Für mich gehört es im Herbst einfach dazu: Irgendwann gegen Ende Oktober oder Anfang November zieht es mich zu „meinen“ Kranichen in die Diepholzer Moorniederung. Ich war schon sehr oft dort, und inzwischen geht es mir gar nicht mehr unbedingt um weitere Fotos (die ich natürlich dennoch mache). Nein, es ist einfach immer wieder ein fantastisches Erlebnis, diesen wunderschönen Vögeln dabei zuzusehen, wie sie höchst elegant einherschreiten, hier und da ein Maiskorn aufpicken, gelegentlich einen kleinen Pas de deux aufs Parkett (na ja, wohl eher aufs Feld) tupfen, um kurz darauf ihr nunmehr leicht derangiertes Gefieder sorgfältig zu ordnen. All das hat etwas von beinahe schon höfischer Noblesse.
Fast immer begleitet meine Frau mich zu den Kranichen, denn sie teilt meine Liebe zu diesen herrlichen Vögeln. In diesem Jahr machten wir uns ausnahmsweise sogar zu dritt auf den Weg dorthin, denn eine gute Freundin hatte sich extra einen Tag Urlaub genommen, um mitfahren zu können.
Da wir an einem solchen „Kranichtag“ stets viele Stunden im Auto sitzend verbringen, hatten wir uns vorsorglich nicht nur mit Kamera und Ferngläsern, sondern auch einem reichlich bestückten Picknickkorb sowie einigen Thermoskannen Tee bevorratet. Von der kulinarischen Seite her konnte also schon mal nichts mehr schiefgehen.
Allerdings stellt sich immer wieder aufs Neue die spannende Frage, ob sich die Vögel als einigermaßen kooperativ erweisen. Auch wenn einige Zehntausende von ihnen jedes Jahr auf ihrem Flug in den Süden eine ausführliche Rast dort einlegen, ist es doch nicht immer so ganz leicht, sie in der Diepholzer Moorniederung dann auch zu finden. Das gelingt uns in manchen Jahren besser, in anderen dann wieder weniger gut. Abgeerntete Maisfelder sind zwar immer einen prüfenden Blick wert, aber davon gibt es inzwischen ja so viele, dass die Kraniche hier die Qual der Wahl haben. Für uns kann das schon mal eine längere Suche bedeuten. Gänzlich erfolglos sind wir dabei allerdings zum Glück bisher noch nie geblieben.
Noch einmal deutlich schwieriger wird die Sache, wenn ich die Kraniche nicht nur beobachten, sondern auch fotografieren will. In dem Fall müssen wir ja ein ganzes Stück näher an sie herankommen. Außerdem spielt dann auch der Hintergrund eine Rolle. Dies umso mehr, als sich nicht immer vermeiden lässt, die eher unattraktiven abgeernteten Maisfelder mit ins Bild zu nehmen. Ein bisschen herbstliche Anmutung wäre deshalb natürlich gar nicht schlecht, also buntes Laub und gerne noch ein Hauch von Nebel. Aber bitte wirklich nur ein Hauch, denn man soll ja die Kraniche noch gut auf dem Foto erkennen. Ihr seht also: Die Sache erweist sich als gar nicht so einfach.
Wenn dann endlich mal alles zu stimmen scheint, ist der Drops aber noch längst nicht gelutscht. Im Gegenteil, jetzt kommt der wohl schwierigste Part: Vorsichtig das Auto ausrollen lassen, dabei schon mal das Seitenfenster öffnen und den Bohnensack als Stativersatz auf dem Fensterrahmen platzieren, sanft anhalten, sich möglichst nicht bewegen, dennoch die Kamera auf dem Bohnensack ausrichten … und dabei hoffen, dass die gefiederten Motive nicht davonfliegen.
Falls ich alles richtig gemacht habe, tun sie das zwar meistens nicht, aber damit habe ich noch längst nicht gewonnen. Auch wenn sie nicht gleich abfliegen, kann ich doch fast sicher davon ausgehen, dass sich die Kraniche nun erst einmal ein ganzes Stück von mir wegbewegen. Das geschieht zwar langsam und gänzlich unaufgeregt, aber wirklich gute Bilder bringe ich so kaum zustande. Es ist schon manchmal zum Haare raufen (nicht, dass bei mir noch viel zu raufen wäre) wenn mir mein Lieblingsgeflügel immer nur seine – zugegeben – durchaus attraktive Rückseite präsentiert.
Falls ihr von all meinem Gejammer über die geringe Bereitschaft dieses undankbaren Federviehs zu einer gedeihlicheren Zusammenarbeit noch nicht genug haben solltet, dann klickt doch mal auf den Button unten. Er bringt euch in Nullkommanix zu einem älteren Blogbeitrag über die Kraniche in der Diepholzer Moorniederung. Dort könnt ihr noch mehr darüber erfahren, was ich an meinen hübschen, aber zickigen Models alles auszusetzen habe. Noch mehr Kranichbilder gibt’s dort natürlich auch.
Leider verhalten sich die Kraniche in dem Punkt auch heute nicht anders als erwartet. Nun, sie werden ihre Erfahrungen mit uns Menschen gemacht haben. Wer würde ihnen da ein gewisses Maß an Wachsamkeit und Vorsicht verdenken. Ich will mich auch nicht weiter beklagen. Immerhin sind dieses Mal die sonstigen Bedingungen so recht nach meinem Geschmack: Leichter Nebel wabert über den Feldern und ganz wunschgemäß präsentieren sich die Vögel sogar immer mal wieder vor herbstlich bunter Kulisse. Was will man mehr?
Und das Beste: Selten konnten wir so viele Kraniche in so kurzer Zeit finden wie heute. Kaum am Ziel angekommen, stehen schon die ersten Trupps bereit, um sich von uns beobachten und fotografieren zu lassen. Zum Glück geht es so auch weiter. Alle paar hundert Meter scheinen sie schon auf uns zu warten. Mal sind es einzelne Exemplare, mal aus einem oder zwei Jungvögeln und ihren Eltern bestehende Familien, meistens aber große Gruppen, nicht selten Dutzende, oft sogar Hunderte von Kranichen. Dort herrscht ein reges Kommen und Gehen, was mir ein paar Aufnahmen von Starts und Landungen ermöglicht.
Am Ende treten wir sehr zufrieden unsere Heimfahrt an. Die mitgebrachten Leckereien haben wir während der Vogelbeobachtung zwar weitgehend aufgefuttert, aber das hindert uns nicht daran, zum Abschluss dieses so erfreulichen Tages unterwegs noch einen Stopp einzulegen. Nicht ganz, aber doch fast am Weg kennen wir ein nettes Lokal, in dem sie ausgesprochen leckere Flammkuchen servieren. Und es macht nun einmal ganz schön hungrig, Kranichen über viele Stunden beim Fressen zuzusehen.