet des europäischen Patentrechts wird er einer Kollegin, die sich genau darauf spezialisiert hat, niemals das Wasser reichen können. Ganz ähnlich gilt das natürlich auch für die Fotografie. Auch hier ist die Spezialisierung ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Es ist eben kaum möglich, in so unterschiedlichen Genres der Fotografie wie Mode, Architektur, Reportage, Sport und Natur – um nur einige zu nennen – Bestleistungen abzuliefern.

Makrofotografie
Makrofotografie

Der Grund dafür liegt weniger im eigentlichen fotografischen Handwerk. Fertigkeiten wie der Umgang mit Licht, die Bildgestaltung oder auch das Nachbearbeiten am PC unterscheiden sich über die verschiedenen Genres gar nicht so sehr. Die wirkliche Herausforderung ist eine andere: Gute Bilder gelingen in der Regel nur dem, der eine ganze Menge von seinem Sujet versteht. Eine Sportfotografin muss die Regeln und Abläufe der jeweiligen Sportart kennen. Ein Tierfotograf wiederum wird ohne jede Menge Wissen über Vorkommen und Verhalten seiner Wunschmotive kaum zum Zuge kommen. Diese Aufzählung ließe sich fortführen. Es gibt keine fotografische Sparte, in der man ohne beträchtliches Spezialwissen erfolgreich sein könnte.

Tierfotografie
Tierfotografie

Aber selbst die Beschränkung auf ein einziges Genre mag vielleicht nicht weit genug gehen. Welcher Sportfotograf deckt schon alles ab von Eiskunstlauf über Formel 1 bis Fußball? Oder nehmen wir einmal meine eigene Sparte, die Naturfotografie. Auch sie stellt noch immer ein extrem weites Feld dar: Landschaften, Tiere, Pflanzen, Astro, Unterwasser, Makro… Kann man da wirklich alles perfekt beherrschen?

Blumenfotografie
Blumenfotografie

Und selbst damit ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. Allein die Landschaftsfotografie wird – zumindest im englischen Sprachraum – fein säuberlich weiter unterschieden in: Great Landscapes (klassische Landschaftsbilder), Intimate Landscapes (engere Ausschnitte einer Landschaft), Seascapes (Küstenlandschaften), Cityscapes (Stadtlandschaften), Nightscapes (Landschaften bei Nacht), Woodland Photography (Waldfotografie)… Einige der größten Landschaftsfotografen haben sich auf nur einen oder vielleicht zwei dieser Teilbereiche konzentriert. Nicht zuletzt deshalb wurden sie so gut in dem, was sie taten. Als Beispiel sei hier William Neill genannt, der einen großen Teil seines Lebens der Fotografie von „intimate landscapes“ gewidmet hat und sie fast ausschließlich in der näheren Umgebung seines Wohnortes ausübte. Wir können bei ihm insofern mit Fug und Recht von einer doppelten Spezialisierung sprechen.

Landschaftsfotografie / grand landscape
Landschaftsfotografie / grand landscape

Wie wichtig ist mir das letzte Quäntchen Bildqualität?

Sollte ich mich also stärker spezialisieren und nicht mehr (fast) das gesamte Spektrum der Naturfotografie bespielen? Ich könnte mich zum Beispiel ganz auf Insektenmakros konzentrieren. Oder wenigstens auf die Tierfotografie. Aber würde mir da nicht etwas fehlen? Wo bliebe meine Vorfreude auf die Frühblüher? Was würde mich dann noch bei Regen und Nebel in den Wald treiben? Und schon grinst sie mich boshaft an, meine Zwickmühle: Hier die enge Spezialisierung mit der Chance auf bessere Bilder, dort das weite naturfotografische Spektrum mit allem, was mir so viel Spaß macht. Und nun?

Landschaftsfotografie / intimate landscape
Landschaftsfotografie / intimate landscape

Die Fotografie ist mein Hobby, nicht mein Broterwerb, und ich bin ein Mensch, der die Abwechslung liebt. Routine mag zu besseren Ergebnissen führen, gewiss. Ich zweifle keinen Moment daran. Aber ich hasse sie nun einmal. Nichts ödet mich mehr an, als immer und immer wieder das Gleiche zu tun. Im Beruf habe ich Routine zum Glück fast immer vermeiden können. Da werde ich jetzt bei meinem Hobby nicht damit anfangen.

Landschaftsfotografie an der Küste / seascape
Landschaftsfotografie an der Küste / seascape

Dabei verstehe ich durchaus, dass nicht jeder dies so sieht. Schließlich weiß ich ja um die enormen Fortschritte, die durch wiederholtes Üben möglich sind. Denken wir da nur an das Training im Sport oder auch daran, mit welcher Beharrlichkeit Musiker eine Passage so lange üben, bis sie richtig sitzt. Ich bin auch jederzeit bereit, Perfektion zu bewundern. Aber eben lieber von außen, quasi als Unbeteiligter.

experimentelle Naturfotografie – Doppelbelichtung
experimentelle Naturfotografie – absichtlich bewegte Kamera

Tatsächlich bin ich sehr gerne ein Feld-Wald-und-Wiesen-Fotograf – im übertragenen wie auch im wörtlichen Sinn. Nichts macht mir mehr Spaß, als immer wieder neue Facetten dieses wunderbaren Hobbys auszuprobieren. Da muss gar nicht immer alles auf Anhieb gelingen. Für mich sollte die Naturfotografie am liebsten so vielfältig sein wie die Natur selbst. Und jeder Tag, den ich mit meiner Kamera draußen verbringe, darf sehr gerne zu einem kleinen fotografischen Abenteuer werden.

Schwarzweißfotografie
Schwarzweißfotografie

Der Würfel ist also gefallen: Ich werde mich auch weiterhin in vielen Teilbereichen der Naturfotografie austoben. Glanzvolle Siege in Fotowettbewerben sind so vermutlich nicht drin. Aber als Wettkampfsport habe ich mein Hobby ohnehin noch nie gesehen. Zu Reichtum und Berühmtheit würde mir eine noch so starke Spezialisierung wohl auch nicht verhelfen. Also werde ich einfach weiterhin genau das machen, woran ich am meisten Spaß habe: mit der Kamera in der Hand die wunderbare Vielfalt der Natur genießen und in den besten Bildern festhalten, die ich auf diese Weise zustande bringe – auch wenn sie dann vielleicht nicht die bestmöglichen sind.

abstrakte Naturfotografie
abstrakte Naturfotografie

Wenn ihr mir versprecht, es niemandem weiterzusagen, dann verrate ich euch jetzt noch ein Geheimnis: Manchmal werde ich geradezu tollkühn. Dann verlasse ich das sichere Terrain der Naturfotografie und wage mich mit meiner Kamera in gänzlich andere Bereiche vor: Porträts von Menschen, Streifzüge durch alte wie auch moderne Stadtviertel, Verkehr und Technik oder was immer mir sonst noch so vor die Linse kommt. Und wisst ihr was? Diese Ausflüge in ungewohnte Gefilde machen mir jedes Mal eine ganze Menge Spaß. Aber psssst! Das muss ja hier im Naturfotoblog keiner erfahren.

Erstaunlich, meine Kamera funktioniert auch jenseits der Naturfotografie.
Warum also nicht auch mal etwas ganz anderes ablichten?
zurück zur Naturfotografie: pfeifendes Männchen im Prachtgewand

Ich habe mich sehr bewusst dagegen entschieden, dem ohnehin allgegenwärtigen Leistungsdruck auch noch Einlass in mein Hobby zu gewähren. Er würde nur meine Freude an der Naturfotografie schmälern. Anderen mag es aber genau umgekehrt gehen. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Ich denke da zum Beispiel gerade an das Buch der zwei ausgezeichneten (im doppelten Sinn) Naturfotografen Hermann Hirsch und Karsten Mosebach. Der Titel lautet: Gute Fotos, harte Arbeit – Der Weg zum perfekten Naturfoto. Es beschreibt ihre oft sehr aufwändige Herangehensweise, mit der sie dann aber auch beeindruckende Bilder zustande bringen. Ich empfinde davor eine Menge Respekt, möchte ihnen aber dennoch nicht unbedingt nacheifern. Mir ist es einfach wichtiger, meine Stunden mit der Kamera in der Natur zu genießen. Als harte Arbeit möchte ich sie jedenfalls nicht empfinden.

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