Nein, heute werde ich gewiss nicht zum Fotografieren nach draußen gehen. Es ist nass und zudem ganz schön kalt. Brrrr! Da setze ich mich doch lieber an meinen Rechner und schreibe diesen Blogartikel über unsere Tage in Italien. Vielleicht lenkt mich die Erinnerung ja vom herbstlichen Schmuddelwetter ab. Immerhin ist es noch gar nicht lange her, dass wir im Anschluss an unsere beiden Wochen auf Sardinien bei sommerlich warmen, ja oft sogar heißen Temperaturen durch einige der sehenswertesten italienischen Städte gebummelt sind.
Pisa
Nicht nur, weil es von unserem Hotel aus im wahren Wortsinn naheliegend ist, zieht es uns, kaum in Pisa angekommen, sofort zur Piazza dei Miracoli. Uns und Hunderte wenn nicht gar Tausende andere Touristen aus aller Welt. Na klar, wer würde sich auch schon den berühmten Schiefen Turm von Pisa entgehen lassen? Erstaunlicherweise schaffen es aber auch diese unzähligen, sich vor ihren Kameras oft bemerkenswert albern aufführenden Besucher nicht, diesem Platz mit seinen großartigen Gebäuden jene Würde zu nehmen, die er seit eh und je ausstrahlt. Und außerdem: Benimmt sich dieser wunderschöne freistehende Glockenturm des Doms, sein Campanile, nicht selbst ein wenig albern, so schief, wie er da hinter Santa Maria Assunta hervorschaut?
Direkt angrenzend an die Piazza dei Miracoli gelangen wir in die hübsche Altstadt. Wir bummeln staunend durch ihre lebhaften Strassen. Welch ein Gewusel aus Fußgängern, Autos und Motorrollern hier auch noch in den engsten Gässchen herrscht – kaum zu glauben! Immer wieder einmal verlieren wir in diesem Labyrinth die Orientierung. Aber das macht nichts; wir haben ja Zeit.
San Gimignano
Falls es so etwas gibt wie das italienische Rothenburg ob der Tauber, dann dürfte San Gimignano vermutlich zu den aussichtsreichsten Anwärtern auf diesen Titel gehören. Dieses wohl schon von den Etruskern bewohnte Städtchen liegt oben auf einem Berg. Bereits von Weitem sieht man die vielen Türme. Früher waren es einmal sage und schreibe zweiundsiebzig Geschlechtertürme, von denen aber heute nur noch fünfzehn existieren. Ihr Name rührt daher, dass sich die reichen Familien, eben die Geschlechter, mit der Höhe ihrer Wohntürme gegenseitig zu überbieten versuchten. Auf diese Weise entstand hier so etwas wie ein mittelalterliches Manhattan. Angeber vom Schlag eines Donald Trump mit seinem protzigen Tower und seiner Ich-bin-der-Größte-Mentalität gab es wohl auch damals schon.
Wenn ich vorhin von einem italienischen Rothenburg sprach, dann nicht nur wegen des nahezu vollständig erhalten gebliebenen historischen Stadtbilds. Ähnlich wie in seinem deutschen Pendant wimmelt es hier nur so von Touristen. Entsprechend kompliziert ist das Fotografieren. Ohne eine beeindruckende Menschentraube im Bild geht da so gut wie gar nichts. Das soll aber keine Beschwerde sein. Wir gehören ja hier in Italien, wo auch wir uns auf die Highlights konzentrieren, selbst zu dieser lästigen Spezies. Kaum etwas ist schließlich lächerlicher als ein Tourist, der sich bitter über die vielen Touristen beklagt … was wir natürlich im Stillen doch getan haben.
Siena
Am Nachmittag erreichen wir dann unser Hotel in Siena. Nach einer kleinen Ruhepause sind wir bereits wieder recht unternehmungslustig und machen uns auf den Weg, diese faszinierende Stadt mit ihren vielen steilen Gassen zu erkunden. Wir erwischen gerade noch die goldene Stunde, was die Aussicht von einem der drei Hügel, auf denen sich die Stadt ausbreitet, zu einem unvergesslichen Erlebnis macht. Siena und wir, das ist Liebe auf den ersten Blick.
Alle Wege in Siena führen zur Piazza del Campo, gewiss einem der schönsten unter den vielen sehenswerten Plätzen Italiens. Insbesondere am Abend herrscht hier eine wunderbar entspannte Atmosphäre: Fröhliche Menschen, viele davon Studenten, sitzen einfach mitten auf der Piazza, plaudern miteinander, trinken Wein oder hören Musik; ringsherum genießen Touristen in den Restaurants die gute italienische Küche. Dolce Vita, dem auch wir nicht widerstehen können.
Aber so beeindruckend die Piazza del Campo auch sein mag: Es erweist sich als nicht weniger lohnend, durch die vielen schmalen, oft steilen Gassen Sienas zu bummeln. Gerade am Abend geht von ihnen ein ganz besonderer Zauber aus.
Am nächsten Tag schauen wir uns Siena dann endlich auch im Hellen an. Wie es wohl kaum anders zu erwarten war, wimmelt es auch hier wieder von Touristen. Neben der Piazza del Campo zieht vor allem der Dom Scharen von Besuchern magisch an. Wer ihn besichtigen will, der muss sich in einer langen, in einer seeeehr langen Schlange anstellen. Da ich kaum etwas mehr hasse als in Warteschlangen zu stehen, beschließe ich spontan, dass Bilder vom Inneren einer Kirche ohnehin überhaupt gar nicht in mein Portfolio passen und begnüge mich damit, den Dom von außen zu fotografieren. Nennt mich ruhig einen Kulturbanausen.
Selbstverständlich kehren wir auch noch einmal zur Piazza del Campo zurück, um sie bei Tageslicht anzuschauen. Vor allem der Palazzo Pubblico (Rathaus) mit seinem schlanken Turm (Torre del Mangia) fasziniert uns. Da wir ohnehin eine kleine Rast und etwas Abkühlung vertragen können, setzen wir uns in eines der Cafés und schlecken dort ein leckeres italienisches Eis. Im wahren Sinne des Wortes versüßt es uns den großartigen Blick über den Platz hinüber zum Rathaus noch zusätzlich.
Natürlich „arbeitet“ man als Tourist stets einige der in jedem Reiseführer empfohlenen kulturellen Höhepunkte ab. Was bei uns aber nie fehlen darf: Wir lassen uns immer sehr gerne für eine Weile einfach ziellos treiben, schlendern mal durch diese Gasse, schauen uns mal jenes Viertel an. Fast immer lohnt es sich, auf diese Weise auch einen Blick hinter die herausgeputzte Fassade zu werfen. Siena bildet da keine Ausnahme.
Lago Trasimeno
Auf dem Weg nach Perugia, wo wir dann die nächsten zwei Nächte bleiben werden, kommen wir am Lago Trasimeno vorbei. Wir beschließen, ihn nicht auf der kürzesten Strecke an seiner Nordseite zu passieren. Stattdessen nehmen wir die weitaus längere südliche Route um den See, so dass wir ihn nahezu umrunden.
Unsere Fahrt unterbrechen wir das erste Mal in Castiglione del Lago. Der hübsche Ort liegt ein Stück oberhalb des Sees. Durch seine kleine, recht einladend wirkende Fußgängerzone bummeln jetzt am späteren Vormittag nur sehr wenige Touristen. Am Ende der Einkaufsstraße, wartet eine Überraschung auf uns: Zu unserem Erstaunen finden wir hier – praktisch noch mitten im Ort – eine winzige Olivenplantage.
Den nächsten Stopp legen wir dann in Monte del Lago ein, einem ziemlich kleinen und sehr stillen Fischerdörfchen. Dorthin gelangen wir erstaunlicherweise über eine Straße, die uns einen Hang hinauf zu einem Parkplatz hoch über dem See führt. Sollte ein Fischerdorf nicht am Wasser liegen? Bei unserem Bummel durch die wieder einmal steilen Gassen erkennen wir dann aber schon bald, dass der Ort sich nach unten bis zum See erstreckt. Also werden wohl auch hier nur die üblichen und keine fliegenden Fische gefangen.
Perugia
Unserer Sympathie konnte sich Perugia bereits in dem Moment sicher sein, als wir bei unserer Ankunft im Hotel erfuhren, dass wir die oben am Berg gelegene Altstadt nicht würden zu Fuß erklimmen müssen. Stattdessen konnten wir uns bequem in einem der fahrerlos gesteuerten Wagen der Mini-Metro hinaufbefördern lassen. Sehr angenehm, vor allem nach dem vielen Auf und Ab in den steilen Gassen von Siena.
Perugia ist zwar ohne Frage eine absolut sehenswerte Stadt, aber dennoch zog es uns erst einmal in ihre Unterwelt. Man kann hier nämlich, wenn man den etwas versteckt liegenden Eingang erst einmal gefunden hat, die unterirdischen Bauten einer wichtigen mittelalterlichen Brunnenanlage besichtigen. So etwas sieht man ja nicht alle Tage.
Wieder am Tageslicht angekommen, machen wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Auch in Perugia gibt es viele beeindruckende Prachtbauten. Ganz besonders sticht da der Palazzo del Priori hervor, der sowohl außen wie innen Gediegenheit und Wohlstand ausstrahlt. Da wirkt es beinahe schon wie ein Gegensatz, dass auf der Treppe an seiner Schmalseite praktisch zu jeder Tageszeit Einheimische und Touristen sitzen. Sie haben wahrlich kein schlechtes Plätzchen gewählt, blickt man doch von hier auf die prächtige Fontana Maggiore und das geschäftige Treiben um sie herum.
Lässt man die ganze Pracht einmal hinter sich, dann gelangt man auch in Perugia recht bald in schmale, verwinkelte Gassen. Viele der Häuser dort sind zumindest von außen in einem alles andere als guten Zustand. Man merkt ihnen ihr Alter an. Bei so vielen erhaltenswerten Häusern wie in den historisch geprägten Städten Italiens ist es kein Wunder, dass nicht immer genügend Mittel für die dringend notwendige Sanierung verfügbar sind. Einerseits ist das sehr schade, aber andererseits… Mehr Charme als die meisten Neubauten haben diese alten Gemäuer ja dennoch.
Noch ein zweites Mal erkunden wir Perugias Unterwelt. Zumindest fühlt es sich so an, als wir staunend die Fundamente der ehemaligen päpstlichen Festung Rocca Paolina durchstreifen. Aber eigentlich befinden wir uns hier unten in den uralten Straßen des historischen Perugias. Papst Paul III. ließ 1540-1543 rücksichtslos ein altes Stadtviertel abreißen, um darauf als Zeichen seiner Macht eine Festung zu errichten.
Am Abend wird es noch einmal laut in den Straßen, in denen zuvor schon ein wenig Ruhe eingekehrt war. Unzählige Oldtimer tuckern oder röhren durch die Altstadt, um dann auf dem Platz vor dem Dom, gleich neben der Fontana Maggiore, einen Stopp einzulegen. Wir schauen dem bunten Treiben eine Weile zu, bevor wir uns dann auf den Rückweg in unser Hotel machen. So spät abends fährt die Mini-Metro nicht mehr, aber bergab lässt sich der Weg auch sehr gut zu Fuß bewältigen.
Damit bin ich am Ende des ersten Teils unserer italienischen Städtereise angekommen. Puh, ich hab‘ selbst gar nicht mehr gewusst, wie viele Fotos das geworden sind. Also werde ich wohl nicht darum herumkommen, die restliche Reise noch einmal auf zwei Artikel aufzuteilen. Ich hoffe sehr, ihr betrachtet das nicht als Drohung.